Kaum hatten Wiebke Fromholz und Jeniffer Mulinde-Schmid die Türen ihrer „Black Wedding“-Bar in den Räumen der früheren „Wilma-“ aufgemacht, da schneite auf Google schon die erste Negativ-Bewertung herein: „Vorher war es besser!“ „Alten Besitzer raus geschmissen und jetzt (Geld macht es möglich) einen auf Fancy machen! Nachgemachte Sache!“
Die beiden Betreiberinnen schütteln noch immer ungläubig den Kopf, wenn sie an die Mutmaßungen des unbekannten Gastes denken. „Uns wurde angelastet, wir wären die Bösen, die jetzt den Wedding gentrifizieren.” Von einem Rausschmiss könne keine Rede sein. Nachdem die Betreiber der Wilma nach dem Ende ihres Vertrages schließen mussten, wollte der Eigentümer eigentlich eine Praxis in dem zweistöckigen Hinterhof-Gemäuer einrichten. Doch dann konnten sich Fromholz und Mulinde-Schmid mit ihrer Bewerbung für eine Bar doch noch durchsetzen. „Die Räume standen nicht nur leer, sie waren auch in einem erbärmlichen Zustand“, erinnern sich die beiden. „Der Fußboden war rausgerissen, die elektrischen Leitungen in der Wand waren durchgeschnitten. Es gab keine Toiletten, kein Waschbecken.“ Bis zur Neueröffnung Ende November 2022 zweifelten sie immer wieder, ob sie sich mit der Baustelle nicht zu viel aufgehalst hatten. „Es war eine große Herausforderung für uns beide. Wir haben unser privates Geld reingesteckt und einen Großteil unserer Freizeit.“
Fromholz und Mulinde-Schmid sind keine Geschäftspartnerinnen im klassischen Sinne. Vor fünfzehn Jahren lernten sie sich zufällig über ihre Arbeit kennen und wurden beste Freundinnen. Jenny Mulinde-Schmid war früher eine bekannte Schauspielerin und Stand-Up-Komikerin, die auf der Bühne unter dem Namen „schwarze Heidi“ mit Geschichten über ihre afroschweizerische Herkunft Stereotype aushebelte. Nachdem ihr Vater im Januar 2011 gestorben war, hing sie die Comedy an den Nagel und eröffnete ein Restaurant in Kreuzberg mit Schweizer Küche, ebenfalls „Schwarze Heidi“ genannt. Wiebke Fromholz arbeitet hauptberuflich als Filmproduzentin. Für den Film „Honecker und der Pastor“ wurden ihr Team und sie gerade für den Grimme-Preis nominiert. Die Wege der beiden kreuzten sich, als Mulinde-Schmid bei einer Filmproduktion von Fromholz ihr Restaurant für das Abschlussfest bereitstellte. Gemeinsam eine Bar zu eröffnen entwickelte sich von einer spontanen Idee zum bisweilen nervenaufreibenden Team-Effort. „Wenn eine von uns down war und aufgeben wollte, baute die andere sie wieder auf und umgekehrt“, erinnert sich Fromholz. Dass sie im Wedding gelandet sind, ist dabei kein Zufall. Beide haben jahrelang im Kiez gewohnt, auch wenn sie aus familiären Gründen mittlerweile woanders leben. „Es gibt keinen so zentralen Bezirk, wo zwei Normalos wie wir noch eine Bar eröffnen können – und dann noch so ein Juwel wie das hier.“ Der Wedding sei für die beiden noch immer ein Ausnahmeviertel in Berlin. „Ich bin froh, dass ‚der Wedding kommt‘, aber dabei noch immer ein langsames Tempo vorlegt“, sagt Fromholz, die ihre Wochenenden der Bar wegen nun wieder oft hier verbringt.
Dass das “Black Wedding” nun fancy Mitte-Chic in die lebhaft-raue Badstraße gebracht habe, ist wirklich weit hergeholt. Die Unterschiede zur alten Wilma-Bar sind eher im Detail zu spüren, in der Beleuchtung, die weniger schummrig ist und den Flohmarkt-Sesseln, die ein bisschen weicher und sauberer sind als früher. „Wir wollten den alten Charme erhalten, aber ein bisschen gepflegter machen“, sagt Mulinde-Schmid. Nicht ganz so studentisch wie früher ist auch das Angebot an Drinks: Neben Bier legen die beiden Wert auf guten Wein und eine Auswahl Cocktails, von denen vor allem mehrere Whiskey-Sour-Varianten hervorstechen. Auch Veranstaltungen wird es weiterhin geben, zum Beispiel Liederabende mit Live-Rembetiko, dem griechischen Blues. Auch Stand-up-Comedy gibt es jeden Sonntag, wobei sich Mulinde-Schmid sogar vorstellen kann, in ihrer eigenen Bar mal wieder als „schwarze Heidi“ aufzutreten. Obwohl die beiden noch wenig Werbung gemacht haben, sei das Feedback der Gäste bislang gut, sagen die Betreiberinnen – auch auf Google, wo der eingangs erwähnte Schmäh-Kommentar mittlerweile unter vielen Komplimenten untergeht.
Black Wedding Bar
Badstr. 38⁄39, Eingang Travemünder Straße
Mi-So ab 18.00 Uhr – ?
Uns erreichen auf mehreren Wegen andere Darstellungen zum Betreiberwechsel und Ende der alten Wilma. Dieser Blogbeitrag kann den vielen Facetten nicht gerecht werden. Deshalb freuen wir uns, wenn wir einen weiteren Artikel über das Vermächtnis der alten Wilma sowie vielleicht auch dem neuen Charme der Reinickendorfer Wilma beim Weddingweiser veröffentlichen können. Einsendungen sind explizit erwünscht 😉
Was regen sich eigentlich alle so auf? Ich lebe seit über 30 Jahren um Wedding und kann sagen das der Wedding ein wenig Qalität gebrauchen kann. Keiner von uns alten Weddingern will die schlechten Zeiten die wir wahrlich hatten zurück haben. Die Strassen waren unsicher die Läden schmuddelig das will keiner.
Die ganzen Zugezogenen die keine Ahnung haben wie der Wedding ist oder war sollen einfach mal kleine Brötchen backen und nicht versuchen was zu verändern oder zu behalten was sie nichts angeht.
Die Leute regen sich auf, weil in der Konsequenz ein beliebte und etablierte Bar durch eine andere verdrängt wurde.
Ha, hat sich der Text doch für mich gelohnt, bzw. die Kommentare. Ritterlandweg 31, gut zu wissen. DANKE!
Haha, wie peinlich
Der Artikel ist wirklich ärgerlich. Den neuen Betreiberinnen sei nichts Schlechtes und die Werbung durch Euch natürlich gegönnt. Allerdings trifft Euer Beitrag hier die falschen Noten und kommt recht einseitig daher.
Die alte Wilma war eine Anlaufstelle für Menschen jeglicher Couleur und Ausrichtung, was den Ort für viele Weddinger und Neugierige über die Jahre zu einer kulturellen Institution und Begegnunsstätte gemacht hat – sei es auf ein Sterni oder einen Sekt. Neben kulturellen Angeboten (u.a. Auftrittsmöglichkeiten für unbekannte Künstler) gab es auch ein soziales Engagement für den Kiez (Essensausgabe für Bedürftige).
Die unwidersprochene Darstellung, dass die Vorbetreiber die Einrichtung lediglich der Verwahrlosung anheim haben fallen lassen, ist – neben der Tatsche, dass sie inhaltlich einer gewissen Chuzpe nicht entbehrt – anbetracht der Rolle, welche die alte Wilma im Kiez gespielt hat, ein grobes Foul. Auch die Kommentar-Kritik an dem neuen Konzept als die bei Neueröffnungen zu erwartbare erfolgsneidende Missgunst abzutun, wird der Sache in Zeiten von steigenden Mieten und stärker werdenden Verdrängungstendenzen nicht gerecht – gerade im Gesundbrunnen. Es gibt viele Besucher:innnen und Kiezbewohner:innen, die über die Schließung der alten Wilma sehr traurig waren und sich nicht wie die neuen Betreiberinnen darüber freuen können, dass „der Wedding kommt“ und gemütliche und freundliche Orte ihrer Heimat „gepflegter“ gemacht werden.
Wir freuen uns auf eine Gegendarstellung mit einem differenzierten und vor allem fairen Blick zu dem Thema. Danke für Eure Arbeit!
Uns erreichen auf mehreren Wegen andere Darstellungen zum Betreiberwechsel und Ende der alten Wilma. Dieser Blogbeitrag kann den vielen Facetten nicht gerecht werden. Deshalb freuen wir uns, wenn wir einen weiteren Artikel über das Vermächtnis der alten Wilma sowie vielleicht auch dem neuen Charme der Reinickendorfer Wilma beim Weddingweiser veröffentlichen können. Einsendungen sind explizit erwünscht.
Man kann sich Gentrifizierung auch schön reden!
Dem Wedding wurde das Herz rausgerissen & kann nicht ersetzt werden!
Das kiki sol ist ja auch noch da und definitiv einen Besuch wert
Die Wilma ist ja in den Ritterlandweg gezogen. Das ist zwar schon Reinickendorf, daber definitiv einen Besuch wert!
Ist deutlich größer jetzt und es gibt sogar einen Garten, den schummrigen Charm hat man sich zum Glück bewahrt.
1) Die Betreiber der Wilma mussten nach Vertragsende schliessen. Stimmt schon, aber ließ man sie wissen, dass die Vermieterin keinen Barbetrieb mehr wünscht.
2) Die Räume waren in einem noch viel schlimmeren Zustand, bevor die Wilma dort einzog – ebenfalls ohne Elektrik, Sanitär, Heizung und Fußboden.
3) Der “alte Charme” war eben genau das augenscheinlich weniger gepflegte und “studentische” Antlitz, welches nicht nur den zahlreichen Gästen genau so gefallen und eben jene besondere Atmosphäre erschaffen hat, die nun unwiederbringlich verschwunden ist.
Guten Wein und teure Cocktails auf bequemen Flohmarktmöbeln gibts doch in Berlin schon genug! Aber einen Ort, wo wirklich jede/r willkommen war, ob Porschefahrer oder Obdachloser, Student oder Arbeiter, wo sich auch jede/r ein Getränk leisten konnte, wurde nun durch “privates Geld” ersetzt. Fakt. Und der Schmähkommentar war vielleicht nur die persönliche Meinung eines ehemaligen Gastes, der die Unterschiede eben nicht nur im Details gespürt hat.
4,50€ für ein Flaschenbier, null Persönlichkeit und die schrecklichen Neon Lichter sind auch schon zur Hälfte kaputt. Wer das Herz des Weddings vermisst sollte in die neue Wilma im Ritterlandweg 31 gehen.
Schade um die alte Bar.
Die bar wirkt leider viel kälter als die alte Wilma.