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Verkehrssicherheit für alle:
Sicher bewegt und mobil im Kiez

1. Februar 2023

Senior:innen und Unfall­ge­fah­ren im Stra­ßen­ver­kehr ist ein The­ma, das immer wie­der und noch Aktua­li­tät hat. Älte­re sind in hohem Maß sowohl Opfer als auch Ver­ur­sa­cher von Unfäl­len im Stra­ßen­ver­kehr. Sie sind über­pro­por­tio­nal unter den Ver­kehrs­to­ten ver­tre­ten, und in schlim­me­re Unfäl­le ver­wi­ckelt als Jün­ge­re. Was für die Ver­kehrs­si­cher­heit getan wer­den muss und schon wird, steht in die­sem Beitrag. 

Gehen erlaubt uns, in unse­ren Kör­pern und in der Welt zu sein, ohne von ihnen zu Geschäf­tig­keit genö­tigt zu wer­den. Es lässt uns frei den­ken, ohne dass wir uns gänz­lich in unse­ren Gedan­ken verlieren.

Rebec­ca Sol­nit, in: Wan­ders­lust. Eine Geschich­te des Gehens. 2019

Vor allem ab dem 75. Lebens­jahr zeigt sich eine beson­ders hohe Gefähr­dung, und zudem zeigt sich, dass bei Unfäl­len, die im Jahr 2021 mit Ü74-Jäh­ri­gen statt­fan­den, die Ü74 zu drei Vier­teln die Haupt­schuld an den Unfäl­len tru­gen (Deut­sche Verkehrswacht).

„In Ber­lin wur­den 2021 ins­ge­samt 12 582 Unfäl­le mit Per­so­nen­scha­den regis­triert, dabei wur­den 40 Men­schen getö­tet. Es waren 5 095 Fahr­rad­fah­ren­de und 1 840 Fuß­gän­ge­rin­nen und Fuß­gän­ger an Stra­ßen­ver­kehrs­un­fäl­len mit Per­so­nen­scha­den betei­ligt. Die meis­ten Unfäl­le mit Per­so­nen­scha­den gab es in Mit­te (2 010),… .” (Amt für Sta­tis­tik Ber­lin-Bran­de­burg) Ins­ge­samt star­ben 40 Men­schen in Ber­lin im Jahr 2021, in 202 waren es noch 50 töd­lich ver­un­glück­te Per­so­nen. Unter den Todes­op­fern bil­de­ten Fußgänger:innen mit 14 die größ­te Grup­pe. Zudem star­ben unter ande­rem zehn Radfahrer:innen. (tagesspiegel.de)

Im Wed­ding und in Gesund­brun­nen gibt es etli­che Orte, die beson­ders hohe Unfall­häu­fig­kei­ten auf­wei­sen: Oslo­er Stra­ße /Prinzenallee und Loui­se-Schroe­der-Platz. Auch an der A100, der am stärks­ten befah­re­nen Auto­bahn Deutsch­lands, genau­er gesagt an ihrem Ende an der Beus­sel­stra­ße – an der Gren­ze von Char­lot­ten­burg und Mit­te – ist ein Unfall­schwer­punkt. Aber auch die Mül­lerstra­ße Ecke See­stra­ße ist wegen der Schwer­last­ver­kehrs und der mit­ti­gen Tram auf der Mül­lerstra­ße ein gefähr­li­cher Verkehrsraum.

Neben der siche­ren Nut­zung der städ­ti­schen Ver­kehrs­we­ge und Plät­ze stel­len sich auch wei­te­re Fra­gen wie die nach den Auf­ent­halts­qua­li­tä­ten im öffent­li­chen Raum.

Ich sprach mit Dr. Mar­tin Rud­nik von FUSS e.V. über die Situa­ti­on der Senio­ren in unse­rem Stadt­teil. FUSS e.V. ist eine Inter­es­sen­ver­tre­tung zur Ver­bes­se­rung der Situa­ti­on von Fuß­gän­gern, ein Ver­ein, der 1985 in Kas­sel gegrün­det wur­de und mit sei­ner Bun­des­zen­tra­le in der Wed­din­ger Exer­zier­stra­ße sitzt.

Herr Dr. Rud­nik, wel­che Akti­vi­tä­ten ergreift FUSS e.V., um sich mit der Sicher­heit der Senio­ren im Ber­li­ner Stra­ßen­ver­kehr zu befassen?

Wir grün­de­ten im Herbst 2022 eine Regio­nal­grup­pe für den Bezirk Mit­te. Wei­ter­hin wer­den wir ab Febru­ar 2023 in Koope­ra­ti­on mit der Senio­ren­ver­tre­tung Mit­te Ver­an­stal­tun­gen zum The­ma Senio­ren und Mobi­li­tät durchführen.

Wo sehen Sie die grund­le­gen­den und spe­zi­el­len Pro­ble­me der Gefähr­dung der Senio­rin­nen und Senio­ren im Straßenverkehr?

Der wich­tigs­te Unter­schied liegt in der gewis­sen Lang­sam­keit der Älte­ren. Wäh­rend ein jun­ger Mensch mit etwa 1,5 m pro Sekun­de geht, sind es bei einem älte­ren Men­schen nur etwa 0,8 m je Sekun­de. Die­ser Unter­schied ist beim Über­que­ren der Stra­ßen mit Ampel­schal­tung oft nicht vor­ge­se­hen. Dane­ben – was durch­aus bekannt ist – las­sen die Kräf­te nach und die Auf­merk­sam­keit der älte­ren Men­schen ist im Hin­blick auf das Hören und Sehen oft­mals ein­ge­schränkt. Hupen und Mar­tins­hör­ner wer­den nicht oder spät wahr­ge­nom­men, eben­so ist auch die Reak­ti­ons­fä­hig­keit ein­ge­schränkt. Die all­ge­mei­ne Ori­en­tie­rung in schwie­ri­gen Situa­tio­nen wie Abbie­gen kann ver­lang­samt oder begrenzt sein.

Man muss auch anfüh­ren, dass Ü60-Ver­kehrs­teil­neh­mer als Fuß­gän­ge­rin­nen und vor allem als Fahr­zeug­füh­rer auch Unfäl­le verursachen.

Herr Dr. Rud­nik, was kann man gegen Stö­run­gen auf den Wegen für Fuß­gän­ger tun, wenn heu­te die Geh­we­ge so über­nutzt sind durch Stadt­mö­bel, Müll­con­tai­ner, Ska­ter und schnel­le Fahr­zeu­ge wie Scoo­ter und Roll­stüh­le und Rollatoren?

Es gibt nun “Ord­nungs­amt-Online”, eine App. die dafür vor­ge­se­hen ist, die Stol­per­frei­heit auf den Geh­we­gen zu ver­bes­sern. Und schließ­lich dür­fen seit 1. Sep­tem­ber 2022 die Scoo­ter der mitt­ler­wei­le vie­len Anbie­ter nur dort abge­stellt wer­den, wo es dafür vor­ge­se­hen ist. Und die Anbie­ter zah­len dafür qua­drat­me­ter­wei­se, für jeden Scoo­ter 3 € pro qm und für Motor­rol­ler 4 € je qm – pro Monat. Und die­se Gebüh­ren sind nur inner­halb des S‑Bahnrings fäl­lig. In den Wohn­stra­ßen der Stadt­tei­le außer­halb der City wird also kei­ne Gebühr für falsch abge­stel­le Fahr­zeu­ge erho­ben. Im Febru­ar wer­den wir dazu eine Ver­an­stal­tung anbie­ten. Auch kom­for­ta­ble und gut plat­zier­te Sitz­bän­ke sind wich­tig für Ältere.

Wie sehen Sie die Sicher­heit an den Kreuzungen?

Die Pro­ble­me sind gra­vie­rend. Es gibt vie­le Abbie­ger­un­fäl­le. In Zusam­men­ar­beit mit dem Mobi­li­täts­rat hat man nun die Über­sicht­lich­keit an Kreu­zun­gen wesent­lich ver­bes­sert. Im Spren­gel­kiez gibt es bereits vor­bild­lich aus­ge­rüs­te­te Kreu­zun­gen. Bei­spiels­wei­se an Spren­gelstra­ße Ecke Tege­ler Straße.

Man hat an allen Ecken der sich kreu­zen­den Stra­ßen Rad­bü­gel zum Par­ken für Räder und Abstell­an­la­gen auf­ge­baut, so dass hier mehr Sicht­frei­heit über die gesam­te Kreu­zung ent­steht. Hier kön­nen weder Lie­fer­ver­kehr noch ande­ren par­ken­den Autos den Blick auf die Gesamt­si­tua­ti­on vor dem Que­ren der Fahr­bahn behindern.

Wie ste­hen Sie zum Kon­zept der 15 Minu­ten-Stadt, das auch für Senio­rin­nen und Senio­ren güns­tig ist?

Das Kon­zept kommt aus Paris und wur­de dort 2016 erst­mals dis­ku­tiert und von der dor­ti­gen Bür­ger­meis­te­rin für ihre Wie­der­wahl ver­tre­ten. Es geht um die ein­fa­che und kli­ma­freund­li­che Idee, fuß­läu­fig alles Nöti­ge in 15 Minu­ten errei­chen zu kön­nen. FUSS e.V. ver­tritt das in Anbe­tracht sei­ner ande­ren Prio­ri­tä­ten nicht aus­drück­lich, aber ich den­ke, Ber­lin hat in die­ser Hin­sicht schon viel erreicht.

Herr Dr. Rud­nik, was kann man noch für die Sicher­heit der Älte­ren im Stra­ßen­ver­kehr tun?

Man­che Stadt­stra­ßen sind sehr lang und die Ampel­an­la­gen lie­gen für Fuß­gän­ger oft weit aus­ein­an­der. Man soll­te in enge­ren Abstän­den Que­run­gen vor­se­hen, die sicher und über­sicht­lich sind. Dabei kommt es vor allem auf eine aus­rei­chen­de Brei­te der Mit­tel­be­rei­che an.

Links

FUSS e.V. www.senioren-sicher-mobil.de

https://berlinmobil-app.de/

https://www.berlin.de/ordnungsamt-online/mobile-app

Die AG Mobi­li­tät bei der Senio­ren­ver­tre­tung Mit­te (Koor­di­na­to­rin Fr. D. Schawaller)

Mail: [email protected]

https://www.berlin.de/ba-mitte/politik-und-verwaltung/aemter/strassen-und-gruenflaechenamt/planung-entwurf-neubau/sichere-kreuzungen-1236832.php

ADFC – Inter­es­sen­ver­tre­tung der Rad­fah­ren­den weltweit

https://www.adfc.de/artikel/konflikte-auf-gehwegen-und-in-fussgaengerzonen

https://www.vcd.org/startseite

Char­ta »Intel­li­gen­te Mobi­li­tät im Wohnquartier«

https://www.vcd.org/service/presse/pressemitteilungen/intelligente-mobilitaet-im-wohnquartier-vcd-veroeffentlicht-charta-gemeinsam-mit-rund-50-erstzeichnenden

https://www.berlin.de/polizei/aufgaben/verkehrssicherheit/verkehrsunfallstatistik/

Renate Straetling

Jg 1955, aufgewachsen in Hessen; ab 1973 Studium an der FU Berlin, Sozialforschung, Projekte und Publikationen.
Selfpublisherin seit 2011
www.renatestraetling.wordpress.com
Im Wedding seit 2007.
Mein Wedding-Motto:
Unser Wedding: ein großes lebendiges Wimmelbild ernsthafter Menschen!

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