Mit einem Brandbrief hat sich das Kollegium der Anna-Lindh-Grundschule in der vergangenen Woche an die Öffentlichkeit gewandt. Die Mitarbeiter:innen kritisieren darin die jahrelangen Zustände an ihrer Schule und vor allem die Situation, die durch den Umzug der Schule an den Ausweichstandort im Saatwinkler Damm entstanden ist. Inzwischen gibt es eine Antwort von Schulstadträtin Stefanie Remlinger und auch der Schulleiter äußerte sich auf Anfrage des Weddingweisers.
„Jahrelang wurden wir bezüglich der baulich katastrophalen Situation vertröstet. Wir unterrichten im Dreck, im Schimmel, ohne richtig funktionierende Heizung, ohne saubere und funktionierende Sanitäranlagen, ohne Sporthalle. Seit Schuljahresbeginn hat sich die Lage zugespitzt“, heißt es in dem Brandbrief, der an die Regierende Bürgermeisterin, die Schulsenatorin, die Senatsverwaltung für Bildung und das Schulamt Mitte gerichtet ist (–> Brandbrief). Die Anna Lindh-Schule ist kurz vor Beginn dieses Schuljahres teilweise gesperrt worden. Seit Jahren hat die Schule – damals in Zuständigkeit von Bezirksstadtrat Carsten Spallek (CDU) – mit Schimmelbefall zu kämpfen, kleinere Sanierungen nützen nichts.
Noch in den Sommerferien zog die neue Schulstadträtin Stefanie Remlinger (Grüne) die Reißleine. „Sie arbeiten seit Jahren an der Grenze des Ertragbaren. Diesem Zustand endlich ein Ende zu setzen und Ihre Gesundheit und vor allem die der Kinder nicht weiter zu gefährden, habe ich die Schließung des Standortes anordnen müssen“, schreibt Stefanie Remlinger in einem Antwortbrief an das Kollegium. Sie habe sich entschieden, einen Ausweichstandort zu suchen und hat ihn mit einem Bürogebäude im Saatwinkler Damm auch innerhalb kurzer Zeit gefunden. Seitdem läuft der schrittweise Umzug der Schule.
Kritik an Bedingungen am neuen Standort
Mit der Situation, die durch den Umzug entstanden ist, ist das Kollegium nicht zufrieden. „Wir unterrichten mittlerweile ohne Material in provisorischen Räumen, aufgeteilt auf zwei Standorte zwischen Sperrmüll und Umzugskartons. Es fehlt an Grundlegendem wie Papier, Lehr- und Arbeitsmaterialien, Mobiliar, Fachräumen – die Liste ist lang“, heißt es in dem Brandbrief. Der Brief spiegelt jedoch vor allem einen langjährigen Leidensweg wider. Die Lehrkräfte, so heißt es, hätten lange durchgehalten und geschwiegen. Durch die neuerliche Mehrbelastung sei man erschöpft und fühle sich von der Politik alleingelassen.
In dem Brandbrief fordert das Kollegium eine besser Ausstattung (Fachräume, eine Sporthalle ein kindgerechter Pausenhof), Planungssicherheit, zusätzliches Personal und eine größere Wertschätzung. Dass durch die Schulaufsicht jetzt eine Zusammenlegung von Klassen und eine Reduktion von Personal gefordert werde, könne man nicht verstehen. Hintergrund dieser Pläne der Schulaufsicht: Nach der Eröffnung des Ausweichstandorts haben fast 120 Eltern ihre Kinder an der Anna-Lindh-Grundschule abgemeldet. „Kinder müssen sich neben der sowieso schon großen Belastung nun auch noch in einem neuen Klassenverband orientieren“, äußert das Kollegium sein Unverständnis.
Schulleiter steht hinter dem Brandbrief
Mathias Hörold ist seit zehn Jahren Schulleiter an der Anna-Lindh-Grundschule, seit 1993 arbeitete er als Lehrer an der Schule. „Ich habe den räumlichen Niedergang leider miterleben müssen. Der Umzug hat jetzt bei dem Kollegium das Fass zu überlaufen gebracht“, ordnet er den Brandbrief seiner Mitarbeiter:innen ein. Der Brief sei ein Hilferuf. „Ich stehe hinter dem Brief. Die gesamte Schulleitung hat an der Kritik darin nichts auszusetzen“, sagt der Schulleiter. Allerdings weist er darauf hin, dass der Umzug einer so großen Schule viel Geduld brauche und dass einige der im Brandbrief benannten Details zum Zeitpunkt der Veröffentlichung bereits behoben worden waren. Trotzdem bleibe die grundsätzliche Kritik richtig: „Wir wollen verhindern, dass wir sechs Jahre lang in provisorischen Verhältnissen verbringen müssen“. Sechs Jahre sind derzeit für den Ausweichstandort Saatwinkler Damm veranschlagt.
Lob für Engagement der Schulstadträtin
Insgesamt hofft Mathias Hörold, dass durch die entstandene Aufmerksamkeit noch mehr Dialog entsteht – zwischen Bezirk, Senat und Schule. Genau daran fehle es. Dass es inzwischen ein Gesprächsangebot der Schulaufsicht gebe, freut ihn. „Bei allem Frust muss der Dialog erhalten bleiben“, sagt Hörold. Für Bezirksstadträtin Stefanie Remlinger, die den Umzug an den Ausweichstandort angegordnet hat, hat der Schulleiter allerdings lobende Worte. „Frau Remlinger war seit langer, langer, langer Zeit die erste, die etwas für den Schulstandort getan hat“, sagt er. Schon in ihrer ersten Amtswoche habe sie die Schule besucht und einen ganzen Tag dort verbracht, sich über die Situation vor Ort informiert. Auch die Schließung der Gebäude in der Guineastraße hält er für alternativlos. Hörold lobt den konstruktiven Umgang und den Dialog mit dem Schulamt: „Sie hat sich wirklich der Thematik angenommen, das ist auch beim Kollegium angekommen. Auch ihre Antwort auf den Brandbrief war sehr wertschätzend“.
Remlinger will Task Force für Katastrophenfälle
„Liebes Kollegium, wir haben in den wenigen Monaten viel geschafft. Perfekt ist anders, das geht jedoch unter den gegebenen Umständen nicht von heute auf morgen. Was mich das lehrt ist, dass wir Strukturen schaffen müssen, um solcherlei Akut- und Katastrophenfälle besser bewältigen zu können“, schreibt Schulstadträtin Stefanie Remlinger. Sie schlägt eine Task Force für solche Fälle vor. Die Anna-Lindh werde in Berlin gewiss nicht der einzige Schulstandort sein, der wegen baulicher Probleme ganz oder teilweise geschlossen werden müsse. Daher müssten schnell mehr Schulplätze geschaffen und Schulen dringend saniert werden.
„Wir sind auf einem guten Weg. Bitte seien Sie mit mir optimistisch. Und bitte lassen Sie nicht nach in Ihrem Fordern. Wir arbeiten an demselben Ziel – einem perfekten Schulstandort für die Kinder der Anna-Lindh-Grundschule. Am neuen, temporären Standort genauso wie am alten in der Guineastraße“, schreibt Stefanie Remlinger. „Es ist gut, dass das jetzt überhaupt angegangen worden ist, dass ein Ausweichstandort gefunden wurde, auch wenn alles nicht perfekt ist“, sagt Schulleiter Hörold.
Auf eine weitere Veränderung müssen sich Kollegium und Schulleiter allerdings bereits einstellen. Läuft alles nach Plan, dann wird Stefanie Remlinger (Grüne) am Donnerstag (20.10.) zur Bezirksbürgermeisterin gewählt und muss das Schulressort aus rechtlichen Gründen abgeben. Ihre Nachfolgerin, das Ressort wechselt dem Vernehmen nach zur SPD, muss dann mit Amtsantritt sogleich die Krisenbewältigung an der Anna-Lindh-Grundschule übernehmen.