Auf einem kleinen Teilstück der Müllerstraße sind die neuen Radstreifen fertig, auch wenn Poller am Anfang ganz und jetzt nur teilweise fehlen. Für das wichtige Teilstück zwischen Seestraße und Leopoldplatz ist noch kein Radweg in Sicht. An der Amrumer Straße kommt man ebenfalls voran, doch hier sehen die Planungen ein wenig anders aus.
Die Bauarbeiten für den Radstreifen Müllerstraße hinken hinter dem Zeitplan hinterher. Nach den Meldungen des Bezirks von Ende Juni sollten sie im Juli eigentlich abgeschlossen sein. Mitte August wurde auf der Ostseite der Müllerstraße aber immer noch gebaut: Offenbar sind die Kapazitäten der Bauwirtschaft in diesem Sommer überlastet. Es fehlten am Anfang noch die Poller, die den Radstreifen vom KFZ-Verkehr abschirmen und so zum “geschützten Radstreifen” machen sollen. Von ihnen waren nicht alle lieferbar und fehlen auch bei anderen ähnlichen Projekten in der Stadt.
Anfangs musste man daher recht häufig beobachten, wie Autos direkt auf dem Radstreifen hielten. Die Geschäfte der Müllerstraße wollen ja beliefert werden und manch ein Kunde will vielleicht “nur kurz mal was abholen”. Inzwischen sieht man, dass professionelle Kraftfahrer lieber auf der Fahrbahn in zweiter Reihe stehen bleiben. Das ist zwar auch verboten und kostet genauso wie das Halten oder Parken auf dem Radstreifen ein Ordnungsgeld von zwischen 55 und 100 Euro. Wer aber mit seinem KFZ auf dem Radstreifen hält, riskiert zusätzlich noch einen Punkt in Flensburg, weil er den Verkehr behindert und Radfahrende gefährdet. Wenn der Verkehr auf der Fahrbahn an den in zweiter Reihe Parkenden flüssig vorbeikommt, droht im Gegensatz dazu kein Eintrag im bundesweiten Fahreignungs-Register. Und weil bei acht Punkten der Führerschein eine Zeit lang weg ist, sind Berufskraftfahrer und ‑innen in dieser Hinsicht besonders sensibel. Auch vor der Einrichtung des Radstreifens haben Lieferanten in der Müllerstraße übrigens häufig in zweiter Reihe gehalten, in dieser Hinsicht ist also eigentlich alles beim Alten geblieben.
Offiziell sind die Aufstellflächen für den Lieferverkehr genauso wie die Behindertenparkplätze und die Taxihaltepunkte in die Trift- und Burgsdorfstraße auf der westlichen und die Anton- und Schulstraße auf der östlichen Seite der Müllerstraße verlegt worden. Durch die neue Parkraumbewirtschaftung besteht sogar die Chance, dass diese Sonderbereiche manchmal auch tatsächlich freigehalten werden. Denn der Überwachungsdruck steigt hier natürlich, weil die neuen Parkzonen regelmäßig vom Ordnungsamt Mitte kontrolliert werden.
Möglicherweise hilft ja auch die Beobachtung der realen Verhältnisse an den neuen Radstreifen den Verkehrsplanern und ‑innen bei der schwierigen Frage, wie der Radstreifen auf dem letzten Abschnitt der Müllerstraße ohne Radweg zwischen Schul- und Seestraße geführt werden könnte. Hier gibt es zwei lange Abschnitte mit hohem Besatz an Geschäften, aber ohne Einmündungen von Seitenstraßen, in denen hilfsweise Ladezonen eingerichtet werden könnten. Man müsste hier vermutlich zumindest stellenweise die Fahrbahnen für die Kraftfahrzeuge auf nur eine pro Richtung reduzieren – oder den begrünten Mittelstreifen aufgeben, wozu man aber die Sanierung der U‑Bahn-Tunnel durch die BVG abwarten müsste. Extrem problematisch ist zudem die Situation vor der Kreuzung mit der Seestraße. Hier müssen einerseits die Fahrbahnen der KFZ für den Abbiegeverkehr aufgefächert werden, andererseits beschränken die Eingänge des U‑Bahnhofs Seestraße die Möglichkeiten der Verkehrsführung. Eine planerische Lösung mit einem ausreichend breiten Radstreifen ist hier noch nicht gefunden.
Das Problem drängt aber: Die zentrale Einkaufsstraße des Ortsteils Wedding gerät ohne eine Anbindung an das Radnetz der Stadt nämlich auch wirtschaftlich zunehmend ins Hintertreffen.
Andere Situation an der Amrumer Straße
Eigentlich sollte die Maßnahme schon im Juli abgeschlossen sein. Aber Mitte August wurde immer noch gebaut in der Amrumer Straße. Dort war die westliche Fahrbahn in Richtung Luxemburger Straße noch teilweise gesperrt, weil sie punktuell mit einer neuen Asphaltdecke versehen wurde. “Der Bezirk Mitte baut noch im Juni 2022 beidseitig neue Radverkehrsanlagen mit einer Gesamtlänge von mehr als 1000 Metern in der Amrumer Straße zwischen Föhrer Straße und Seestraße”, so hatte es in einer Presseerklärung vom 15. Juni geheißen. “In Zukunft fahren Radfahrende in Nordrichtung auf einem Radfahrstreifen mit Sicherheitstrennstreifen zu den parkenden Kfz und in Richtung Süden sicher auf einem geschützten Radfahrstreifen.” An den Bushaltestellen werde, so heißt es weiter, der nur alle 20 Minuten verkehrende Bus der Linie 221 die Radfahrstreifen kurzzeitig unterbrechen oder queren müssen. Beide Radfahrstreifen entsprächen mit einer nutzbaren Breite von 2,30 Metern innerhalb der markierten Linien den Vorgaben des Radverkehrsplans an Radverkehrsanlagen im Ergänzungsnetz. Die Maßnahme verbessert die Nord-Süd-Radverkehrsbeziehung von Reinickendorf, dem Kurt-Schumacher-Platz, dem Afrikanischen Viertel und den Rehbergen mit dem Nordufer, Moabit und Alt-Mitte sowie dem Hauptbahnhof. Davon profitieren insbesondere die Mitarbeiter und ‑innen des Virchow-Klinikums sowie die Besucher und ‑innen des Krankenhauses. Kritiker aus der Nachbarschaft halten jedoch auch die Einführung eines geschützten Radstreifens entlang der östlichen Fahrbahn in Richtung Seestraße für machbar. Dafür müssten zwar die Parkplätze auch am östlichen Straßenrand weichen, die Amrumer Straße verfügt aber über Parkraum auf dem Mittelstreifen, der den Bedarf der Anwohner und ‑innen decken könnte. Allerdings hält die infraVelo GmbH, die den Radstreifen geplant hat, einen durch Poller geschützten Streifen auf der östlichen Seite nicht für sinnvoll, weil hier zu viele Einfahrten freigehalten werden müssten. Entlang der Mauer des Virchow auf der anderen Straßenseite dagegen gibt es keine Ein- fahrten. Der tatsächliche Bedarf an Parkraum im Gebiet rund um die Klinik hängt davon ab, wie groß die Bereitschaft der Besucher und ‑innen des Virchow-Klinikums ist, nach Einführung der Parkraumbewirtschaftung zwei Euro Parkgebühren pro Stunde für Parkplätze zu entrichten. Im Parkhaus der Klinik wird bisher nur ein Euro pro Stunde fällig.
Autor: Christof Schaffelder
Diese Texte erschienen in Form von zwei Artikeln zuerst in der Sanierungszeitschrift Ecke Müllerstraße Ausgabe 4/2022, hier leicht bearbeitet von der Weddingweiser-Redaktion.
Radspur Amrumer Straße ist eine Fehlplanung
In Fahrtrichtung Seestraße wurde mittig, eingezwängt zwischen Parkstreifen und Kfz-Fahrstreifen, ein herkömmlicher Radstreifen markiert.
Der Parkstreifen hätte zu Gunsten eines durch Poller geschützten Radfahrstreifen komplett entfallen können. Der Wegfall des Parkstreifens wäre ein Schritt zur avisierten Reduzierung des Parkraumes um 25%.
Eine zügige und sichere Durchfahrt für die Radfahrenden ist so nicht möglich, da der Ein- und ausparkverkehr die Radfahrenden ausbremst. Schlimmer noch, wenn sie diesem Verkehr ausweichen und so in den fließenden Kfz-Verkehr geraten.
Wenn unbedingt ein Kfz-Parkstreifen eingerichtet werden muss, dann muss Parkstreifen und Radstreifen vertauscht werden.
So jedenfalls ist die markierte Verkehrsführung Murks und bevorzugt wieder einmal den Kfz-Verkehr.
Auf der Fahrbahn Richtung Föhrer Straße soll ein durch Poller geschützter Radfahrstreifen markiert werden