„20 Jahre Soldiner Kiez e.V. – Gesichter eines Vereins“ lautete der Titel der Lichtbildschau, mit der Vorstandsmitglied Diana Schaal die wichtigsten Persönlichkeiten der Vereinsgeschichte vorstellte. Nicht wenige der etwa zwei Dutzend Gewürdigten bekamen von dem etwa 70-köpfigen Publikum auf dem Jubiläumsfest in der voll besetzten Kulthalle der Genossenschaft Prinzenallee 58 Szenenapplaus. Im Soldiner Kiez am nordöstlichen Ende von Gesundbrunnen wissen viele das Engagement ihrer Mitbürger:innen zu schätzen, inklusive der mehr oder weniger liebenswürdigen Schrullen.
Eine solche Verankerung war dem Soldiner Kiez e.V. nicht unbedingt in die Wiege gelegt, als er am 18. Juni 2002 auf Initiative des Quartiersmanagements gegründet wurde. Der Verein war ursprünglich nicht zuletzt ein Kind der Pflicht und der Abrechnungslogik des Programms Soziale Stadt. Nur riss sich dieses Balg von seinem Ziehvater los, verwandelte sich von einem Sammelbecken aller irgendwie im Kiez (auch professionell) Engagierten in einen echten, ehrenamtlichen Bürgerverein, der aus Personen heraus lebt, die im Kiez wohnen.
Die Phasen der Vereinsgeschichte stehen in engem Zusammenhang mit den vom Soldiner Kiez e.V. bespielten Räumlichkeiten. In der ersten Phase der Vereinsgeschichte von 2002 bis 2006 verfügte der Verein über ein kleines Ladenlokal in der Soldiner Straße 43. Der Raum reichte für Sitzungen und als Büro so einigermaßen aus, aber er ermöglichte kaum Publikumsveranstaltungen. Die für den Verein prägende Herausforderung war die darauf folgende Übernahme eines Pavillons im Gebäudekomplex des Vaterländischen Bauvereins, Prinzenallee 45c direkt hinter der Stephanuskirche. In diesem sogenannten FORUM Soldiner Kiez frönte der Verein in den Jahren von 2006 bis 2010 seinem Vereinszweck: Kultur und Bildung. Es gab Lesungen, Diskussionen, Vorträge, Tanztee, Feste und vieles mehr.
Diese Phase wurde durch einen Zuschuss von Soziale Stadt zu den Betriebs- und sonstigen laufenden Kosten und den Verzicht des Vaterländischen Bauvereins auf die Kaltmiete ermöglicht. Damit war der Verein aber auch Verpflichtungen eingegangen, zumindest bestimmte Programme zu verwirklichen. Die ehrenamtlichen Aktiven waren entsprechend gefordert. Was jedoch neben vielen Erinnerungen bleibt: Die gemeinsame Arbeit hat den Kern des Vereins zusammengeschweißt und ihm die Tore zu praktisch allen anderen Akteur:innen im Kiez geöffnet. Der zunächst durchaus zögerlich gewährte Zuschuss hat nicht nur fünf spannende Jahre ermöglicht, er war auch eine Investition in das „soziale Kapital“ des Vereins und vielleicht sogar des ganzen Kiezes.
Mit dem Auslaufen der Förderung kam zum Betrieb eines Kultur- und Bildungsprogramms noch die Mühen weiterer Geldbeschaffung hinzu. Der Verein entschloss sich, ohne eine feste Adresse auszukommen. Es zeigte sich, dass bei gutem Management Veranstaltungsräume aufzutreiben waren. Der stärkste Partner wurde hierbei die NachbarschaftsEtage Fabrik Osloer Straße, Osloer Str. 12. Aber auch die Genossenschaft Prinzenallee 58, Mitglieder der Kolonie Wedding oder die evangelische Kirche stellten Räume zur Verfügung. Bis 2016 tingelte der Verein sogar für sein monatliches „Kiezpalaver“ durch Einrichtungen im Stadtteil.
Seit 2017 trifft sich der Soldiner Kiez e.V. wieder an einem festen Ort: dem Hotel Big Mama in der Koloniestr. 24, 2. Hinterhof. Dieses Kiezpalaver findet jeden zweiten Mittwoch im Monat um 19 Uhr statt. Abweichungen sind selten und wenn doch, dann ist das auf der Website des Vereins https://soldinerkiezverein.de/ unter dem Reiter Veranstaltungen vermerkt. Nach wie vor betreibt der Verein ein buntes Programm aus Kultur und Bildung mit einem Schwerpunkt auf Vorträgen und Diskussionen zu Kiezthemen, aber auch zu Steckenpferden von Vereinsmitgliedern wie Japan oder (Sozial-)Philosophie. In den letzten Jahren sind zudem allerlei, vor allem historische Führungen in Gesundbrunnen und teilweise auch in Mitte und im Berliner Norden hinzu gekommen. Außerdem hat sich das Gartenkollektiv der Wilden 17 als Arbeitsgruppe des Vereins konstituiert, um über die juristische Person des Soldiner Kiez e.V. ihr Gelände in der Böttgerstraße 17 pachten zu können. Neben den Führungen im Badstraßenkiez und der Trägerschaft für ein Repair-Cafe in der Bellermannstraße führte dieses Engagement zu einer Erweiterung des Horizonts nach Süden.
Schon seit längerem versucht der Soldiner Kiez e.V., immer wieder über seine Stadtteilbrille hinweg zu linsen. Er ist Mitglied bei der Bürgerplattform Wedding-Moabit, einem Zusammenschluss von Moscheevereinen, Kirchengemeinden und Initiativen. Diese wollen seit 2006 Projekte zum allgemeinen Wohl in Berlin-Mitte voranbringen. Der Verein verdankt diesem Zusammenschluss im Wesentlichen seine fruchtbaren Kontakte zu muslimischen Organisationen in Berlin-Mitte und im Kiez. So wurde auch die Durchführung von interreligiösen Gesprächen möglich. Nach der Begleitung des Programms Soziale Stadt, das in Berlin ab 1999 zur Gründung von Quartiermanagements führte, ist der Verein nun auch in einem Bezirksprojekt zur Bürgerbeteiligung engagiert, dem sogenannten Leitlinienprozess.
Auch wenn der Verein gelegentlich solche Aufgaben übernimmt, legen die Vorstandsmitglieder jedoch immer wieder Wert darauf, dass sie keine ausdrücklichen expansiven Absichten haben. Vielmehr schätzen sie ihr „glückliches Dorf“, wie es ein nunmehr ebenfalls seit zwei Jahrzehnten hier lebender Künstler aus Makedonien den Kiez nannte. Zwar gehört das Quartier immer noch zu den ärmsten in Berlin, doch der Ehrgeiz des Soldiner Kiez e.V. besteht eher darin, es sich mit bescheidenen Mitteln gut gehen zu lassen. So gut, dass sich jede:r immer wieder gern auf diese verlässliche Basis zurück ziehen kann.
Autor: Thomas Kilian
Fotos: M. Pinter