Interview zum Amtsantritt. Die neue grüne Stadträtin Stefanie Remlinger ist zuständig für Schule, Sport und Kultur. Sie nutzt ein Interview für eine deutliche Kritik an den vorherigen Stadtrat Carsten Spallek von der CDU. Der Vorgänger habe die Möglichkeit des „Blankoschecks‟ für die Schulsanierung nicht genutzt. Darüber ist sie „schockiert‟.
Frau Remlinger, wie haben Sie Ihren Bereich bei Amtsantritt vorgefunden?
Stefanie Remlinger: Das Kultur- und das Weiterbildungsamt sind wahnsinnig gut aufgestellt. Das stelle ich bei meinen Auftakttouren durch Bezirk fest: da leuchtet es aus den Augen. Ganz schwierig ist es aber im Bereich Schule. Da finde ich seine sehr, sehr schwache Personalbesetzung vor. Und dann kann ein Amt natürlich nicht mehr engagiert und motiviert arbeiten. Wenn jeder der noch da ist, überlastet ist. Sehr schockiert bin ich, dass der Bezirk in den letzten Jahren offensichtlich die Schulbauoffensive nicht genutzt hat.
Wie meinen Sie das?
Wir haben zum Beispiel Gesamtsanierungen, die nicht in der Schulbauoffensive angemeldet worden sind. Das ist namentlich die Anna-Lindh-Grundschule. Das ist mir vollkommen unerklärlich. Das ist einer wichtigsten Themen, um die ich mich kümmern will, dass wir für diese Schule Investitionsmittel besorgen.
Was hat Sie noch schockiert?
Da hole ich ein wenig aus: Mit der Schulbauoffensive hatten die Bezirke einen Blankoscheck. Im Grunde könnte Mitte 26 Blankoschecks haben. Denn 26 Mitte-Schulen stehen als Gesamt-Sanierungsmaßnahme in der Schulbauoffensive. Für diese Maßnahmen wurden im Rahmen der Schulbauoffensive die Kosten pauschal mit fünf bis zehn Millionen Euro geschätzt. Aber grob, Pi mal Daumen. Denn die Kostenschätzung aus dem Jahr 2014 diente ausschließlich dazu, aufzuteilen, ob der Bezirk oder das Land die Sanierung organisiert. In der Kategorie fünf bis zehn Millionen Euro konnte der Bezirk entscheiden, ob er die Aufgabe übernimmt oder ob das Land Berlin sanieren soll.
Mitte hat alle 26 Maßnahmen dieser Kategorie behalten, also gesagt: Das organisieren wir allein. Und Berlin hat daraufhin bestätigt, das dafür benötigte Geld dem Bezirk zuzuweisen. Und jetzt kommt es: Ich finde nun bei meinem Amtsantritt vor, dass Mitte bloß für eine einzige dieser 26 Sanierungen eine Bauplanung hat. Obwohl bekannt war, dass die Bezirke bis Ende 2022 die erste Rate abrufen müssen – sprich, dass der Baubeginn erfolgen muss. Natürlich setzt der Abruf der Gelder Bauplanungen voraus. Und deshalb sind die Gelder für die Gesamtsanierung – nicht unbedingt für eine einzelne Ausbesserung hier und da – nun samt und sonders gefährdet.
Ist das Wort Blankoscheck nicht übertrieben?
Ich saß in den letzten Jahren im Abgeordnetenhaus im Hauptausschuss. Wenn die Bezirke erklärten, dass aus den grob geschätzten acht Millionen Euro für eine Gesamtsanierung mit realistischem Blick 50 Millionen wurden, dann haben wir das im Ausschuss genehmigt. Das heißt: die Anmeldungen des Bezirks für fünf bis zehn Millionen Euro sind de facto ein Gutschein für 26 mal 50 Millionen Euro gewesen. Und das hat der Bezirk nicht genutzt.
Wie ist die Schulbauoffensive zu verstehen?
Die Philosophie der Schulbauoffensive finde ich nicht in Mitte nicht vor. Also dass man abkehrt von der Vorstellung, hier ein Fenster, dort ein Dach zu reparieren. Dass man Gesamtsanierungspläne erstellt. Die Schulbauoffensive ist eine eigentlich eine Abkehr von Rettungs- Sanierungs- und kleinen Bauunterhaltsmaßnahmen.
Danke für das Interview.
Das Interview ist eine längere Version eines Abdrucks in der Weddinger Allgemeinen Zeitung (–> E‑Paper), der gedruckten Zeitung für den Wedding. Die Fragen stellte Andrei Schnell am 13. Januar. Wir danken dem RAZ-Verlag!