Um Humboldthain diente eine weiße Stierskulptur den Weddingerinnen und Weddingern einst als Treffpunkt. Der Stier stammte vom Bildhauer Ernst Moritz Geyger. Eins steht fest: die Skulptur steht schon lange nicht mehr an ihrem Platz. Doch wo ist sie geblieben?
Als der Gottvater Zeus von der Schönheit der phönizischen Prinzessin Europa hörte, wollte er sie unbedingt besitzen. So heißt es in der griechischen Mythologie. Er wusste, dass sie die Tiere liebte, und so verwandelte er sich in einen prächtigen weißen Stier. Die Prinzessin näherte sich ihm nichtsahnend und setzte sich voller Zutrauen auf seinen Rücken. Da sprang der Stier auf und entführte sie nach Kreta. An einem einsamen Strand verließ er seine Stiergestalt und nahm wieder eine menschliche an. Sofort verliebte sich die Prinzessin in Zeus und gebar ihm nacheinander drei Söhne. Der Erdteil, auf dem sie glücklich lebten, wurde nach ihr benannt: Europa.
Ob der Bildhauer Ernst Moritz Geyger bei der Erschaffung seines Denkmals an Zeus dachte? Ich weiß es nicht. Fest steht aber, dass sich an dem weißen Stier vom Humboldthain gerne verliebte Paare trafen. Lange ist es her. Über den Verbleib des weißen Stiers wird viel gemunkelt. Ich stelle mir vor, dass er nicht im Krieg zerstört wurde. Stattdessen steht er irgendwo in Europa auf einer grünen Wiese und ist der Vater vieler Nachkommen.
Professor Ernst Moritz Geyger wurde 1861 in Rixdorf (Neukölln) geboren und begann mit 16 Jahren seine künstlerische Ausbildung in Berlin. Zunächst arbeitete er im Bereich der Graphik, dann kamen auch die Malerei und Bildhauerei dazu. Seine Schaffensorte waren abwechselnd in Berlin und Florenz.
Ende des 19. Jahrhunderts begannen die Arbeiten an dem lebensgroßen Stier aus Marmor, der nach seiner Fertigstellung 1901 seinen Platz im Humboldthain fand. Hier stand er auf einem kleinen Hügel. Das Wasser eines Rinnsals schlängelte sich von einem Brunnen herkommend zu dem Stier und sammelte sich um ihn herum in einem Teich.
1941 starb Ernst Moritz Geyger im italienischen Florenz, doch schon zu seinen Lebzeiten, im Jahre 1912 wurde eine Straße in Neukölln nach ihm benannt. Sie verbindet die Sonnenallee mit der Donaustraße. Seine wohl bekannteste (und vielkopierte) Arbeit, der Bogenschütze, steht heute sowohl im Park Sanssouci in Potsdam als auch am Dresdener Elbufer.
Der Text und das Gedicht unten stammen aus der November-Ausgabe des Kiezmagazins “brunnen”. Text und Gedicht hat Monika Puhlemann verfasst. Die historische Postkarte ist ebenfalls aus dem Archiv der Autorin. Die Zeichnung hat der Weddinger Künstler Manfred Böhm geschaffen. Vielen Dank an die ehrenamtliche Bürgerredaktion im Brunnenviertel für die Übernahme-Genehmigung.
Der weiße Stier vom Humboldthain
Der weiße Stier vom Humboldthain,
der stand für Licht und Sonnenschein
ja, auch für Geist- und Lebenskraft,
doch stand er dort nicht dauerhaft.
Von einem Hügel schaute er
hinunter auf ein Blättermeer.
Inmitten eines Teiches klein
war durch die Spieg’lung er zu zwein.
Aus Marmor war der weiße Stier.
Verliebte trafen sich gern hier
und fühlten sich von ihm beschützt.
Dem Stier, dem hat es nichts genützt.
Er ist schon lange nicht mehr dort,
knapp achtzig Jahre ist er fort.
Entführt, entlaufen, gar zerstört?
Wer weiß es, wer hat was gehört?
Gedicht: Monika Puhlemann
Er wurde gestern am 11.4.2022 gefunden, verbuddelt im Humboldthain
Das wissen wir und wir sind ein wenig stolz darauf. Denn die Unterwelten haben ihn aufgrund unseres Beitrags überhaupt erst gesucht. 🙂
Und für mich sehr emotional. Meine Oma erzählte oft von ihm. Habe auch noch Photos von ca. 1930. Ich muß ihn sehen, hoffe es morgen zu schaffen
wunderbar ! schon fast unglaublich ,
wo kann man den weißen tiergewordenen Zeus denn besichtigen ?
Hallo
der Stier war zuerst in Paris ausgestellt worden und ist dann für 44500 Mark von der Stadtverwaltung erworben … Niemand weis etwas über den Verbleib dieser Marmorskulptur
beste Grüße