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Veränderungen sind nicht immer schlecht:
Gentrifizierung – das Unwort

4. Dezember 2021
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Still not loving Gentrification an einer Brandwand

Sie lau­ert über­all, macht vor kei­nem Bezirk Halt und ist spä­tes­tens dann in aller Mun­de, wenn ein aus­län­di­scher Inves­tor ein Haus kauft. Natür­lich: die Gen­tri­fi­zie­rung. Der Wan­del zu etwas Neu­em ist sel­ten will­kom­men, beson­ders wenn er dabei Nach­barn aus ihren Woh­nun­gen, aus ihrem Lebens­raum ver­drängt. Auf­wer­tung, wie es in den Hoch­glanz-Bro­schü­ren heißt, bringt zwar hüb­sche­re Fas­sa­den, lei­der aber nur für die­je­ni­gen, die sich die gestie­ge­ne Mie­te auch künf­tig leis­ten kön­nen. Obwohl es auf lan­ge Sicht in wohl jeder Haupt­stadt zu einem sol­chen Wan­del kam, ist inzwi­schen auch der Wed­ding hart umkämpft. Ob mit Farb­beu­teln oder durch Auf­ru­fe zum Ent­eig­nen gro­ßer Woh­nungs­bau­ge­sell­schaf­ten, der ‚rote Wed­ding‘ zeigt sich gern kämp­fe­risch. Oft auch mit Erfolg, das gera­de auf der Kip­pe ste­hen­de Vor­kaufs­recht der Stadt in Milieu­schutz­ge­bie­ten hat hier eini­ge Haus­ge­mein­schaf­ten gerettet. 

Nostalgie – das glorifizierte Gestern

Wenn Ver­än­de­rung droht, wer­den auf ein­mal Stim­men laut, die an die ‘gute alte Zeit‘ erin­nern. Doch kann es ewig so wei­ter­ge­hen, wie es ges­tern war? War das über­haupt gut? Das war immer­hin auch eine Zeit, in der es u.a. in Ord­nung war, wenn Men­schen rau­chend ihre Per­spek­tiv­lo­sig­keit ertränk­ten – die Eck­knei­pen als Zuhau­se für den all­tags­taug­li­chen Alko­hol­rausch derer, die ihr weni­ges Geld haupt­säch­lich für Mol­le und Korn ausgaben. 

Die Eckkneipe Kugelblitz bei Nacht

Aller­dings auch eine Zeit, in der vie­le in den Wed­ding gezo­gen sind, weil ihr gerin­ges Ein­kom­men (ob von Malo­che oder Stüt­ze) nicht ande­res ermög­lich­te. Die Nach­bar­schaft war meist häss­lich, schmut­zig und zeit­wei­se von drei Sei­ten von der Mau­er umge­ben: ‚Die Eiter­beu­le‘ (ja, so wur­de der Bezirk genannt), in der kaum jemand frei­wil­lig wohn­te. Dass just die­ses Ges­tern in die­ser Form zu erhal­ten ist, wage ich zu bezwei­feln. Die Men­schen, die in den Jah­ren nach der Wen­de in den Wed­ding zogen, kamen oft noch wegen der bil­li­gen Mie­ten und nicht der schö­nen Aus­sicht. Vie­le haben sich, sobald sie es konn­ten, wie­der auf den Rei­se gemacht und zogen weg. Der Rest muss­te blei­ben – und so war der Wed­ding lang eine Art Sam­mel­be­cken. Spä­ter kamen zuneh­mend jun­ge Men­schen und man­che von ihnen blie­ben, auch weil sie ihren Kiez (den kaum jemand so nann­te) lieb gewon­nen hat­ten. Die gute Ver­kehrs­an­bin­dung und die über­schau­ba­ren Lebens­hal­tungs­kos­ten mach­ten vie­les ein­fa­cher: Das Bier und der Döner waren bil­lig – für vie­le reich­te das, um auch län­ger­fris­tig Fuß zu fassen.

Sanfter Wandel ist willkommen

Doch beson­ders für die, die so wie der Autor hier, Fami­lie haben und/oder ein­fach nur eine hübsche(re) Nach­bar­schaft sehen möch­ten, gibt es im Wed­ding Ecken, die noch deut­lich schö­ner wer­den könn­ten. Die­ser Bezirk muss ja nicht ewig häss­lich und schmut­zig sein und die Mie­ten wer­den lei­der nicht fal­len, selbst wenn es so blie­be. Es geht dabei auch nicht dar­um, Men­schen zu ver­drän­gen, son­dern einen schö­ne­res Umfeld für alle zu schaf­fen. Die­se Art von Wan­del bringt allen Men­schen etwas und wenn nun ein Trin­ker­treff durch eine hip­pe­re Bar oder gar ein ange­neh­mes Café ersetzt wer­den soll­te, dann ist es sicher kein Ver­lust, son­dern viel­leicht sogar eine gute Sache. Über­haupt: Sau­ber­keit, mehr Grün und weni­ger dunk­le Ecken wären sehr will­kom­men. Doch, wie vie­les, wird das noch eine gan­ze Wei­le so blei­ben und sich ganz behut­sam ver­än­dern – die Müh­len mah­len ja bekannt­lich sehr lang­sam in Berlin.

Baugerüst vor Wand mit der Zahl 65
Bau­ge­rüst vor Wand mit der Zahl 65

Samuel Orsenne

Samuel ist ein Großstadtmensch, der im Wedding sein Zuhause gefunden hat. Mit seiner Familie lebt er im Kiez rund um die Bellermannstraße. Neben der Arbeit als IT-Fachmann engagiert er sich im Quartiersrat und natürlich beim Weddingweiser und betreut u.a. Marktstände, Technik und die Verwaltung der Weddingweiser UG.

5 Comments Leave a Reply

  1. Aber das Pro­blem bin im wed­ding gebo­ren und auch die trin­ker wie sie es nen­nen brau­chen ein Platz , man wird weg­ge­drängt alle mie­ten wer­den teu­er. Dar­über gibt es kein Arti­kel über die weg­drän­gung von Min­der­hei­ten mit­tel­schicht oder Gering­ver­die­ner. Wo sol­len sie hin ins mär­ki­sche vier­tel, rei­ni­cken­dorf. Bin für Mischung aber nicht für weg­drän­gung. Und wer in den wed­ding leben möch­te muss das auch wis­sen das er nicht pren­zel­berg zieht. Lasst wed­ding in ruhe lasst sein charme den spät­kauf die trin­ker­hal­le den tür­ki­schen Supermarkt.

  2. Sofas, Matrat­zen und Kühl­schrän­ke an der Stra­ßen­ecke? Kann man doch kos­ten­los am Abfall­hof der BSR abge­ben! Vor­aus­ge­setzt man hat ein Auto – aber mehr als die Hälf­te der Wed­din­ger hat kein Auto, und falls doch, läßt sich nur sel­ten ein Sofa dar­in ver­stau­en. Abho­len las­sen durch die BSR ist die Alter­na­ti­ve, kos­tet ab 50 € auf­wärts, je nach Men­ge und Eile. Und des­halb ste­hen Sofas, Matrat­zen und Kühl­schrän­ke an der Straßenecke.

    • “Und des­halb ste­hen Sofas, Matrat­zen und Kühl­schrän­ke an der Straßenecke.”

      Ach so !!! Aber den rie­si­gen Fern­se­her vom Media­Markt nach Hau­se zu trans­por­tie­ren, schaf­fen irgend­wie alle. Ande­re machen den hal­ben Umzug mit der BVG – alles kein Problem!

      Nur den Weg zur BSR schaf­fen die meis­ten nicht – und haben auch kei­ne Bekann­ten mit Auto oder mit dem ach so viel pro­pa­gier­ten Lastenrad!

  3. Was möch­ten Sie uns mit Ihrem Bei­trag sagen? Mir wird das nicht klar.
    Sind Sie gegen Gen­tri­fi­zie­rung, laut Duden: “Auf­wer­tung eines Stadt­teils durch des­sen Sanie­rung oder Umbau mit der Fol­ge, dass die dort ansäs­si­ge Bevöl­ke­rung durch wohl­ha­ben­de­re Bevöl­ke­rungs­schich­ten ver­drängt wird”, Syn­onym : “Yup­pi­sie­rung”. Oder für eine abge­schwäch­te Form? Oder ganz dafür, dass wir alle “hipp” wer­den? Und die nicht so hip­pen dann nach jwd ziehen????
    Mir ist Ihr Arti­kel zu schwarz, weiß – letz­te­res fehlt bei Ihnen lei­der. Das sind die Eck­knei­pen und Bäcke­rei­en in denen die von Ohnen genann­ten “Trin­ker” nicht nur Kaf­fee oder Bier zu sich neh­men, son­dern sich auch aus­tau­schen = Nach­bar­schaft. Das sind die Gemein­schaf­ten, die Grün­flä­chen pflegen.…

  4. Was ich nie und auch in kei­ner Stadt ver­ste­hen wer­de, ist, war­um mit gerin­gem Ein­kom­men immer zwangs­läu­fig auch Dreck, Unrat, Schmud­del etc. zu ver­bin­den ist.
    War­um fehlt die­sen Men­schen jeg­li­ches Bewusst­sein für ihre direk­te Umwelt, denn sie leben ja schließ­lich sel­ber dar­in! Wol­len sie ihren Nach­barn damit nur ihre (mög­li­cher­wei­se vor­han­de­ne) Per­spek­tiv­lo­sig­keit demons­trie­ren? Gön­ne ich mei­nem bes­ser ver­die­nen­den Nach­barn nichts „Schö­nes“?
    Ich leis­te mir zwar das neu­es­te, größ­te TV – schaf­fe es aber nur, die alte Kis­te an den Stra­ßen­rand zu stel­len? Eben­so den Kühl­schrank und die Matrat­zen? Warum???

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