Sie lauert überall, macht vor keinem Bezirk Halt und ist spätestens dann in aller Munde, wenn ein ausländischer Investor ein Haus kauft. Natürlich: die Gentrifizierung. Der Wandel zu etwas Neuem ist selten willkommen, besonders wenn er dabei Nachbarn aus ihren Wohnungen, aus ihrem Lebensraum verdrängt. Aufwertung, wie es in den Hochglanz-Broschüren heißt, bringt zwar hübschere Fassaden, leider aber nur für diejenigen, die sich die gestiegene Miete auch künftig leisten können. Obwohl es auf lange Sicht in wohl jeder Hauptstadt zu einem solchen Wandel kam, ist inzwischen auch der Wedding hart umkämpft. Ob mit Farbbeuteln oder durch Aufrufe zum Enteignen großer Wohnungsbaugesellschaften, der ‚rote Wedding‘ zeigt sich gern kämpferisch. Oft auch mit Erfolg, das gerade auf der Kippe stehende Vorkaufsrecht der Stadt in Milieuschutzgebieten hat hier einige Hausgemeinschaften gerettet.
Nostalgie – das glorifizierte Gestern
Wenn Veränderung droht, werden auf einmal Stimmen laut, die an die ‘gute alte Zeit‘ erinnern. Doch kann es ewig so weitergehen, wie es gestern war? War das überhaupt gut? Das war immerhin auch eine Zeit, in der es u.a. in Ordnung war, wenn Menschen rauchend ihre Perspektivlosigkeit ertränkten – die Eckkneipen als Zuhause für den alltagstauglichen Alkoholrausch derer, die ihr weniges Geld hauptsächlich für Molle und Korn ausgaben.
Allerdings auch eine Zeit, in der viele in den Wedding gezogen sind, weil ihr geringes Einkommen (ob von Maloche oder Stütze) nicht anderes ermöglichte. Die Nachbarschaft war meist hässlich, schmutzig und zeitweise von drei Seiten von der Mauer umgeben: ‚Die Eiterbeule‘ (ja, so wurde der Bezirk genannt), in der kaum jemand freiwillig wohnte. Dass just dieses Gestern in dieser Form zu erhalten ist, wage ich zu bezweifeln. Die Menschen, die in den Jahren nach der Wende in den Wedding zogen, kamen oft noch wegen der billigen Mieten und nicht der schönen Aussicht. Viele haben sich, sobald sie es konnten, wieder auf den Reise gemacht und zogen weg. Der Rest musste bleiben – und so war der Wedding lang eine Art Sammelbecken. Später kamen zunehmend junge Menschen und manche von ihnen blieben, auch weil sie ihren Kiez (den kaum jemand so nannte) lieb gewonnen hatten. Die gute Verkehrsanbindung und die überschaubaren Lebenshaltungskosten machten vieles einfacher: Das Bier und der Döner waren billig – für viele reichte das, um auch längerfristig Fuß zu fassen.
Sanfter Wandel ist willkommen
Doch besonders für die, die so wie der Autor hier, Familie haben und/oder einfach nur eine hübsche(re) Nachbarschaft sehen möchten, gibt es im Wedding Ecken, die noch deutlich schöner werden könnten. Dieser Bezirk muss ja nicht ewig hässlich und schmutzig sein und die Mieten werden leider nicht fallen, selbst wenn es so bliebe. Es geht dabei auch nicht darum, Menschen zu verdrängen, sondern einen schöneres Umfeld für alle zu schaffen. Diese Art von Wandel bringt allen Menschen etwas und wenn nun ein Trinkertreff durch eine hippere Bar oder gar ein angenehmes Café ersetzt werden sollte, dann ist es sicher kein Verlust, sondern vielleicht sogar eine gute Sache. Überhaupt: Sauberkeit, mehr Grün und weniger dunkle Ecken wären sehr willkommen. Doch, wie vieles, wird das noch eine ganze Weile so bleiben und sich ganz behutsam verändern – die Mühlen mahlen ja bekanntlich sehr langsam in Berlin.
Aber das Problem bin im wedding geboren und auch die trinker wie sie es nennen brauchen ein Platz , man wird weggedrängt alle mieten werden teuer. Darüber gibt es kein Artikel über die wegdrängung von Minderheiten mittelschicht oder Geringverdiener. Wo sollen sie hin ins märkische viertel, reinickendorf. Bin für Mischung aber nicht für wegdrängung. Und wer in den wedding leben möchte muss das auch wissen das er nicht prenzelberg zieht. Lasst wedding in ruhe lasst sein charme den spätkauf die trinkerhalle den türkischen Supermarkt.
Sofas, Matratzen und Kühlschränke an der Straßenecke? Kann man doch kostenlos am Abfallhof der BSR abgeben! Vorausgesetzt man hat ein Auto – aber mehr als die Hälfte der Weddinger hat kein Auto, und falls doch, läßt sich nur selten ein Sofa darin verstauen. Abholen lassen durch die BSR ist die Alternative, kostet ab 50 € aufwärts, je nach Menge und Eile. Und deshalb stehen Sofas, Matratzen und Kühlschränke an der Straßenecke.
“Und deshalb stehen Sofas, Matratzen und Kühlschränke an der Straßenecke.”
Ach so !!! Aber den riesigen Fernseher vom MediaMarkt nach Hause zu transportieren, schaffen irgendwie alle. Andere machen den halben Umzug mit der BVG – alles kein Problem!
Nur den Weg zur BSR schaffen die meisten nicht – und haben auch keine Bekannten mit Auto oder mit dem ach so viel propagierten Lastenrad!
Was möchten Sie uns mit Ihrem Beitrag sagen? Mir wird das nicht klar.
Sind Sie gegen Gentrifizierung, laut Duden: “Aufwertung eines Stadtteils durch dessen Sanierung oder Umbau mit der Folge, dass die dort ansässige Bevölkerung durch wohlhabendere Bevölkerungsschichten verdrängt wird”, Synonym : “Yuppisierung”. Oder für eine abgeschwächte Form? Oder ganz dafür, dass wir alle “hipp” werden? Und die nicht so hippen dann nach jwd ziehen????
Mir ist Ihr Artikel zu schwarz, weiß – letzteres fehlt bei Ihnen leider. Das sind die Eckkneipen und Bäckereien in denen die von Ohnen genannten “Trinker” nicht nur Kaffee oder Bier zu sich nehmen, sondern sich auch austauschen = Nachbarschaft. Das sind die Gemeinschaften, die Grünflächen pflegen.…
Was ich nie und auch in keiner Stadt verstehen werde, ist, warum mit geringem Einkommen immer zwangsläufig auch Dreck, Unrat, Schmuddel etc. zu verbinden ist.
Warum fehlt diesen Menschen jegliches Bewusstsein für ihre direkte Umwelt, denn sie leben ja schließlich selber darin! Wollen sie ihren Nachbarn damit nur ihre (möglicherweise vorhandene) Perspektivlosigkeit demonstrieren? Gönne ich meinem besser verdienenden Nachbarn nichts „Schönes“?
Ich leiste mir zwar das neueste, größte TV – schaffe es aber nur, die alte Kiste an den Straßenrand zu stellen? Ebenso den Kühlschrank und die Matratzen? Warum???