Der Flughafen Tegel ist Geschichte. Nun herrscht himmlische Ruhe über dem Wedding. Doch das ist nur eine Facette. Die Schließung des Flughafens zieht starke Veränderungen nach sich, von denen auch der Wedding betroffen sein wird. Was bedeutet das für den Anschluss an die Welt, die Immobilienpreise und das Lebensgefühl des guten alten West-Berlin?
Verschiebung des Schwerpunkts innerhalb Berlins
Nun ist der letzte Flieger von Tegel abgehoben, und es herrscht so viel Ruhe im Weddinger Himmel wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Selbst vom Weddinger Knall hat man lange nichts gehört. Doch nun ist der Wedding ein Stück weit ins Abseits gerückt: Unser Stadtteil war zu Mauerzeiten – und auch 30 Jahre danach – durch den Flughafen Tegel optimal aus der Luft und mit einer kurzen Bus- oder Taxifahrt erreichbar. Nun heißt es für Fluggäste rechtzeitig losfahren, um den fernen Flughafen BER im südlichen Brandenburger Umland zu erreichen. Das ist zwar ärgerlich, aber ein Trostpflaster gibt es: Man kommt jetzt auch auf der Schiene bis kurz vor’s Gate, und mehr als ein ABC-Ticket braucht man auch nicht für die lange Fahrt. Notorische Autofahrer müssen sich also umstellen und vielleicht statt des Staus auf der Stadtautobahn über den Umstieg auf die umweltfreundliche S‑Bahn oder Regionalbahn nachdenken.
Für den Wedding bedeutet die Verschiebung des Flughafenbetriebs in Richtung Südosten erst einmal, dass er ein wenig aus dem Fokus rückt. Zwar nicht gleich an den Stadtrand, aber die große Entwicklungsachse der Stadt befindet sich jetzt im Bereich Oberschöneweide, Adlershof und Schönefeld. Man denke nur an das Tempelhofer Feld, das sich seit der Öffnung als Park einen ganz neuen Platz im Bewusstsein der Berlinerinnen und Berliner erarbeitet hat. Wie auch immer: Der Berliner Norden verliert einen großen Arbeitsplatzmotor; viele Unternehmen, die sich wegen der Nähe zu TXL angesiedelt haben, sind schon weggezogen. Auch für die Menschen, die rund um den Zentralen Festplatz, die Julius-Leber-Kaserne und in den früheren Wohnungen der französischen Armee leben, verschlechtert sich zunächst einmal die Busanbindung zwischen Jakob-Kaiser-Platz und Kurt-Schumacher-Platz. Der Bus 128 fährt auf diesem Abschnitt jetzt gar nicht mehr, so dass das Flughafengelände (das jetzt Urban Tech Republic heißt) nicht mehr ohne Umsteigen erreichbar ist.
Wohnlagen im Wedding werden interessanter
Für die attraktiven Wohnlagen im Afrikanischen und im Englischen Viertel – bisher schon wegen ihrer vielen Grünflächen beliebt – birgt die Schließung des Flughafens eine neue Gefahr. Bisher war der Fluglärm eine erhebliche Beeinträchtigung der Lebensqualität – der erste Lockdown im März/April hat den Unterschied deutlich vor Augen (und Ohren) geführt. Die Mieten und die Immobilienpreise könnten nach der TXL-Schließung durch die Decke gehen – vor allem, falls der Mietendeckel gerichtlich gekippt wird oder wenn er eines Tages ausläuft. Diese beiden Kieze stehen zudem auch nicht unter Milieuschutz.
Auch auf einer anderen Ebene geht mit der Schließung von Tegel eine Ära zu Ende. Das klassische West-Berlin, bei dem Tegel als Tor zur Welt fungierte und einen hohen Symbolwert besaß, hat eine Ikone und einen Sehnsuchtsort verloren. Zwar bleibt uns das Gebäude erhalten und wird der Beuth-Hochschule in ein paar Jahren ein wirklich ungewöhnliches Zuhause bieten. Aber niemand wird mehr ins Sechseck des Terminals gehen, um zu verreisen. Im Wedding hat man ähnlich bereits den Abstieg der Müllerstraße erlebt – vom einstigen Ku’damm des Nordens mit seinen vielen Fachgeschäften zu West-Berliner Zeiten hin zur heutigen zugestauten Ausfallstraße mit sehr einseitiger Gewerbestruktur. Gerade noch so wurde Karstadt am Leopoldplatz gerettet, aber nur auf Zeit und ohne wirkliche Perspektive, dass das Kaufhaus seine alte Funktion für den Wedding wiedererlangt.
Bis 1989 hat der Wedding schon einmal sein Dasein als Mauerblümchen gefristet, auf zwei Seiten umgeben von einer Staatsgrenze. Diese Zeiten sind zum Glück vorbei, und mit dem Bahnhof Gesundbrunnen haben wir im Wedding auch wieder ein Tor zur Welt bekommen. Wollen wir hoffen, dass es gelingt, trotz der himmlischen Ruhe in den Lüften einen lebendigen, bezahlbaren Wedding für alle zu erhalten. Und dass die Mieten wieder bezahlbar werden, auch ganz ohne Fluglärm.
Ja, dem kann ich nur zustimmen. Ich bin sehr, sehr froh, dass der TXL Geschichte ist und seinen und Gestank von früh morgens um 6 bis abends um 23.00 nicht mehr verbreiten kann. Erinnert Euch mal daran, wie die Filmvorführungen im idyllischen Freilichtkino Rehberge von dem nervigen röhrenden Starts der Maschinen gestört wurden. Wie oft fuhr ich morgens quasi mit Mundschutz (damals schon) durch die Rehberge, weil die Luft in diesem herrlichen Park von den Abgasen der Flugzeuge verpestet war.
Ja klar, die Mieten sind niedrig, bisher, eben wegen der vergleichsweise schlechten Umweltqualität im Wedding. Ja, aber soll das lieber so bleiben, der Dreck ? Damit die Mieten billig bleiben? Sollte man nicht besser auf politischer Ebene für bezahlbare Mieten kämpfen?
Und auch, dass der Wedding nun abgehängt wird, glaube ich nicht. Die Pläne für die zukünftige Nutzung von TXL und auch den Flugfeldes klingen sehr interessant und werden zu einer Aufwertung des Kiezes führen, da bin ich ganz sicher.
Ja, aber die Mieten!!!! Statt Jammern und Zetern wünsche ich mir konstruktive und politisch durchdachte Vorschläge im Weddingweiser.
Gerlind
Was für ein negativer Artikel. Die Schließung ist erstmal super für alle die im Wedding leben
Warte mal noch ein paar Jahre, bis du den Wedding aufgrund von zu hoher Mieten verlassen musst..