Allen, die hoffen, man könne einen zweiten Prenzlauer Berg aus dem Wedding machen, zeigen wir die hässlichen Seiten von Berlin-Wedding, und warum sie sich das gleich wieder aus dem Kopf schlagen können.
Wedding, du bist nicht der bestaussehendste Teil Berlins, und das ist voll in Ordnung so. Deine schöne Imperfektion macht dich erst so richtig liebenswert. Du besitzt sogar ein paar echte Highlights der Hässlichkeit, bauliche Entgleisungen, die ihresgleichen suchen, Orte, die dem Charme einer Autobahnausfahrt in nichts nachstehen, und die wir in unserer kleinen Reihe mit einer Mischung aus Faszination uns Entsetzten genauer unter die Lupe nehmen wollen.
Betonburg Behmstraße
Damit das momentan ganz Berlin verschlingende Monster der Gentrifizierung sich nicht vom Prenzlauer Berg aus heranpirschen kann, steht an der Behmstraße in Gesundbrunnen, direkt an der Grenze zu Pregnant Hill eine Trutzburg aus Beton, hässlich wie die Nacht und bereit jede Designerbrille, die sich ihr nähert, schon aus großer Distanz zerspringen zu lassen. Noch zu Mauerzeiten errichtet und weithin sichtbar sollte die Grenzfeste aus Kieselwaschbeton dem Osten wohl zeigen, dass man erstens auch im Westen der Plattenbauweise mächtig ist, man aber zweitens durch die Wohnqualität der Westberliner Bevölkerung bei potenziellen DDR-Flüchtlingen keinen Neid schüren will, weshalb noch kleinere Fenster verbaut wurden als drüben im Osten. Die Bettenfestung bleibt sich auch in den Details treu. Wo sie gegenüber der Lieferantenzufahrt des Gesundbrunnen-Centers endet, gibt eine unförmige Metallskulptur in Gestalt eines unschön aufgeplatzten Fussballs den Passanten Rätsel auf. Was vermutlich an das „Plumpe“ genannte Stadion von Hertha erinnern soll, das hier bis 1974 stand, assoziiert man heute aber eher mit deren regelmäßig platztenden Erstliga-Träumen. R.I.P. Plumpe, auch wenn es schwer fällt.
Finanzamt Wedding
Ein Klotz, bei dem es mir jedesmal die Zehennägel hochrollt und ich mir nie ganz sicher bin, ob er nicht doch imstande ist, bleibende Schäden an meiner Netzhaut zurückzulassen, ist das Finanzamt Wedding in der Osloer Straße. Ist man vom Anblick nicht spontan erblindet und noch in der Lage sie zu treffen, möchte man trotzdem lobend auf die Architektenschulter klopfen, denn immerhin stimmen hier Form und Inhalt überein. Hier ist es gelungen, bürokratischer Nüchternheit und Kälte ein Gesicht zu geben, das jedem vorbei schleichenden Passanten das Fürchten lehrt und ihn im Geiste unweigerlich nochmals die Details seiner letzten Steuererklärung durchgehen lässt. In mehreren Lagen wurden Bänder aus Glas im Wechsel mit grauem Beton lustlos übereinander geschichtet. Wer seinen Blick trotzdem die Fassade hinaufzwingt, der langweilt sich spätestens nach Etage drei zu Tode. Lediglich ein blasses Blau an seiner Flanke versucht dem Bau etwas Leben einzuhauchen. Vergebens. An den Rand gedrängt wird es vom Grau durchdrungen und dominiert. Das Leben unterliegt, die Bürokratie wird siegen. Fazit: Wir sind verloren. Den armen Seelen, die im Schlund der Behörde verschwinden, möchte man noch zurufen: „Lasst, die ihr eintretet, alle Hoffnung fahren!“
[…] heute seinen Latte macchiato mit Biomilch trinkt. Radikal anders wirken dagegen die 70er-Jahre-Waschbetonhochhäuser in westlicher Richtung mit ihren hohen Ausländeranteil als architektonischer Ausdruck eines […]
Och, das Finanzamt Wedding sieht doch in seinem modernistischen Mief noch ganz putzig aus, wenn man es mit dem postmodernen Kotzbrocken Gesundbrunnencenter vergleicht. Im Übrigen sorgt ja auch Harry Gerlach mit seiner penetrant quietschbunten Fassadengestaltung im Wedding und auch anderswo dafür, dass garantiert kein ostalgisches Prenzlberg-Feeling aufkommt.
Das Gesundbrunnencenter ist definitiv das hässlichste Gebäude im Wedding. Ein riesiges Krebsgeschwür in den Ästhetik zwischen Humboldthain, Lichtburg und der Badstraße. Ich wünschte, man würde diesen abscheulichen Konsumtempel abreißen. Dafür nähme ich auch gerne eine bessere Sicht auf die Betonburg Behmstraße in Kauf.