Die Stühle füllen sich rasch, während die Gäste ihr Bier in den kleinen Bühnenraum des Mastuls bringen, und die Besetzung auf der Bühne noch eben kurzfristig ihren Ablaufplan anpasst. Wer wann auftritt, das wird hier spontan entschieden. Diesmal beginnt es mit Comedy, dann Lyrik, schließlich ein Team-Text. Worum es geht: Poetry Slam.
Dahinter steht das Kiezpoeten-Kollektiv, die umtriebigsten Poetry Slam-Veranstalter in Berlin und Brandenburg. Ein Blick in das auf den Stühlen liegende Programmheft zeigt: 13 Shows alleine im November, von Moabit bis Köpenick. Die Slam Show im Mastul ist dabei die einzige monatliche Show, bei der das ganze Kollektiv mit involviert ist, und zusammen mit einem monatlich wechselnden Gast Texte aus dem eigenen Repertoire liest. Das Ziel: eine Bühne, bei der sie auch regelmäßig neue Slam-Texte ausprobieren können, aufgelockert mit Bühnenspielen. Vor der Pause wirft das Publikum ein paar improvisierte Wörter in den Raum, und einer der Auftretenden schreibt daraus in nur 10 Minuten ein neues Gedicht – im nicht ganz ernstgemeinten Wettstreit gegen eine Gedicht-Maschine, die in wenigen Sekunden ein etwas dadaistisches Werk verfasst. Die menschliche Seite gewinnt meistens.
Die Stamm-Lesebühne im Wedding
Dass die Kiezpoeten ihre Stamm-Show im Wedding untergebracht haben, ist kein Zufall: Drei der fünf Kern-Mitglieder wohnen selbst im Wedding: Die Slam-Poeten und Veranstalter Jesko Habert und Samson, sowie die Marketing-Leiterin Marina Mengis. „Da war es logisch, unsere Stamm-Lesebühne auch hier zu machen”, sagt Jesko Habert. „Vor allem, da wir vorher keine regelmäßige Veranstaltung mehr im Wedding hatten.” Der Schall & Rauch Slam – ein experimenteller Schattenwand-Slam, war 2018 aus dem Sprengelkiez in die Kulturfabrik Moabit gezogen, und die Lesebühne 1 Satz Strudel mussten die Kiezpoeten einstellen, als das gastgebende Café Strudelka dicht machte.
Das war der Moment, als die Betreiber des Mastuls ihre Chance sahen, Slam Kultur in ihren Laden zu holen. „Im Frühjahr 2019 machten wir zwei Testshows im Mastul, und das lief so super, dass wir jetzt seit Herbst regelmäßig hier sind”, erzählt Kiezpoet Samson. Besonders die Wohnzimmeratmosphäre der Bar gefällt ihm besonders: „Es ist einfach ideal, um auch neue Texte auszuprobieren!”, schwärmt er. Was sich hier bewährt, nehmen die vier Poeten dann auf Bühnen in Berlin und ganz Deutschland mit.
Die anderen Teammitglieder, Ortwin Bader-Iskraut und Yo-Pa, haben mit Karlshorst und Köpenick einen etwas weiteren Anfahrtsweg, den sie jedoch gerne in Kauf nehmen. Schließlich ist die Bühne des Mastuls fast so etwas wie ihr Team-Wohnzimmer. „Es ist ja für uns als Kollektiv auch wichtig, dass wir uns regelmäßig sehen”, sagt Ortwin Bader-Iskraut. „Da ist es super, wenn wir das gleich mit einer Show verbinden können, an der wir alle Spaß haben.” Und ganz nebenbei bringen sie dabei Slam-Kultur und Poesie auch im Wedding vor eure Haustür, für erschwingliche 5 Euro Eintritt.
Fotos: Jonas Samson Völk