19.08.2019 Neue Schulen müssen her. Das ist in Berlin und im Wedding Konsens. Doch muss es immer Schule nach alter Schule sein? Diese Frage wurde bei einer Diskussionsveranstaltung am 12. August in der Glaskiste aufgeworfen. Die Initiative ps wedding hat nun für das Ex-Diesterweg im Brunnenviertel eine innovative Bildungslandschaft vorgeschlagen. Das wäre Schule plus viel mehr.
Ps wedding nicht gegen Schulneubau
Beim Vorschlag von ps wedding bleibt das bestehende orangefarbene Gebäude erhalten. Es würde für Kultur genutzt. Der Bezirk Mitte dagegen will das von manchem als Ufo bezeichnete Schulhaus im Brunnenviertel abreißen, um eine neue Schule zu bauen. Sein Schulneubau ließe keinen Platz für das vorhandene Gebäude.
“Wir sind nicht gegen Schulneubau”, sagt Sabine Horlitz von ps wedding. Sie tritt damit kursierenden Falschmeldungen entgegen. Allerdings will ps wedding die neue Schule neben die alte bauen, ein Abriss der alten Schule soll verhindert werden. Bei der Diskussion am 12. August lag eine Tischvorlage aus, in der ps wedding die konkrete Idee einer Bildungslandschaft für das 17.500 Quadratmeter große Gelände auf 12 Seiten vorstellt. Die Grafiken in diesem Artikel sind dieser Vorlage entnommen. Die Zeichnungen zeigen, dass neben dem orangefarbenen, historischen Schulhaus Raum für eine neue Schule ist.
Ps wedding will mehr als lediglich Schule
Kern der Idee von ps wedding ist, Lernen als Pauken und Lernen als Erleben an einem Standort zu verbinden. Schulisches und außerschulisches Lernen soll an einer Adresse möglich sein. Das ehemalige Schulhaus bietet nach dieser Idee Freiraum für Stadtteilbibliothek, Nachbarschaftszentrum, Zirkus Cabuwazi, Jugendtheater und vieles.
Oliver Clemens von ps wedding ging in seinem Vortrag während der Veranstaltung auf das politische Tauziehen um den Standort ein. So wird aktuell bei einem Runden Tischen zwischen Bezirk und Senat und zwischen verschiedenen Parteien heftig um die Zukunft des Ex-Diesterwegs gestritten. Die Pläne des Bezirks für einen Neubau gehen von großzügigen Freiflächen aus, die so groß bemessen sind, dass möglicherweise die Putbusser Straße verengt werden müsste. Außerschulisches Lernen ist im Bezirksplan nicht vorgesehen. “Dabei ist derzeit in Mitte eine Verdrängung sozialer Träger zu beobachten. Unser Vorschlag würde dem entgegenwirken”, nennt Oliver Clemens von ps wedding einen indirekten Vorzug des Vorschlags von ps wedding. Zudem seien erste Nutzungen – etwas Sport auf den Außenflächen – “sofort und nicht erst in zehn Jahren” möglich.
Absichtserklärungen – so genannte Letter of Intend -, die dem Weddingweiser vorliegen, zeigen, dass eine Finanzierung des Vorschlags von ps wedding realistisch ist.
Bildungslandschaft schon 1970 gewollt
Für Kunsthistoriker und Kurator Tom Holert ist die Idee einer Bildungslandschaft keine neue Vision für den Standort. Er hat im Archiv die Ausschreibung für den Schulbau gefunden. 1970 habe das Bezirksamt Wedding von den Architekten einen Vorschlag verlangt, “wie schulpädagogische und städtebauliche Absichten verschränkt” werden können, so Tom Holert. “Die Isolierung der Gymnasialbildung habe man verhindern wollen.” Die damaligen Forderungen der Schulpolitiker seien nicht so weit entfernt von denen der heutigen: “Aktuell in der Schulbauoffensive ähnelt die Sprache von Verflechtung von Schulraum und Sozialraum der damaligen Diskussion”, sagt Tom Holert im Schlusswort seines Vortrages.
Zur Diskussionsveranstaltung in den Glaskasten des Ex-Rotaprints hatte am 12. August Habitat Unit, eine “Forschungs- und Lehreinrichtung” am Lehrstuhl von Professor Philipp Misselwitz an der Technischen Universtität Berlin eingeladen. Die Diskussion unter der Überschrift “Alte Schule/Neue Schule” leiteten Stadtplanerin Dr. Elke Beyer und Architektin Anke Hagemann. Unter den neun Gästen auf dem Podium war auch Angela Million. Die Professorin für Städtebau definierte den Begriff Bildungslandschaft als “Schule im Quartier”, also “die Zusammenarbeit von Schule mit lokalen Akteuren, öffentlichen Einrichtungen und Vereinen”.
Links:
Webseite von ps wedding, dem “Projekt aus der Nachbarschft für die Nachbarschaft”
Infos von Wikipedia über Kunsthistoriker und Kurator Tom Holert, der aktuell an einer Ausstellung im Haus der Kulturen der Welt zum Diesterweg-Gymnasium arbeitet. Titel: Bildungsschock.
Broschüre “Schule im Quartier”, herausgegeben von Angela Million, mit Beispielen für Bildungslandschaften, unter anderem der Berliner Rütli-Campus.
Vorangegene Beiträge zum Thema ps wedding und Ex-Diesterweg auf dem Weddingweiser: Runder Tisch soll vermitteln vom 6. Mai 2019 oder “Kundgebung gegen Abriss”
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Andrei Schnell bekommt den Unterschied zwischen Schule und Lernen erklärt.