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Als die Brunnenstraße ein Einkaufsparadies war

23. Januar 2019
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Das Kauf­haus Held in der den 1970er Jah­ren. Foto: Samm­lung Ralf Schmiedecke 

Das Her­tie-Kauf­haus in der Brun­nen­stra­ße war einst Publi­kums­ma­gnet für Ost und West – 2015 wur­de das Gebäu­de abge­ris­sen. Ein Rück­blick auf sei­ne Geschichte.

Kürz­lich eröff­ne­te die Fir­ma Cresco Immo­bi­li­en ein eben­so gro­ßes wie nobles Stu­den­ten­wohn­heim an der Ecke Brun­nen- und Stral­sun­der Stra­ße. Genau an die­sem Ort befand sich bis 2015 ein Gebäu­de, des­sen cha­rak­te­ris­ti­sche Fas­sa­de über Jahr­zehn­te das Bild des Vier­tels prägte.

Auf Trümmern entstand ein Kaufhaus


Das Kauf­haus Anfang 2015 kurz vor dem Abriss. Foto: Alex­an­der Dowe 

Ab 1952 war der Bau als Kauf­haus Held nach Plä­nen des Archi­tek­ten Hans Soll auf einem Trüm­mer­grund­stück errich­tet wor­den. Sein Vor­gän­ger­bau stand nur etwa 500 Meter süd­lich davon, an der Kreu­zung Inva­li­den­stra­ße; das dor­ti­ge Haus wur­de 1944 im Zwei­ten Welt­krieg zer­stört und nicht wie­der auf­ge­baut. Die Tei­lung der Stadt ab 1948 ver­an­lass­te die Kauf­haus­be­trei­ber, ihren Stand­ort von Ost- nach West­ber­lin zu ver­le­gen – nur ein Stück die Brun­nen­stra­ße run­ter –, wo man vom ein­set­zen­den Wirt­schafts­wun­der zu pro­fi­tie­ren hoffte.

Am 23. März 1953 wur­de ein für die dama­li­ge Zeit äußerst moder­ner Kon­sum­tem­pel eröff­net, der sich zunächst ganz auf den Ver­kauf von Tex­ti­li­en spe­zia­li­sier­te. Eine beson­de­re Attrak­ti­on des Hau­ses war die Dach­ter­ras­se mit Restau­rant, zu dem man mit einem Fahr­stuhl gelang­te. Schnell ent­wi­ckel­te sich das neue Kauf­haus zum Ein­kaufs­mit­tel­punkt der geschäf­ti­gen Gegend rund um die Brun­nen­stra­ße. Nicht nur Wed­din­ger, son­dern vor allem Ost­ber­li­ner und DDR-Bür­ger sorg­ten schon bald für ein flo­rie­ren­des Geschäft. Damit war es nach dem Mau­er­bau 1961 schlag­ar­tig vor­bei, denn die zahl­rei­che Kund­schaft aus dem Osten blieb nun gezwun­ge­ner­ma­ßen aus. Bereits zuvor hat­te der Han­dels­kon­zern Her­tie die Fir­ma Held und damit das Kauf­haus über­nom­men, das aber noch län­ge­re Zeit den alten Namen bei­be­hielt. 1963 ver­grö­ßer­te Her­tie die Ver­kaufs­flä­che durch einen nörd­li­chen Anbau; jetzt wur­den auch Lebens­mit­tel und ande­re Waren verkauft.

Im Schatten der Mauer ungünstig gelegen


Der Abriss­bag­ger im Juli 2015 bei der Arbeit. Foto: And­rei Schnell 

Aber die­se Maß­nah­me konn­te den Nie­der­gang des Stand­or­tes in der Brun­nen­stra­ße nicht auf­hal­ten. Die durch den Mau­er­bau beding­te Abseits­la­ge und die in spä­te­ren Jah­ren erfolg­te Schlie­ßung von hier ansäs­si­gen Groß­be­trie­ben wie AEG und Küh­ne, dazu Kahl­schlag­sa­nie­rung und mas­si­ver Fort­zug der Bewoh­ner brach­ten 1983 das end­gül­ti­ge Aus für das noch gar nicht so alte Warenhaus.

Schon damals erwog man den Abriss des Gebäu­des, ent­schied sich aber nach lang­wie­ri­gen Dis­kus­sio­nen für den Erhalt. 1984 zog die Lebens­mit­tel­ket­te Kaiser’s in Erd- und Unter­ge­schoss ein, wäh­rend das Bezirks­amt Wed­ding in einem ande­ren Gebäu­de­teil für 6,5 Mil­lio­nen D‑Mark das Olof-Pal­me-Jugend­zen­trum errich­ten ließ, um – wie es hieß – „in Zukunft Raum für eine Viel­zahl von inno­va­ti­ven Ent­wick­lun­gen“ zu schaf­fen. Die Zukunft währ­te indes nicht lan­ge, denn bereits 2002 zog das Jugend­zen­trum in die Dem­mi­ner Stra­ße. Fort­an war Kaiser’s im Wesent­li­chen der ein­zi­ge Mie­ter – bis zum bit­te­ren Ende: Im Febru­ar 2015 rück­ten die Bag­ger an und mach­ten das mitt­ler­wei­le ziem­lich trost­los wir­ken­de Gebäu­de dem Erd­bo­den gleich.

Ein Verlust fürs Brunnenviertel


Die Ecke Brunnen-/Stralsunder Stra­ße heu­te. Der Neu­bau beher­bergt 553 Stu­den­ten­woh­nun­gen und 142 Mikro­a­part­ments. Foto: Alex­an­der Dowe 

Nicht weni­ge Anwoh­ner sehen im Abriss die­ses bedeut­sa­men Baus der Nach­kriegs­mo­der­ne einen wei­te­ren Ver­lust für das mit archi­tek­to­ni­schen Sehens­wür­dig­kei­ten nicht gera­de reich geseg­ne­te Brun­nen­vier­tel. Man­che den­ken in die­sem Zusam­men­hang an das ehe­ma­li­ge Gym­na­si­um an der Swi­ne­mün­der Stra­ße. Steht die­ser nicht nur bau­his­to­risch erhal­tens­wer­te Gebäu­de­kom­plex vor einem ähn­li­chen Schick­sal wie das alte Kauf­haus in der Brunnenstraße?

Text: Alex­an­der Dowe

Der Text ist zuerst erschie­nen im Kiez­ma­ga­zin “brun­nen”, Aus­ga­be Dezem­ber 2018. Mehr Tex­te und mehr über die ehren­amt­li­che Bür­ger­re­dak­ti­on, die es her­aus­gibt, steht auf dem Redak­ti­ons­blog: www.brunnenmagazin.wordpress.com

Gastautor

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1 Comment Leave a Reply

  1. Wirk­lich sehr scha­de, dass es immer mehr von den alten Bau­ten im Brun­nen­vier­tel trifft, die ver­schwin­den müssen.

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