Die Panke ist ein Bach, sieht aber aus wie ein Kanal. Das Weddinger Abwasser fließt durch unterirdische Leitungen, die Kanal heißen, aber wie Tunnel aussehen. Einer dieser Tunnel unter der Grüntaler Straße hat am Dienstag (20.3.) ein Wehr bekommen, ein Abwasserwehr . Es soll verhindern, dass die Kanalisation bei starkem Regen überläuft und der mitgeführte Dreck ins Kanalbett der Panke fließt.
Am Dienstag wurde ein sieben Tonnen schweres Wehr in einen Schacht nahe der Osloer Straße hinab gelassen. Rund eineinhalb Millionen Euro wurden verbaut, damit zukünftig das Pankewasser zwar nicht zum Badewasser, aber zumindest ein wenig sauberer wird. Die Berliner Wasserbetriebe hatten mit Wortwitz eingeladen, beim Einbau des “neuen automatischen Stauwehrs” dabei zu sein. “Wehr dem Schmutz Einhalt gebietet”, schrieb das Unternehmen. 1.800 Kubikmeter schmutziges Wasser wird das Wehr nach Inbetriebnahme zurückhalten können. Durch den Rückstau wird ein Pumpwerk in der Bellermannstraße entlastet.
Wehr hält Regen-Abwasser-Gemisch zurück
Zur besseren Vorstellung: 1.800 Kubikmeter Wasser, die das Wehr zurückhalten kann, entsprechen der kompletten Flutung von 15 Wohnungen mit 50 Quadratmetern, wenn diese, wie im sozialen Wohnungsbau üblich, eine Deckenhöhe von 2,40 Meter aufweisen. Das sind schon eine Menge Badewannen mit Wasser. Ziel der Wasserbetriebe ist es, bis 2023 berlinweit die Kapazitäten zu schaffen, um 310.000 Kubikmeter Abwasser-Regen-Gemisch rückstauen zu können. Geschafft sind aktuell 240.000 Kubikmeter. Mit dem Panke-Wehr ist das Unternehmen seinem Ziel nun ein Stück näher gekommen.
Der Aufwand für dieses Ziel ist enorm. Allein das nun in der Grüntaler Straße versenkte Wehr – samt Hydraulik und Elektronik – kostet rund 180.000 Euro. Das Bauwerk aus Beton, in dem das Wehr eingelassen ist, geht zehn Meter in die Tiefe und hat die Größe eines Einfamilienhauses. Die Gesamtkosten des Projekts belaufen sich auf eineinhalb Millionen Euro. Sehen wird man von der Anlage später nur sehr wenig. Lediglich zwei Gullydeckel, die auffällig dicht beiander liegen, und eine Einstiegsluke werden von der unterirdischen Anlage zeugen.
Bei Starkregen wird die Panke überdüngt
Stauräume für Abwasser zu schaffen, ist eine Aufgabe, die sich aus dem Gewässergütebauprogramm ergibt. Mit diesem Programm sollen die Berliner Flüsse wie Spree und Havel, aber auch die Kleingewässer wie Wuhle, Erpe und Panke vor zu viel Nährstoffen geschützt werden. Der Fachmann sagt, sie sollen vor Eutrophierung bewahrt werden. Denn wenn die Kanalisation bei Starkregen überläuft, dann wird die Panke regelrecht gedüngt. In der Berliner Innenstadt wird das Toilettenwasser der Haushalte gemeinsam mit dem Regenwasser zu den Klärwerken gepumpt. Deshalb sprechen die Wasserbetriebe in der Innenstadt nicht von Schmutzwasser, sondern von Mischwasser.
Nachteil dieses Verfahrens ist, dass die Rohre an einem trockenen Sommertag kleiner sein müssten als an einem Tag mit ein paar Litern Regen pro Quadratmeter. Aber Rohre, die sich wie Ballons ausdehnen und zusammenziehen können, sind noch nicht erfunden. Deshalb öffnen sich bei großen Niederschlägen Ventile. Im Wedding befinden sich zwei davon an der Panke. Regenwasser und Toilettenwasser werden dann in den Bach entlassen. Das passiert etwa 12 bis 15 Mal pro Jahr. Durch das neue Wehr und durch weitere Maßnahmen soll dieses Überlaufen bis 2023 auf ein Drittel der heutigen Anzahl reduziert werden.
Panke wird kein Badegewässer
Weniger Überläufe bedeuten aber nicht, dass keine Überläufe mehr geben wird. Ein Badegewässer nach den heutigen strengen Vorschriften wird die Panke in absehbarer Zeit deshalb nicht werden. Dies schon allein darum nicht, weil auch ohne die Kanalisation Dreck in die tiefliegende Panke gespült wird.
Bei einem anderen Ziel hilft die Maßnahme der Berliner Wasserbetriebe dagegen durchaus. Dem Neunauge könnte das sauberere Wasser gefallen und ihn vielleicht motivieren, in die Panke zurückkehren. “Ziel ist die Wiederansiedlung der bis 1870 in der Panke heimischen Fischarten wie Stichling, Barsch, Blei, Hecht, Uckelei und Neunauge”, heißt es im Gewässerentwicklungskonzept für die Panke 2009.
Immer mehr unterirdische Stauräume
Zum Schutz vor Überdüngung der Berliner Flüsse finanziert Berlin seit rund 20 Jahren die Schaffung von unterirdischen Stauräumen. In der Seestraße wurde bereits 1996 ein automatisches Wehr eingebaut. Es ist nicht nur das größte der nunmehr fünf Wehre in Berlin, sondern auch das älteste. Es wurde nach 20 Jahren Betriebszeit im letzten Oktober ausgetauscht. Andere Maßnahmen zur Gewinnung von Stauraum sind Rückhaltebecken, Staukanäle oder Überlaufschwellen. So wird aktuell zum Beispiel an einem Staukanal unter dem Mauerparkt gebaut.
Die Rohrleitungen, die gerade in der Jülicher Straße neben der Grüntaler Straße verlegt werden, haben mit Abwasser übrigens nicht zu tun. Die Leitungen sind neue 40 Zentimerter starke Trinkwasserleitungen.
Text und Fotos: Andrei Schnell
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