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Der Fall der Mauer

9. November 2012
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Gast­bei­trag von Robert Rescue

Ein­lei­tung: Zwei Män­ner (Per­cy und Kal­le) ste­hen auf einem Bal­kon des Vor­der­hau­ses und bli­cken auf einen Hin­ter­hof herunter.

Per­cy: „Heu­te ist ein denk­wür­di­ger Tag.“
Kal­le: „Ach ja? Was ist denn pas­siert? Haben sie dir das Hartz IV erhöht? Hast du bei Face­book bei irgend­ei­nem die­ser komi­schen Spie­le den Super­re­kord geholt?“
Per­cy: „Nein, nein, nichts von alle­dem. Heu­te jährt sich zum drei­und­zwan­zigs­ten Mal der Fall der Mauer.“
Kal­le: „Ach ja, die Mau­er, die hat­te ich ganz ver­ges­sen. Wenn sie da ist, denkt man die gan­ze Zeit an sie und wenn sie weg ist, ver­gisst man sie ganz schnell.“
Per­cy: „Genau. Des­we­gen habe ich die­sen Tag jedes Jahr im Kalen­der ver­merkt. So, und jetzt einen Fut­schi für dich und einen für mich. Prost!“
Kal­le: „Prost. Erin­nerst du dich eigent­lich noch an damals?“
Per­cy: „Selbst­ver­ständ­lich. Was war die doch so ein Hin­der­nis jeden Tag. Wie im Gefäng­nis kam man sich vor. Vor allem erin­ne­re ich mich dar­an, wie schnell die hoch­ge­zo­gen wur­de. Als ich ins Bett gegan­gen bin, war die noch nicht da und am nächs­ten Mor­gen stand die schon.“
Kal­le: „Ich habe ja nie ver­stan­den, war­um die gebaut wurde.“
Per­cy: „Schab­ow­ski hat ja immer erzählt, dass die nicht auf sei­nem Mist gewach­sen ist. Wenn du ihn dar­auf ansprichst, sagt er als ers­tes, dass er damit nichts zu tun hat.“

Kal­le: „Aber immer­hin hat er dafür gesorgt, dass sie abge­ris­sen wurde.“

Per­cy: „Das erzählt er dann gleich danach. „Ohne mich wür­de die immer noch ste­hen“ und das wie­der­holt er seit 23 Jahren.“
Kal­le: „Die jun­gen Leu­te wis­sen ja gar nichts von der Mau­er. Die ist für die doch Schnee von ges­tern. Die wis­sen nicht, was uns die Mau­er für Schwie­rig­kei­ten auf­ge­halst hat. Die waren doch noch gar nicht gebo­ren, als die abge­ris­sen wurde.“
Per­cy: „Ich glau­be, die wis­sen das. Schab­ow­ski wird immer ganz melan­cho­lisch, wenn er mor­gens besof­fen aus der Flit­ter Bar kommt. Der hat im Lau­fe der Zeit jedem von den jun­gen von der Mau­er erzählt und die Neu­mie­ter den­ken dann, er meint die ande­re Mau­er, die auch vor drei­und­zwan­zig Jah­ren abge­ris­sen wur­de und wei­ter den­ken die, Schab­ow­ski wäre der ande­re Schab­ow­ski, also der aus der DDR, dabei hat Schab­ow­ski, also unser Schab­ow­ski mei­nes Wis­sens den Wed­ding noch nie verlassen.“
Kal­le: „Auf jeden Fall war es ein tol­ler Moment, als wir damals end­lich wie­der Zugang zum Hof von der 39 hat­ten. Da habe ich ja Chris­tel ken­nen­ge­lernt, die dann zu mir in die 40 gezo­gen ist. Ich erin­ne­re mich noch genau. Es war kalt und sie woll­te ihr Fahr­rad repa­rie­ren. Ich habe ihr dabei gehol­fen und mich in sie verliebt.“
Per­cy: „Und ich hat­te end­lich wie­der Zugang zu mei­nem Koh­len­kel­ler. Vier Jah­re habe ich die hier in der Woh­nung gela­gert, weil unten in der 40 kein Kel­ler für mich frei war. Ich bin doch vier Wochen vor der Mau­er von der 39 in die 40 gezo­gen und hat­te idio­ti­scher­wei­se den Haus­tür­schlüs­sel abge­ge­ben. Ich hät­te mich bes­ser mit den Nach­barn stel­len sol­len, weil kei­ner von denen hat mir auf­ge­macht, als ich geklin­gelt und erklärt habe, ich wol­le noch mei­ne Koh­len aus dem Kel­ler holen. Als Schab­ow­ski dann eines Mor­gens besof­fen im Hof stand und mit der schwe­ren Bau­axt die Mau­er ein­ge­ris­sen hat, bin ich kurz dar­auf in den Kel­ler von der 39 gegan­gen, aber da hing ein neu­es Schloss und mei­ne Koh­len waren weg. Schab­ow­ski mein­te, der Besit­zer von der 39 sei gestor­ben und er wür­de jetzt den alten Zustand wiederher …“
Kal­le: „… Per­cy, ich habe da mal ne Fra­ge …also…kann sein, dass ich da was nicht mit­be­kom­men habe…scheint auch so und das ist mir auch irgend­wie pein­lich, aber…welche ande­re Mau­er meinst du eigentlich?“

Unser Gast­au­tor Robert Res­cue ist Mit­glied der Wed­din­ger Lese­büh­ne Die Brau­se­boys. Sei­ne neu­es­te Geschich­ten­samm­lung mit dem Titel „Eimer­du­schen – Ein Opfer packt aus“ ist im Sep­tem­ber erschie­nen. Infos: http://www.periplaneta.com

Gastautor

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1 Comment Leave a Reply

  1. Es gibt ein min­des­tes eben­so wich­ti­ges (wenn nicht sogar noch wich­ti­ge­res?!) Ereig­nis, des­sen es am 09. Novem­ber zu geden­ken gäbe?!?!

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