Kurz vor dem Beginn des neuen Hochschul-Semesters wurde der Zeppelinplatz offiziell eröffnet. Der zuletzt fertiggestellte Bereich vor dem “Haus Beuth” der Beuth-Hochschule für Technik war da allerdings schon den ganzen Sommer über in Betrieb – und ist dringend erforderlich, wie sich zunehmend zeigt. Denn die aktuelle Wohnungsnot in der Stadt zwingt nicht nur die Studierenden der Berliner Hochschulen dazu, sich auf immer engere Wohnverhältnisse einzustellen. Und deshalb benötigen sie ganz besonders gut funktionierende öffentliche Räume.
Turngeräte folgen einem Trend
Vom letzten Bauabschnitt des Zeppi ist das Sportfeld unmittelbar vor dem Eingang des Hochschulgebäudes ein gutes Beispiel. Das sieht auf den ersten Blick zwar unscheinbar aus: dort stehen mehrere Turngeräte, vor allem Metallstangen, über einem Fallschutz-Boden, der tatsächlich der kostenaufwändigste Teil dieser Anlage ist. An Nachmittagen kann man aber erleben, wie er von vielen überwiegend jungen Menschen genutzt wird. Die üben sich dort in Kalisthenie (auf englisch: Calisthenics), in der schönen Kraft, wie die Übersetzung aus dem Griechischen lautet. Das ist eine neue Fitness-Bewegung aus New York mit Wurzeln in der Turnbewegung des Turnvaters Friedrich Ludwig Jahn, die somit über diverse Umwege wieder an ihren Ausgangspunkt zurückkehrt.
Den ersten öffentlichen Turnplatz gründete der 1811 in der Neuköllner Hasenheide. Heute nennt man das Outdoor-Trainingspark, in Mitte wurde 2010 ein solcher Platz im Sportpark Neues Ufer in Moabit an der Einmündung des Charlottenburger Schifffahrtskanals in die Spree eingerichtet, später folgte eine kleine, aber in der Szene beliebte Anlage in der Moabiter Zwinglistraße und eine große im SportPark direkt neben dem Poststadion. Seit diesem Jahr also auch auf dem Zeppelinplatz direkt an der Beuth-Hochschule: Anhänger der Kalisthenie-Bewegung nutzen die öffentlichen Turnplätze vor allem zum Muskelaufbau: mit Hilfe besonderer Übungen, die das Eigengewicht des Körpers ausnutzen, trainieren sie ihre Körper, ohne auf Fitness-Studios und Kraftmaschinen angewiesen zu sein. Vor allem in Osteuropa findet diese Idee großen Anklang, aber auch in Berlin gibt es Jahr für Jahr immer mehr Begeisterung für diesen neuen Sport.
Studenten und die Wohnungsnot
Das hat wohl auch damit zu tun, dass der Wohnraum für Neuberliner immer teurer und damit auch immer enger wird. Die Allgemeinen Studentenausschüsse der Berliner Hochschulen forderten deshalb gemeinsam bereits die Einrichtung von Notunterkünften für die neuen Studenten des Wintersemesters, von denen viele noch keine Unterkunft gefunden hätten. Viele wohnen deshalb in Mehrbettzimmern preisgünstiger Hostels oder mieten sich überteuerte möblierte Micro-Apartments – zum Beispiel im neu gebauten “Younic” in der Müllerstraße 34. Dort zahlt man für 18 Quadratmeter deutlich mehr als 500 Euro im Monat, dem Vernehmen nach ist das Haus kurz nach seiner Eröffnung aber schon voll. Ähnliche Anlagen mit meist mehreren hundert Kleinstwohnungen schießen überall in der Innenstadt derzeit förmlich aus dem Boden, in Moabit etwa soll jetzt das ehemalige Hansa-Theater für solch eine Immobilie abgerissen werden. Die Wohnbedingungen sind umstritten: Oft sind die teuren Zimmerchen auch noch dunkel und es finden sich nicht überall auch Gemeinschaftsräume im Haus, in denen man sich mal zu mehreren aufhalten kann.
Deshalb sind solche Freizeitangebote in öffentlichen Grünanlagen wie dem Zeppelinplatz auch kein Luxus, den sich eine Stadt bei steigenden Steuereinnahmen leistet, sondern eine schlichte Notwendigkeit: Wer den größten Teil seines verfügbaren Einkommens dafür aufwenden muss, ein winziges Micro-Apartment zu finanzieren, ist auch kaum in der Lage, viel Geld für Fitness-Studios oder andere privatwirtschaftliche Freizeitangebote auszugeben: Der Wohnkostenanteil des aktuellen Bafög-Satzes liegt derzeit bei 250 Euro im Monat. Das Sportfeld ist übrigens auch in der dunklen Jahreszeit gut nutzbar: direkt nebenan ist der Vorplatz des Hauses Beuth in den Abendstunden beleuchtet.
Autor: Christof Schaffelder
Diesen Text haben wir aus der neuesten Ausgabe der Sanierungszeitschrift “Ecke Müllerstraße” übernommen.