Wer auf am U‑Bahnhof Osloer Straße an der unwirtlich anmutenden Kreuzung steht, kommt nicht auf die Idee, dass die Bauwerke wie das GSG-Haus, das Finanzamt sowie die Wohngebäude aus dem Wiederaufbauprogramm zwischen Schweden- und Osloer Straße in einem städtebaulichen Zusammenhang stehen könnten.
Der Stadtbaurat James Hobrecht plante 1862 recht breite Ringstraßen um das historische Berlin herum. Eine davon ist die heutige Osloer Straße. Die Frage, warum nun das ehemalige Telefunken- und heutige GSG-Haus aus dem Jahre 1941 so weit von der Straße zurückgesetzt ist, lässt sich einfach beantworten.
1930er: Monumentaler Stadtplatz geplant
Albert Speer, der Architekt für den Ausbau der Reichshauptstadt unter Hitler, hatte an dieser Stelle einen monumentalen Platz vorgesehen, dessen Ostseite nun das Telefunkenhaus bilden sollte. Der zuständige Architekt, der an der Drontheimer Straße in der 1920er Jahren noch im Stil der Moderne baute, passt sich wie viele andere den NS-Machthabern an. So versah er das Gebäude u.a. mit einem überstehenden Schieferdach und kleinen Dachgauben. Die an der Hauswand in den Boden eingelassenen Gitter mit der Aufschrift „Luftschutz“ verweisen darauf, dass es sich hier um ein kriegswichtiges Bauwerk handelte. Telefunken lieferte Röhren und elektrotechnische Geräte für die Kommunikation der deutschen Wehrmacht. In diesem Kontext steht auch die in der NS-Zeit vorgenommene Benennung der Straße nach Tromsö – handelt es sich doch um eine von den deutschen Truppen im Zweiten Weltkrieg besetzte Stadt in Norwegen.
Zu den Eigenheiten des Alltags gehört, dass viele Bewohner die vom U‑Bhf. Osloer Straße aus in die Kolonie- und Soldiner Straße möchten, nicht entlang der Osloer Straße gehen. Sie nehmen die Abkürzung über das historische Werksgelände und betreten so ihren Kiez durch den ehemaligen Arbeitereingang von Telefunken.
1950er: Stadtautobahn geplant
Nach 1945 hielten die Ost- wie die West-Berliner Städteplaner an den Verkehrskonzepten der NS-Zeit fest. Allerdings sollte der Ring zwischen der See- und Osloer Straße als Stadtautobahn in Hochlage geführt werden! Was dieser Kreuzung glücklicherweise erspart blieb, ist an einem Modell der Siedlung Schillerhöhe im „Mitte Museum“ in der Pankstraße zu bestaunen, oder aber ganz real an dem durch eine Autobahn überbauten Breitenbachplatz.
Um für die Autobahn und deren Zu- und Abfahrten den notwendigen Platz zur Verfügung zu stellen, wurden die 1953 errichteten Wohnbauten des Wiederaufbauprogrammes von der südlichen Seite der Kreuzung zurückgesetzt. Mit der leicht geschlungenen Fassade und den Laubengängen ist dieser Komplex ein typisches Beispiel für die Architektur der frühen fünfziger Jahre in West-Berlin. Dieser optimistischen Nachkriegsplanung fiel im Übrigen die 224. und 229. Gemeindeschule aus der Zeit des Kaiserreiches zum Opfer, die sich nördlich der Kreuzung zwischen Kolonie- und späterer Tromsöer Straße befand.
Das 1968 errichteten kubische mit einer Waschbetonfassade recht einfach wirkende Finanzamt Wedding ist hingegen wieder dicht an die Osloer Straße herangerückt. Es steht für eine Zeit, in der die Planer ihre überdimensionierten Stadtutopien langsam aufgaben oder aufgeben mussten. Man stellte sich der Realität – u.a. eines geteilten Berlins.
Autor: Eberhard Elfert
[…] zu den Vergessenen Orten: Pharussäle, Telefunkenhaus, […]