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Fachgeschäfte an der Müllerstraße schließen für immer

13. Dezember 2011
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Man ist ver­sucht zu sagen, dass frü­her alles bes­ser war. Nicht nur C&A schließt sei­ne Filia­le an der Mül­lerstra­ße zum Jah­res­en­de, son­dern auch noch zwei alt­ein­ge­ses­se­ne Fach­ge­schäf­te am U‑Bahnhof Reh­ber­ge: Moden-Scheff­ler (Mül­lerstr. 113) und “Hosen spe­zi­al” (Mül­lerstr. 119). Bis vor ein paar Jah­ren war die obe­re Mül­lerstra­ße zwi­schen Afri­ka­ni­schem und Eng­li­schen Vier­tel mit ihrer Laden­viel­falt ein El Dora­do für Käu­fer. „Wir haben von­ein­an­der pro­fi­tiert“, sagt Ronald Pock­randt im Inter­view mit dem Ber­li­ner Abend­blatt (Aus­ga­be vom 11.12.2011). „Der Mann kam zu mir, such­te sich ein paar Hosen aus, sei­ne Frau ging in ‚ihr’ Mode­ge­schäft, und bei­de schau­ten dann noch im Schuh­ge­schäft vor­bei“, erzählt Pock­randt. Anschlie­ßend ging’s auf einen Imbiss in die Mül­ler­hal­le – dort gab es bis vor 15 oder 20 Jah­ren noch jede Men­ge Stän­de mit fri­schen Waren. Heu­te beherr­schen Spiel­ca­si­nos und Shi­sha-Bars das Bild in der Müllerstraße.

Struk­tur­wan­del in den alt­eing­es­se­nen Ein­kaufs­stra­ßen unaufhaltsam

Das kann man bedau­ern. Man muss aber auch sehen, dass an ande­rer Stel­le den ver­än­der­ten Ein­kaufs-Gewohn­hei­ten Rech­nung getra­gen wird. Im Hosen-Spe­zi­al sind die 1970er-Jah­re bis in den letz­ten Win­kel zu spü­ren. „Ich habe mich auf die älte­ren Herr­schaf­ten und auf die dicken Bäu­che spe­zia­li­siert“, sagt Pock­randt im Abend­blatt-Inter­view. Doch auch die­se Kun­den wer­den sich über kurz oder lang an die vie­len Shop­ping-Cen­ter gewöhnt haben, die es vor 20 Jah­ren noch kaum gab. Sogar im alten Bezirk Wed­ding gibt es mit dem Gesund­brun­nen-Cen­ter einen gro­ßen Ein­kaufs­tem­pel, und auch die Rei­ni­cken­dor­fer Borsig-Hal­len zie­hen die zah­lungs­kräf­ti­gen Kun­den ab. Über­haupt – die Kauf­kraft: die ist im nord­west­li­chen Teil des Wed­ding gar nicht so nied­rig wie man den­ken könn­te. Vie­le BVG-Pen­sio­nä­re, ehe­ma­li­ge Sche­ring-Beschäf­tig­te und das klei­ne Bür­ger­tum kenn­zeich­nen näm­lich die Bewoh­ner­schaft rund um den U‑Bahnhof Reh­ber­ge. Damit unter­schei­det sich die­ser Teil des Wed­ding von den ande­ren Kiezen, in denen es viel mehr sozi­al Schwa­che und Stu­den­ten gibt.

Wer soll sol­che Fach­ge­schäf­te übernehmen?

Man kann dem Laden­schwund sicher nach­trau­ern. Aber, Hand auf’s Herz: wel­cher jun­ge Exis­tenz­grün­der wür­de einen sol­chen Laden über­neh­men wol­len, in dem gewach­se­ne Kun­den­be­zie­hun­gen eine so gro­ße Rol­le spie­len? In dem abseh­bar ist, dass die Kund­schaft in den nächs­ten Jah­ren allein schon aus Alters­grün­den weg­bricht? Die per­sön­li­che Bin­dung an ein Mode­ge­schäft ist in den letz­ten Jah­ren ohne­hin ver­lo­ren gegan­gen. Ange­sichts der ver­än­der­ten Gewohn­hei­ten und Geschmä­cker wird es eben Gewin­ner und Ver­lie­rer geben. Die obe­re Mül­lerstra­ße wird dabei wohl oder übel auf der Ver­lie­rer­sei­te ste­hen, wenn es um die über­re­gio­na­le Ver­sor­gung mit Waren des geho­be­nen Bedarfs geht. Die Zei­ten ändern sich.

Joachim Faust

hat 2011 den Blog gegründet. Heute leitet er das Projekt Weddingweiser. Mag die Ortsteile Wedding und Gesundbrunnen gleichermaßen.

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