„Und wo wohnst du so?“ wird man ja des öfteren mal gefragt. Ich sage dann: „Ick wohne im Wedding.“ Die Palette der Reaktionen reicht von mitleidigem Blick à la Mensch-wirf-doch-dein-Leben-nicht-so-weg über „Haste da keine Angst?“ bis hin zu einem simplen, aber doch nicht ganz wertfreien „Aha.“
Für mich sind diese Reaktionen nicht ganz nachzuvollziehen. Der Wedding ist nämlich gar nicht so übel wie alle immer denken. Sicher, wir sprechen hier von einem der sogenannten Problembezirke, und ich würde mich vermutlich nachts auch nicht länger als nötig an der Osloer Straße aufhalten. Aber es ist gibt hier auch schöne Ecken. Hier bei mir im Brüsseler Kiez fühle ich mich zum Beispiel nicht unsicherer als überall sonst in Berlin. Klar, beim Einzug wurden die mit Kindheitserinnerungen getränkten Legosteine meiner Mitbewohnerin geklaut, als sie 10 Minuten unbeobachtet waren. Auf der anderen Seite haben sich vor der alten Wohnung in Prenzlauer Berg Leute mit Messern attackiert. Spinner gibt es eben überall.
Nachts freue ich mich sogar regelrecht auf den Nachhauseweg von der U‑Bahn. Ich lege einen kurzen Zwischenstopp am Späti in der Müllerstraße für eine Cola oder ein Bier ein. Damit spüle ich die Aussagen meiner Oma nach dem Motto „Ich hab’ in den Nachrichten gehört, im Wedding ist dies und das passiert“ weg und schlendere dann gemütlich auf der nie leeren Straße nach Hause. Ich weiß nicht, an wie vielen Casinos und Wettbüros ich dabei vorbeiziehe. Ich glaube, allein von meinem Balkon aus könnte ich fünf davon sehen. Aber das hat alles so einen Hauch von bizarrem Las Vegas-Flair. Nur eben in kleinem Stil und mit mehr Hundehaufen auf dem Gehweg. Kurz vor meinem Hauseingang grüße ich dann höflich den Dönerverkäufer von nebenan. Man kennt sich schließlich schon. Ich denke dann immer bei mir, dass der Wedding so ist, wie ich mir Berlin immer vorgestellt habe, als ich noch in Brandenburg gelebt habe. Multikulti, lebendig, bunt und irgendwie ehrlich. Den Eindruck hatte auch meine Mutter, als sie mich hier das erste Mal besucht hat. Scheint also was dran zu sein. Muttis haben ja meistens recht.
Es ist außerdem nicht zu bestreiten, dass sich der Wedding entwickelt. „Der Wedding kommt“, pflege ich immer zu sagen. Und das ist schön zu beobachten. Kunstmärkte, Cafés, mehrere neue Studenten-WGs in meinem Haus und nicht zuletzt ein Bio-Markt im Sprengelkiez sind untrügerische Zeichen dafür, dass die sogenannte Gentrifizierung in vollem Gange ist. Ob das nur Vorteile hat, ist natürlich fragwürdig. Wer will schon ein zweites “hipsterbepacktes” Prenzl’Berg?
Ich für meinen Teil kann nur hoffen, dass der Wedding sich noch lange seinen Charme erhält. Und immer wenn ich auf dem Weg in die wunderschönen Rehberge die Aufschrift „Ick steh uff Wedding, dit is meen Ding“ auf dem bunten Haus an der Seestraße/Ecke Afrikanische Straße sehe, kann ich nur zustimmen und denken: „Ick bin zu Hause“.
Genau so! (: