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Ich komm’ nicht klar damit! Ein Beratungsgespräch

16. September 2016
Heike Fahrnländer (rechts) bei einem Beratungsgespräch in der MachBar. Foto: MachBar
Hei­ke Fahrn­län­der (rechts) bei einem Bera­tungs­ge­spräch in der Mach­Bar. Foto: MachBar

Am Antrag fürs Arbeits­lo­sen­geld II schei­tern vie­le. Wer Glück hat, fin­det Hil­fe – so wie in der Mach­Bar. Das Team vom Bera­tungs­la­den hilft zum Bei­spiel mit den Brie­fen vom Amt und beim Aus­fül­len von Anträ­gen. Seit zehn Jah­ren gibt es die Mach­Bar von der gemein­nüt­zi­gen Schild­krö­te GmbH in der Put­bus­ser Stra­ße 29 im Brun­nen­vier­tel. Der Bedarf an Bera­tung ist groß. Seit 2006 hat das Team ins­ge­samt 12.000 Bera­tun­gen durch­ge­führt. Wir haben bei einer Bera­tung zugehört.

Die Vor­ge­schich­te

Maria (Name von der Redak­ti­on geän­dert) kommt seit Jah­ren regel­mä­ßig in die Mach­Bar. Frü­her war sie im betreu­ten Ein­zel­woh­nen und hat nach dem Ende die­ser Zeit von ihrer Betreue­rin den Tipp bekom­men, sich bei der Mach­Bar zu mel­den, wenn sie Unter­stüt­zung benö­tigt. Auch wenn sie inzwi­schen in Neu­kölln wohnt, steu­ert Maria ein­mal im Monat die Mach­Bar im Brun­nen­vier­tel an. Sozi­al­ma­na­ge­rin Hei­ke Fahrn­län­der hilft der jun­gen Mut­ter, die sich gera­de vom Vater ihres Kin­des getrennt hat, beim Aus­fül­len von Unter­la­gen, bei der Kor­re­spon­denz mit Behör­den und hört auch zu, wenn die jun­ge Frau ihr das Herz ausschüttet.

Die Bera­tung

Hei­ke Fahrn­län­der: Hal­lo Maria, was hast du mitgebracht?
Maria: Ich hab ganz viel Papierkram.
Hei­ke Fahrn­län­der: Zeig mal her.

Ein Brief vom Jugendamt

Der Beratungsladen MachBar in der Putbusser Straße 29. Foto: D. Hensel
Der Bera­tungs­la­den Mach­Bar in der Put­bus­ser Stra­ße 29. Foto: D. Hensel

Maria holt fünf Brie­fe aus ihrer Tasche. Ganz oben liegt der Antrag auf Unter­halts­vor­schuss. Hei­ke Fahrn­län­der zieht ihn zu sich her­über, kreuzt an. Die meis­ten per­sön­li­chen Daten der jun­gen Frau weiß Hei­ke Fahrn­län­der aus dem Kopf. Hin und wie­der fragt sie Infor­ma­tio­nen nach und trägt sie in das Doku­ment ein. Maria beob­ach­tet wie der Kugel­schrei­ber gezielt über das Papier huscht, ihr klei­ner Sohn war­tet gedul­dig in sei­nem Kin­der­wa­gen. Der Brief, der ans Jugend­amt geschickt wer­den soll, ist fer­tig. Maria reicht Hei­ke Fahrn­län­der das nächs­te Schrei­ben über den Tisch.

Maria: Das muss ich auch ganz drin­gend aus­fül­len, mei­nen neu­en Jobcenter-Antrag.
Hei­ke Fahrn­län­der: Wann hast Du den Brief bekom­men? Oh, den hast du ja schon eine Weile.
Maria: Hm, ja. Seit letz­ten Monat.

Ein Antrag an das Jobcenter

Nun ver­tieft sich Hei­ke Fahrn­län­der in das Papier. Sie wie­der­holt laut, was sie ein­trägt, fragt nach – Maria erklärt, wenn der Sozi­al­ma­na­ge­rin die Fak­ten fehlen.

Hei­ke Fahrn­län­der: Das hät­test du auch allein aus­fül­len können.
Maria: Nee, ich komm immer nicht so klar damit.
Hei­ke Fahrn­län­der: Jetzt musst Du unter­schrei­ben und dann bringst Du das mor­gen gleich hin. Die brau­chen ja bestimmt ein biss­chen um das zu bear­bei­ten. Dann soll­test du das rela­tiv schnell abge­ben. Am bes­ten, du bringst es mor­gen gleich hin, ja?
Maria: Ja, mach ich.
Hei­ke Fahrn­län­der: So, auf den Erledigt-Stapel!
Hei­ke Fahrn­län­der: Und? Hast du schon alles orga­ni­siert für sei­nen Geburtstag?
Maria: Nee. Ich weiß auch über­haupt nicht, was ich machen soll. Viel­leicht ein biss­chen Kaf­fee, Familientreff.
Hei­ke Fahrn­län­der: Klei­ne Tor­te mit einer Kerze.
Maria: Ja.

Ein Antrag auf GEZ-Befreiung

Nun ist der Antrag auf Befrei­ung von der GEZ-Gebühr an der Rei­he. Hei­ke Fahrn­län­der füllt den Antrag aus und holt aus dem Neben­raum einen Umschlag und eine Brief­mar­ke, fal­tet den Antrag und steckt ihn in den Umschlag. Die Brief­mar­ke, erklärt sie, gehört eigent­lich nicht zum Ser­vice des Bera­tungs­la­dens. Aber gera­de bei sehr jun­gen Hil­fe­su­chen­den wie Maria mache sie eine Aus­nah­me, da sie mehr Unter­stüt­zung benö­tig­ten als ältere.

Hei­ke Fahrn­län­der: Hier, nun kannst du ihn gleich ein­ste­cken. Ich möch­te nicht, dass du ihn mit nach Hau­se nimmst und dann vier Wochen lang in der Tasche spa­zie­ren trägst, des­halb habe ich gleich ein Brief­markt drauf­ge­klebt. Nun ist er schon fer­tig und du brauchst ihn nur einwerfen.

Ein Brief vom Amtsgericht

Maria zieht einen letz­ten Brief aus der Tasche. Er kommt vom Amts­ge­richt und behan­delt „eine wei­te­re Bau­stel­le“ wie Hei­ke Fahrn­län­der erklärt. Maria hat Schul­den von etwa 1000 Euro, die aus einem Ver­trags­ver­hält­nis stam­men, das sie zusam­men mit ihrem jet­zi­gen Ex-Freund abge­schlos­sen hat. Hei­ke Fahrn­län­der liest den Brief, der aus zwei Tei­len besteht und erklärt Maria, wie die bei­den Brie­fe – einer vom Gericht, einer vom Anwalt des Gläu­bi­gers – zusammenhängen.

Hei­ke Fahrn­län­der: Der Brief vom Anwalt ist nur zur Infor­ma­ti­on, damit du weißt, was die Kanz­lei haben will.
Maria: In dem Brief steht jeden­falls, ich soll inner­halb von zwölf Wochen die gan­ze Sum­me über­wei­sen. Wenn ich das nicht kann, soll ich in der­sel­ben Frist eine Raten­zah­lung vereinbaren.
Hei­ke Fahrn­län­der: Wie viel kannst du denn?
Maria: Frag mich mal! Ich hab gar kei­ne Ahnung. Also auf jeden Fall nicht viel. So wenig wie mög­lich erst­mal. Man kann ja spä­ter immer noch erhö­hen, wenn mal eine Arbeit dazu kommt. Viel­leicht 20 Euro oder so.
Hei­ke Fahrn­län­der: Ok, ich mache das Schrei­ben fer­tig und bie­te das erst­mal an. Dann wer­den wir ja sehen.
Maria: Gut. Wenn sie nicht ein­ver­stan­den sind bringt das aber auch nichts. Ich habe ja nichts.
Hei­ke Fahrn­län­der: Das war’s? Ist ja gar nicht so viel. Hast du dich denn schon für einen Kita­platz angemeldet?
Maria: Nee, weil ich war beim Jugend­amt wegen einer ande­ren Sache und dann sag­ten die, ich soll noch mal anru­fen, sie wären erreich­bar. Aber dann hat das kei­ner abge­nom­men. Danach hat sich auch kei­ner mehr gemeldet.
Hei­ke Fahrn­län­der: Du gehst doch wegen des Unter­halts­vor­schus­ses jetzt sowie­so zum Jugend­amt. Dann steck doch gleich mal den Kopf in die Tür der Bear­bei­te­rin. Kita­platz inso­fern: Einen gan­zen Tag wer­den sie dir nicht geneh­mi­gen, aber ein paar Stun­den schon. Aber dann könn­test du auch noch mal gucken, ob du ein 400-Euro-Beschäf­ti­gungs­ver­hält­nis bekommst. Jetzt um die Weih­nachts­zeit schrei­ben vie­le Geschäf­te sol­che Jobs aus.
Maria: Das wäre eigent­lich ganz gut.
Hei­ke Fahrn­län­der: Wenn du Hil­fe bei der Bewer­bung brauchst, mei­ne Kol­le­gin Frau Ack­sel hilft dir. Oder viel­leicht doch eine Ausbildung …
Maria: Naja … ich weiß nicht.
Hei­ke Fahrn­län­der: Gut, die Bau­stel­le gehen wir dann dem­nächst an.
Maria: Na gut. Das war’s eigentlich.
Hei­ke Fahrn­län­der: Dann mach’s gut, Maria! Mel­dest du dich wenn was ist?!
Maria: Mach’ ich. Tschüss!

Die gesam­te Bera­tung dau­er­te 50 Minu­ten, einen Aus­schnitt haben wir dokumentiert.

Bera­tungs­la­den Mach­Bar, Put­bus­ser Stra­ße 29, Tele­fon: (030) 46 06 95 16, E‑Mail: fahrnlaender(at)schildkroete-berlin.de

Notiert von Domi­ni­que Hen­sel. Fotos: Hen­sel, Bera­tungs­la­den MachBar

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