Der Wedding war nicht nur Wohnort von Arbeitern, sondern auch ein bedeutender Produktionsstandort. Klangvolle Namen lassen sich ebenso mit dem Stadtteil verbinden wie eher lokal bekannte Firmen. Schwerpunkte der Industrie waren im südlichen Teil des Wedding, im heutigen Ortsteil Gesundbrunnen und an der See- bzw. Osloer Straße. Nördlich der Seestraße gab es hingegen so gut wie keine Industrie. Doch die Zeiten, in denen es im Wedding Arbeitsplätze in Hülle und Fülle gab, sind vorbei. Einige wenige Beispiele aus einer langen Liste – die sich noch fortsetzen ließe – reichen aus, um Glanz und Niedergang der Industrie im Wedding und in Gesundbrunnen aufzuzeigen:
Maschinenbau und Elektrotechnik
Ab 1888 nutzte die „Allgemeine Elektricitätsgesellschaft“ das fünfstöckige Fabrikgebäude an der Ackerstr./Feldstr./Hussitenstraße als Produktionsstätte. Bald expandierte die zum Weltunternehmen aufgestiegene Firma bis an die Brunnenstraße. Bis 1913 entstanden dort moderne Fabrikgebäude, das “Beamtentor” an der Brunnenstraße ist bis heute ein Wahrzeichen des Kiezes. 1982 endete die Produktion, und im gleichen Jahr ging der einstige „Riese“ AEG in die Knie. Nach dem Konkurs wurden einzelne Sparten des Konzerns mit Sitz in Frankfurt/Main teilweise unter neuem Namen an anderen Standorten wiederbelebt. Doch noch heute stehen viele der imposanten Fabrikgebäude, die unter anderem von der Deutschen Welle und der Technischen Universität genutzt werden.
Arzneimittel
Aus der Grünen Apotheke von Ernst Schering ging 1871 die “Chemische Fabrik auf Actien vorm. E. Schering” hervor, die sich an ihrem Standort an der Müllerstraße/Fennstraße/Sellerstraße zu einem weltweit bedeutenden Pharmakonzern mauserte – Schering brachte als erster Hersteller die Antibabypille 1961 auf den deutschen Markt. Bis 1978 wurde der riesige Traditionsstandort im Wedding zu einem modernen Forschungs‑, Produktions- und Verwaltungsgelände mit mehr als 5.000 Beschäftigten umgestaltet. 2006 endete die Unabhängigkeit der Schering AG – die Firma wurde vom Konkurrenten Bayer AG übernommen. 2011 verschwand der traditionsreiche Name ganz – aber immerhin ist der Pharmastandort bis heute mitten in Berlin erhalten geblieben.
Brot
1898 wurde an der Müller-/Utrechter Straße eine Handwerksfirma gegründet, aus der später eine Großbäckerei werden sollte. Ab 1928 produzierte die Firma Wittler-Brot an der Maxstraße in einer damals hochmodernen und nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen über Gärung ausgestatteten Fabrik ein Brot nach dem anderen. Das wurde mit markanten bordeauxroten Lieferwagen an die vielen Verkaufsstellen in ganz Berlin transportiert. Zeitweise war Wittler der größte Brothersteller Europas – mit 66.000 Broten am Tag und 2.000 Beschäftigten. 1982 war Schluss, Wittler ging in die Insolvenz. Heute befindet sich in dem Fabrikgebäude ein Pflegeheim. Am Fassadenschmuck lässt sich aber noch heute erkennen, was in diesem Gebäude einmal hergestellt wurde.
Glühlampen
Ab 1904 wurden im Wedding Glühlampen hergestellt – und zwar in der Fabrik der Bergmann Elektritricitäts-Werke AG. 1906 war bereits “Osram” gegründet worden, wobei der Name ein Kunstwort aus Osmium und Wolfram ist. Diese beiden Metalle sind besonders für Glühfäden geeignet, weil sie einen sehr hohen Schmelzpunkt haben. 1935 übernahm die Firma Osram die Bergmann-Fabriken an der Weddinger Seestraße, der Firmensitz verblieb im Stammwerk Friedrichshain. Noch bis 1990 wurden an der Seestraße Glühbirnen produziert. In den Gebäuden ist heute ein bunter Gewerbe- und Büromix, und immerhin erinnert noch der Name Osram-Höfe daran, mit welcher einst marktbeherrschenden Marke dieser Ort verbunden ist.
Sicherheitstechnik
Nicht jede Firmengründung führte am Ende zu einer weltweiten Reputation. 1887 gründete ein Schlossermeister im Wedding eine Fabrik. Die Irrungen und Wirrungen der Weltkriege und Wirtschaftskrisen überstand das kleine Unternehmen, das bis heute in Familienhand ist und dessen Name auf unzähligen Schlüsseln in Berlin prangt: Frese. Heute ist die Firma immerhin das älteste Fachgeschäft Berlins, wenn es um Baubeschlaggroßhandel und Sicherheitstechnik geht. Auch als Schlüsseldienst ist die Weddinger Firma mit Sitz an der Luxemburger Ecke Genter Straße bekannt.
Druckmaschinen
Ein technologischer Umbruch bricht einer berühmten Weddinger Firma an der Gottschedstraße das Rückgrat. Die Weddinger Firma Rotaprint “erlangte Weltruhm mit der Erfindung der ersten Kleinoffsetdruckmaschine. 1904 als Deutsche Maschinenbau- und Vertriebsgesellschaft gegründet und 1925 in Rotaprint umbenannt, wuchs die Firma kontinuierlich. Rotaprint exportierte Druckmaschinen weltweit. Die Rotaprint-Maschinen waren unersetzliche Arbeitsmittel für Behörden und Unternehmen, aber auch für die linke Gegenöffentlichkeit der 60er Jahre. Ende der 70er Jahre beginnen neue elektronische Entwicklungen wie der Fotokopierer und der Personal Printer den Kleinoffsetdruck zu verdrängen. Rotaprint gerät in Schwierigkeiten, verschiedene Rettungsversuche können den Konkurs der Firma 1989 nicht verhindern.” (Quelle: http://exrotaprint.de). Einige der markanten und auch architektonisch sehr interessanten Gebäude haben die Zeiten überdauert und sind heute Standort des Stadtraumprojekts ExRotaprint.
Orthopädietechnik
Das Familienunternehmen Hempel GesundheitsPartner wurde 2016 110 Jahre alt.
1906 gründeten die Brüder Walter und Emil Hempel die Firma. Im Laufe der Zeit ist sie weit über das ursprüngliche Kerngeschäft der Prothesenwerkstatt hinausgewachsen und hat sich mit ihren inzwischen 14 Filialen und zehn Fachbereichen zu einer festen Institution im Berliner Gesundheitswesen entwickelt. Das Stammhaus befindet sich an der Prinzenallee 84 nahe der Badstraße.
Man sollte auch die Rohrbach Werke berücksichtigen, die auf dem Gelände des heutigen Sprengel-Parks eine Halle für den Bau des damals größten Flugbootes errichteten!
Bilder und Infos u.a. unter:
http://www.architekt-wolf-berlin.de/erinnerungsstele-fuer-ehemalige-flugzeugfabrik-in-neuem-stadtteilparks-in-berlin-wedding-2005–2006.html
Wie im Artikel gesagt: Die Liste ließe sich noch fortsetzen.