Es hätte ein Sonntag wie viele andere in Mareks Saunahaus sein können, dieser 29. November 2015. Der Chef begrüßt seine ankommenden Gäste mit einem Händedruck, die beiden Saunaöfen sind aufgeheizt und verbreiten wohlige Wärme. Wie an den meisten Wochenendtagen ist auch Steffi, Mareks Frau, mit von der Partie. Sie nimmt an der Theke die Bestellungen der Gäste entgegen und führt im Wechsel mit Marek zur vollen Stunde die hochgelobten Aufgüsse durch. Es scheint, alles sei wie immer. Dennoch wissen etliche der anwesenden Gäste, dass dies der letzte Tag des Sauna-Idylls in der Bernauer Straße sein wird.
Die übermächtige Konkurrenz eines Wellness-Tempels in unmittelbarer Nähe, ein Vermieter, der wohl lieber kurzfristig hohe, als langfristig sichere Einnahmen haben will, und nicht zuletzt die Mehrwertsteuererhöhung für Saunabetriebe haben den Betrieb der Anlage im achten Jahr ihres Bestehens unrentabel gemacht. Viel zu lange hat Marek draufgelegt, aber er wollte die Flinte nicht ins Korn werfen.
Aufgeben? Marek ist keiner, der aufgibt, erst recht nicht seine Sauna. Der alte Flachbau war einst ein kleiner Supermarkt, dann ein Kiosk mit Trinkhalle und zuletzt ein Café. Marek hat kernsaniert, angebaut, umgebaut, unterkellert und noch bis kurz vor der Eröffnung im Februar 2008 die letzten Fliesen angeklebt. Dann kam dieser letzte Tag, der Tag an dem die Geschichte der Sauna in der Bernauer Straße zu einer Erinnerung werden sollte.
So werden an diesem Tag auf Gästewunsch ganz besondere Aufgüsse zelebriert: Patschuli – Hippies und die 68er unter den Lesern erinnern sich bestimmt noch an den speziellen Geruch von Räucherstäbchen und Duftkerzen. Der berühmt-berüchtigte Türsteher des Berghain, Sven Marquardt, benutzt diese Duftnote noch heute als Parfüm, wie in seiner Autobiografie zu lesen ist. Sibirische Fichte und Schweizer Kräuter steigen den Gästen noch einmal in die Nase. Und natürlich darf auch der Original-finnische Aufguss mit dem rauchigen Terva-Öl (eine Spezialität in Mareks Saunahaus) nicht fehlen. Es ist eben ein besonderer Tag, denn normalerweise war der Donnerstag der Terva-Tag.
So vergehen die Stunden. Nach und nach verlassen die Gäste die Anlage. Die, die immer da waren, blieben noch, um diese letzten Momente auszukosten. Um kurz vor Mitternacht knallen dann doch noch ein paar Korken. Bei einem Glas Sekt kommen viele der schönen Erinnerungen und lustigen Geschichten hoch und mischen sich unter die aufkommende Traurigkeit vieler Gäste. Ein allerletzter Aufguss wird durchgeführt. Der Ofen zischt ein letztes Mal. Das letzte Mal wedelt Marek seinen Gästen den heißen Dampf um die Nase. Sie klatschen für den Saunameister – nein sie klatschen für ihren Saunameister. Ein letztes Mal. Danach werden die Öfen abgeschaltet und nun für immer kalt bleiben.
“Hier schließt keine Anlage, es stirbt ein Stück Sauna-Kultur in der Hauptstadt.” So sagt es einer der Stammgäste, der immer in der obersten Reihe gesessen hat. Trefflicher kann man es nicht formulieren. Wie sehr Mareks Saunahaus fehlt, zeigt sich schon wenige Tage nach dessen Schließung: Schnell haben sich etliche der ehemaligen Stammgäste in einer Facebook-Gruppe zusammengefunden, um sich über Alternativen für den Saunabesuch auszutauschen. Nur allzu oft kann man Kommentare lesen wie: “Eigentlich ganz in Ordnung, aber die Aufgüsse kommen bei Weitem nicht an die von Marek & Steffi ran. Und auch die Atmosphäre fehlt irgendwie.”
Mareks Saunahaus ist geschlossen. Es ist traurig, aber leider wahr. Es ist nun kälter in Berlin.
Geschrieben haben den Text Holger Steinbach und Bastian Roet, die bis zur Schließung Stammgäste in Mareks Saunahaus waren.
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Wedeln für Fortgeschrittene in Mareks Saunahaus
macht marek weiter? Und wenn ja, wo? ich vermisse die Saunastube!
Ob Marek seine Geschichten wirklich zu einem Buch macht?
Ich werde sie auf jeden Fall vermissen. Und ich ärgere mich, dass ich sie dann doch nicht aufgeschrieben habe.