Es ist seit zehn Jahren ein Zeichen des Lebens auf dem ehemaligen Todesstreifen an der Bernauer Straße: das Getreidefeld rund um die Kapelle der Versöhnung. Nun ist es wieder so weit, der Roggen ist gereift. Sofern es an dem Tag nicht regnet wird er am Donnerstag (30.7.) ab 10 Uhr geerntet.
Nach dem Fall der Mauer haben Ostberliner Grün-Aktivisten um die Künstler Anna Lobeck, Peter Schwarzbach und Manfred Butzmann im Frühjahr 1990 Lupine im Mauerstreifen ausgesät. Das war der erste Versuch, wieder Leben dorthin zu bringen, wo während der deutschen Teilung viele Menschen gestorben sind. Der Roggen kam 2005 an die Bernauer Straße im Rahmen eines zunächst temporären Kunstprojektes des Bildhauers und Steinmetzes Michael Spengler. Die erste Aussaat wurde vom Berliner Landwirt Joachim Henke per Hand ausgebracht. In diesem Jahr wurde zum nunmehr zehnten Mal gesät, und nun wird geerntet.
Aussaat und Ernte gehören inzwischen zu den festen Terminen der Evangelischen Versöhnungsgemeinde. Auch für die Besucher der Gedenkstätte „Berliner Mauer“ ist das Roggenfeld ein obligatorischer Stopp auf ihrem Rundgang.
Die Versöhnungsgemeinde hat bereits seit 2006 Unterstützung durch die Berliner Humboldt-Universität. Studenten helfen und der Universitäts-Landwirt Gerd-Uwe Bösche bearbeitet mit neuester Technik den halben Hektar Boden, sät und erntet. Bei der Roggenernte kommt so ein Parzellenmähdrescher der universitären Lehr- und Forschungsstation zum Einsatz. Das geerntete Korn wird übrigens von einem Bio-Bäcker vermahlen und für die Kirchengemeinde verbacken.
Erntetermin 2015
Geerntet wird am 30. Juli ab 10 Uhr. Bei Dauerregen wird die Ernte auf die Folgetage verschoben.
Text und Fotos: Dominique Hensel