Gerade einmal 60 bis 70 Menschen fanden am vergangenen Wochenende den Weg ins Brunnenviertel, um sich auf der 1. Berliner Mietermesse über Mieter, Mieterinitiativen und Mietervernetzung zu informieren. Wahrscheinlich ist das Format Messe noch ungewohnt. Dabei wäre gerade jetzt wichtig zu diskutieren, wo sich die Mieterinteressen langsam zu politische Forderungen finden, welches eigentlich das zu erreichende Ziel der Mieter ist.Eine Messe der Mieter?
„Es gibt viele Mieterinitativen in Berlin, es wäre schön, wenn diese nicht nur digital in Kontakt treten, sondern auch persönlich“, beschreibt die Organisatorin Bianca Limbach ihre Idee zu einer Mietermesse. Deshalb wollte sie vor allem Mieterinitiativen zur Messe einladen. Leider waren nur zwei Stände dieser Kategorie wirklich zuzuordnen.
Gelungen war hingegen die Podiumsdiskussion. Dr. Andrej Holm, Stadtforscher an der Humboldt-Universität, kann man als den intellektuellen Kopf der Gentrifizierungsgegner bezeichnen. Katrin Rothe hat sich mit ihrem Film „Betongold“ einen Namen nicht nur in Berlin gemacht. Wer sich mit den Mieterinitiativen in Berlin beschäftigt, kennt auch Sven Fischer von der Initiative Kopenhagener 46. Außerdem diskutierte mit auf dem Podium die Rechtsanwältin Carola Handwerg. Die Leitung hatte Diane Arapovic, die gerade das Radio-Projekt „Suche Wohnung am Görlitzer Park” betreibt.
Soweit zum Rückblick auf die Mietermesse.
Ab hier Kommentar:
Der Preis einer Wohnung
Eine Wirkung der Mietermesse ist, dass auch an dieser Stelle auf diesem Blog über Mieten nachgedacht wird. Zumeist wird bei diesem Thema über Staatszuschüsse gestritten – in Form von billigem Bauland (Vermieter) oder Wohnungen im Besitz von öffentlich rechtlichen Anstalten (Mieterinitiativen). Bevor man in eine solche Diskussion einsteigt, sollte man erst einmal verstehen, dass Wohnungen teuer sind. Wer für 2.000 Euro pro Quadratmeter eine Wohnung kauft oder baut, muss 20 Jahre 10 Euro pro Quadratmeter zurückzahlen, bevor er Geld für Reparaturen, Ausbesserungen oder Neuerungen zurücklegen kann. (Wer mit 40 Jahren Rückzahlung rechnet, hat nach dieser Zeit eine ziemlich runtergekommene Wohnung.)
Verdrängung oder Eigenverantwortung?
Die Mietermesse ist Anlass, einmal über die aktuelle Diskussion nachzudenken. Eben weil Wohnungen und Häuser teuer sind, werden in der Debatte Staatszuschüsse gefordert. Begründet wird dies gern mit dem Argument, Verdrängung ist nicht hinnehmbar. Die Frage ist allerdings, ob wirklich Verdrängung das Problem ist oder ob Verdrängung wie Regen zum Leben dazugehört. Im Brunnenviertel (wo der Autor wohnt) tauschten die Bewohner sich aufgrund des Massenabrisses in den 60er und 70er Jahren aus. In den 90er Jahren wurden Normalverdiener über die Fehlbelegungsabgabe aus dem Brunnenviertel vergrault (danach galt das Brunnenviertel als sozial abgestürzt). Manchmal kommt es sogar so vor, dass die einstigen Verdränger nach einiger Zeit von anderen verdrängt werden. Nur: Will man in einer lebendigen Stadt den Stillstand einer Reihenhaussiedlung?
Worauf es doch in einer Mieterstadt ankommen sollte, das ist nicht das Wohnen auf Lebenszeit, sondern die Frage, wie es gelingen kann, dass auch einkommensschwache Haushalte sich von den kurzatmigen Zielen wechselnder politischer Moden einerseits und den Zielen von Wohnungseigentümern befreien können. Wie gelingt es, dass die Nachfrage nach Wohnungen der Menschen in den unteren Gehaltsgruppen – denen der freie Wohnungsmarkt wenig Angebote machen kann – auf ein Sortiment trifft?
Statt um Verdrängung sollte es um Fragen gehen, wie: Braucht es nach dem Vorbild der Krankenversicherung vielleicht eine Wohnungsversicherung? Oder braucht es analog zum Bausparen ein Genossenschaftssparen?
Was fehlt in Berlin sind nicht Sozialwohnungen und natürlich auch nicht Wohnungen des freien Marktes, sondern Mieterwohnungen. Und insofern noch jede Menge weiterer Mietermessen.
Hintergrundinfos
Die 1. Berliner Mietermesse wurde organisiert von Bianca Limbach vom Verein Clever e.V. Finanziell unterstützte die Messe die IKEA-Stiftung.
Text und Fotos: Andrei Schnell