Wieder einmal findet eine literarische Lesung im Wedding statt. Mitte Mai geht es im Café der PA58 zur Sache. Nach zwei WeddingExpress-Lesungen im Herbst 2023 und Herbst 2024 mit Texten über unseren Stadtteil Wedding ist nun als Thema Berlin ab 1989 angesagt.
Was geschah seither und wie ist das, was geschah und unser Berliner Leben auf den Kopf stellte, in den heutigen Romanen und Kurzgeschichten erzählt?
Berliner Autorinnen und Autoren sind diesmal vertreten mit eigenen Texten, in medias res, ihre Erfahrungen, Beobachtungen und Ideen präsentierend. Daneben werden auch Bestseller in Textpassagen vorgetragen, teils wuchtig, teils beflügelnd durch Phantasien zum urbanen Leben.

Das Leseteam WeddingExpress2 im Puttensaal der Luisenbadbibliothek Foto: S. Terhardt
In den vergangenen zwei Jahren fanden in der Schillerbibliothek (2023) und in der Luisenbadbibliothek (2024) mit regem Zulauf zwei Lesungen zum Wedding statt.
Es gab viel zu lachen, denn der Wedding ist gut „besungen“, da sich etliche Schriftsteller auch in Mundart zum Weddinger Leben äußerten und die Robustheit der Weddinger in deren Dialoge auf Berlinisch, ein Metrolekt, so richtig beherzt zur Geltung kommen lassen.
Nicht nur Jonny Liesegang als Mundartdichter hat sich schriftstellerisch verewigt, sondern auch die Brauseboys mit einer lange Zeit im Wedding fest verankerten Lesebühne. Sie machen sich bemerkbar mit scharfem Blick auf die Weddinger, wie sie heute “leiben und leben” und nehmen mit gepfefferter Wortwahl kein Blatt vor den Mund.
In beiden Lesungen war Brauseboy Frank Sorge als geborener Berliner dabei und wird auch bei BerlinExpress wieder lesen, denn er berlinert von Natur aus vorbildlich und authentisch, und selbstverständlich auch in seinen eigenen Kurzgeschichten.
Das Berlinerische „Icke“ ist seit 2017 im Duden verankert und mit einem Online-Wörterbuch Berlinisch-Deutsch, Deutsch-Berlinisch kann man sich als Zugezogene/r nicht nur vorbereiten, sondern zudem googeln und gelegentlich nachbereiten, was man unterwegs in unserer Stadt “nisch zu kapieren” zu hören bekommt. Denn die alten Berliner berlinern noch und die Märker – so ähnlich – märkern.
In der zweiten Lesung am Luisenbad gab es zudem politische Texte zum historischen Geschehen in Gesundbrunnen, denn der Wedding war einst rot, also kommunistisch rot, und der Blutmai 1929 ist detailliert und anschaulich niedergeschrieben worden. Auch Otto Nagel, der 10 Tage nach der Lesung 100 geworden wäre, schildert als Kommunist die Lebenswelten der hungernden Arbeitslosen in der damaligen Wirtschaftskrise realistisch und liebevoll in seinem einzigen Roman, den er neben seinem großen Werk als Maler des Proletariats hinterließ.


v.l. Thomas Kilian und Renate Straetling WeddingExpress_1 (2023), Gruppenfoto WeddingExpress_1 (2023)
Die Lesungen werden vom Soldiner Kiez e.V. organisiert, und ich, Renate Straetling, auch Vereinsmitglied, erstelle wieder das literarische Konzept und leite das Team bis zum Tag der Aufführung durch alle – im übrigen viele – organisatorischen Anforderungen. Viele Lesestunden, Absprachen, Telefonate, Anträge und immer wieder mehr als 300 E‑Mails sind nötig, um die Sache bis zur finalen Fassung für die Aufführung aufzubereiten. Wolfgang Weber assistierte und steuerte erfolgreich Kontakte aus seinen etlichen Lese- und Schreibbühnen bei.
Aus‘m Wedding für
’n Wedding ist ein zutreffender Ausdruck dafür, dass alle Beteiligten, die Vereinsfreunde wie die Autor*innen (teils auch aus anderen Berliner Kiezen) und Vorleser*innen aus dem Wedding sind und jede/r von uns in Weddinger Kulturprojekten aktiv ist und als Multiplikator*in wirkt!



WeddingExpress_2, Luisenbadbibliothek ‘24: Fotos von ob. lks nach re.: Frank Sorge, Thomas Kilian, Renate Straetling
Mitte Mai 2025 geht es um Berlin nach 1989, etliche Schreiber*innen aus umliegenden Kiezen kommen hinzu, und es liegt der Schwerpunkt auf den zeitgenössischen Bucherscheinungen und Texten. Es wird gedichtet, es wird im Dialog vorgetragen werden, Romanausschnitte aus migrantisch orientierten Inhalten und ebenso Geschichten über das, was die Berlinerinnen und Berlin so sehr lieben, ob Kneipensause, Dating oder Feminismus! Stories darüber werden rankommen.
Und natürlich beginnt die Lesung mit dem 9. November 1989, einmal von anderen Orten aus gesehen als üblicherweise von der Bösebrücke, diejenigen Brücke, die genau zwischen Gesundbrunnen (Mitte) und Pankow liegt und einen Grenzübergang hatte, wo an diesem weltbewegendem Abend der Schlagbaum das erste Mal zwischen Ost und West hochging.

Lassen wir uns mit Herz, Seele und Verstand überraschen von den Angelegenheiten unserer Zeit, von den Turbulenzen, Ungereimtheiten und Konflikten der vergangenen Jahrzehnte, der Phase der Baukräne und Baugerüste, und lassen Sie uns die Stimmung eines gemeinsamen Maiabends mitten im Soldiner Kiez genießen!
Eintritt frei! Herzlich willkommen!
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Veranstaltungen des Soldiner Kiez e.V.