Jedes Jahr am 2. Oktober wird abends der Gleimtunnel zwischen Wedding und Prenzlauer Berg für den Autoverkehr gesperrt, weil dann die Gleimtunnel-Party stattfindet. In diesem Jahr wurde dort jedoch viel gebaut und bis vor kurzem war der Tunnel einseitig gesperrt – das hat die Sponsoren verunsichert und nun fällt die achte Gleimtunnel-Party aus. In dem Jahr, in dem der Mauerfall vor 25 Jahren ganz groß gefeiert wird, wird gerade das grenzüberschreitende Ereignis an diesem geschichtsträchtigen Ort nicht begangen.
Rein und durch und raus: Im Gleimtunnel ist es trotz Straßenbeleuchtung dunkel und unheimlich, es tropft von der Decke und Passanten halten sich selten länger in Eisenbahnkreuzungsbau auf als sie müssen. Immer am 2. Oktober gehen die Diskolichter an. An allen anderen Abenden und Tagen im Jahr ist der Gleimtunnel einer von vielen Straßentunneln in Berlin. Doch er ist ein Bauwerk mit einer bewegten Geschichte.
1904 wurde der Fußgängertunnel als Unterquerung der Berliner Nordbahn fertig gestellt. Durch ihn gelangten unter anderem die Arbeiter vom Prenzlauer Berg zu den Fabriken im Wedding, zum Beispiel zur AEG. In den letzten Monaten des Zweiten Weltkrieges war der Tunnel heftig umkämpft. Von 1961 bis 1989 schließlich lag der Gleimtunnel im Grenzgebiet der DDR, er war Teil der Berliner Mauer. Anders als andere Tunnel ist er dadurch noch fast ursprünglich erhalten. Nach dem Mauerfall wurde der Gleimtunnel 1990 zunächst für den Fußgängerverkehr geöffnet. Nach der Sanierung konnten ab 1993 auch wieder Autos hindurch fahren.
Heute ist die denkmalgeschützte Passage eine wichtige Ost-West-Verbindung im Berliner Straßennetz, er verbindet darüber hinaus zwei sehr verschiedene Stadtteile. Er ist bei Autofahrern eine willkommene Parkfläche, er ist auch Kunstaktionsraum. Manche empfinden den Tunnel wegen der Dunkelheit im Inneren eher als trennend. Doch einmal im Jahr ist die 130 Meter lange und 23 Meter breite Unterführung ganz lebendig und wirklich verbindend. Dann feiern Ost und West zwischen den 80 gusseisernen Hartungschen Säulen gemeinsam in den Tag der deutschen Einheit hinein – doch leider erst wieder im nächsten Jahr … falls nicht die Bauarbeiten für die geplante Nordbebauung der Mauerpark-Erweiterungsflächen wieder einen Strich durch die Rechnung der Party-Organisatorinnen Wiebke Bierwald und Leyla Sirma machen.
www.gleimtunnelparty.wordpress.com
Text und Fotos: Dominique Hensel