Die Anzahl der Suchtkranken, die sich Tag für Tag auf dem Leopoldplatz treffen, geht zusehends zurück. Im hinteren Bereich entwickelt sich der neu gestaltete Maxplatz zu einem beliebten Treffpunkt der Nachbarschaft. Auf der anderen Seite machen viele einen Bogen um den “eigentlichen” Leo. Ein Fest, das der Bezirk dort im Juli veranstaltete, blieb jedenfalls praktisch unbesucht. Der neue Maxplatz dagegen funktioniert.
Die Umgestaltung, die vom Büro “Planung Freiraum” der Landschaftsarchitektin Barbara Willecke in regem Kontakt mit der Nachbarschaft konzipiert wurde, ist ein voller Erfolg. “Hier sitzen inzwischen sogar nachts im Sommer die Leute zusammen und quatschen”, erzählt Sven Dittrich von der Initiative WirAmLeo, der direkt gegenüber wohnt. Um Ostern hatte er mit der Initiative WirAmLeo noch Alarm geschlagen, weil sich ein Teil der Dealer-Szene vom vorderen Leo hierhin zu verlagern drohte. Sven Dittrich ist dankbar für die prompte Reaktion der Polizei. “Deren starke Präsenz auf dem Leopoldplatz begrüßt unsere Initiative sehr. Sie wirkt sich sehr positiv aus. Allerdings lässt sie sich in dieser Intensität wohl nicht dauerhaft aufrechterhalten.”
Im vergangenen Sommer war der Leopoldplatz oft von mehr als hundert Suchtkranken gleichzeitig belagert. Heute sieht man auf dem “Aufenthaltsbereich” neben dem Container der Streetworker von “Fixpunkt” meist nur ein bis zwei Dutzend Personen. Dieser Bereich wurde vor etwa zehn Jahren zusammen mit der lokalen Trinkerszene eingerichtet, um sie vom besonders exponierten Teil des Leo vor der Alten Nazarethkirche fernzuhalten. Schwer Suchtkranke aus allem möglichen Ländern hatten die lokale Szene jedoch mit der Zeit verdrängt (inzwischen zeigt letztere allerdings wieder mehr Präsenz). Viele der Suchtkranken konsumieren nicht nur Heroin, sondern auch Crack. Der Leopoldplatz hatte sich zu einem Berliner Hauptumschlagplatz für diese extrem harte Droge entwickelt.
Die ständigen Kontrollen der Polizei entfalten ihre Wirkung nicht nur wegen festgestellter Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz. Oft haben die Kontrollierten auch noch andere Probleme mit dem Staat: offene Haftbefehle wegen nicht bezahlter Geldstrafen zum Beispiel oder gerichtliche Vorladungen, denen sie nicht nachgekommen sind. Auch Abschiebungen spielen wohl eine Rolle (mit immer mehr Ländern der ehemaligen Sowjetunion schließt Deutschland derzeit Rücknahmeabkommen).
Natürlich verlagert sich der Drogenhandel auch, etwa zum Umfeld des U‑Bahnhofs Osloer Straße oder in den Kleinen Tiergarten. Dennoch: Ein großer und überregional bekannter Umschlagplatz für harte Drogen zieht permanent neue Kundschaft an und entwickelt mehr destruktive Kraft als viele kleine. Im vergangenen Jahr konnte man diese Dynamik gut beobachten: Die Zustände zogen den ganzen Stadtteil nach unten.
Die Bänke auf unserem Foto, die teilweise mit schierer Gewalt beschädigt worden waren, können zwar repariert werden (der Auftrag ist bereits ausgeschrieben). Aber es wird noch einige Zeit brauchen, bis sich auf dem Leopoldplatz wieder ein normales Sicherheitsgefühl einstellt. Permanente Gewaltakte innerhalb der Dealerszene, vor allem aber die Beschaffungskriminalität in der Umgebung haben den Bereich mit Unsicherheit aufgeladen und das Grundvertrauen dort schwer beschädigt. Es ist so, als ob ein Fluch auf dem Leopoldplatz laste.
Davon konnte sich Bezirksbürgermeisterin Stefanie Remlinger am 21. Juli beim “Großen Fest der Begegnung” des Bezirksamtes Mitte auf dem Platz selbst überzeugen: Trotz großer Bühne und professioneller Bands kamen nur wenige Besucherinnen und Besucher – was kaum verwunderlich ist angesichts der Sommerferien und der extrem kurzen Vorbereitungszeit des Festes. Zwar lassen sich Stadtteilfeste während der Urlaubszeit auch anderswo nicht eben mal so aus dem Ärmel schütteln. Aber am Leo ist es besonders angebracht, möglichst viele Menschen rechtzeitig an der Vorbereitung zu beteiligen: aus den Jugendeinrichtungen im Umfeld zum Beispiel, den Schulen und der Musikschule, den Sportvereinen, Kirchengemeinden, Moscheen etc. Denn mit dem vorderen Platzteil verbinden viele Anwohner aktuell unschöne Eindrücke. Man kommt nicht unbedingt gern hierher und man erzählt sich entsprechend auch nicht, dass man gehört hat, hier fände demnächst ein großes Fest statt.
Text: Christof Schaffelder
Dieser Artikel ist zuerst in der Sanierungszeitschrift Ecke Müllerstraße erschienen.
Vielleicht könnte der Leopoldplatz wieder (wie vor 15–20 Jahren) ein Treffpunkt für die Menschen aus dem Kiez werden, wenn dort wieder ein Wochenmarkt so wie es ihn früher gab, stattfinden würde.
Statt große Leere und Stände mit Billigwaren: Käse‑, Wurst‑, Fisch- und Gemüsestände und Imbisswagen.
Ich fahre jetzt öfter zum Antonplatz, heute auch wieder und genieße diese Atmosspäre. Ist zwar weit, aber mit der Tram komme ich direkt dorthin.
Es gibt doch den Genter Wochenmarkt hinter unserem Rathaus, der viel näher und groesser ist als der kleine Markt am Antonplatz!
Die beiden Märkte sind nicht vergleichbar, hier enges beieinander von Ständen, dort Platz zwischen den Ständen und die Möglichkeit sich hinzusetzen, in Ruhe Kaffee (und leckeren Kuchen) zu trinken oder etwas zu essen. Auch das Angebot ist nicht vergleichbar.
Ich bin sehr skeptisch gegen Initiativen, die andere Menschen verdrängen. Naheliegende Frage: Wer ist als nächstes dran?
Gerade im Wedding haben zu allen Zeiten auch die Armen und Suchtkranken gelebt. Es kommt auf das Miteinander an! Vor allem hätte das Café nicht geschlossen werden dürfen.
Zu feiern gibt es nichts!
Sicher doch, es war immer ein gewisses Milieu, was man auch irgendwie möchte, akzeptiert hat und was zum Alltag gehörte! Aber jetzt ist es eine zunehmende Verwahrlosung dieses Bezirks… Die Müllerstrasse war der Ku’damm des Nordens, das ist lange, lange vorbei!
Was mir bei der Berichterstattung zur Drogenproblematik, nicht etwa nur der am Leopoldplatz, zu kurz kommt, ist eine zumindest kurze Hinterfragung der als anstößig empfunden Protagonisten. Es gab zu allen Zeiten Menschen, die ihr Dasein nur noch im Rausch ertragen konnten. Ja, es sind Kranke. Die Regel, ihre Karriere bedingt durch unzureichende Sozialisation am falschen Ort und in schlechter Gesellschaft. Aber, sie sind eben auch Täter; erst ihre unstillbare Nachfrage halten die durch und durch brutalisierten Hersteller- und Lieferdienste am Laufen. Schreiben sie mal etwas über die Dualität der Rolle von Junkies. Gäbe es keine Nachfrage, würde der Markt morgen kollabieren. Nicht, daß das sich die Versorger fortan redlichen Betätigungsfeldern zuwenden würden, das ist klar.
Was aus meiner Stadt Berlin geworden ist, frage ich mich seit 20 Jahren, denn da fing es langsam an, schlechter zu werden! Osloer Straße und Leo waren von je her auffällige Orte, der Schäfersee kam später dazu! Es ist so erbärmlich, dass die Weddinger Kieze so untergekommen sind… Es waren mal tolle Zeiten!
Ja, Sie völlig haben Recht. Das Metaphysische, das Transzendentale im Menschen sucht sich sonderbar subtile Auswege, um sich der Teilhabe oder gar dem Mittun an unerwünschten Prozessen zu entziehen und das Bewußtsein vor aufdringlicher Anteilnahme am Realen zu schützen. Sedative wie Euphemismus oder Lethargie sind die Mittel der Wahl, sich von befremdlicher Wirklichkeit fern zu halten, verlieren allerdings an Wirksamkeit je eindringlicher sie gefordert sind. Ich selbst begreife zunehmend, in einem mir fremd gewordenen Stadtteil, also im Wedding, zu leben, in einer Gesellschaft, der ich mich nicht mehr zugehörig fühlen kann. In dem mir seit meiner Kindheit bekannten heimatlichen Lebensraum haben sich aus einst kontrastreichen Dissonanzen eines Arbeiterreviers trostlose Entfremdung und derbe Antagonismen eines Zuwandererghettos geformt. Der Einheimische sucht angestrengt nach Kontinuitäten, die er nicht mehr findet. Zugezogenen muß eine derartige Perspektive fremd bleiben. Sie suchen nach Auswegen im Kiezidyll.
Ob Leopoldplatz, Osloer Str. oder Schäfersee, Berlin versinkt immermehr im Dreck und Drogensumpf. Was ist aus meiner Stadt geworden. Am Schäfersee kann man sich nicht mal mehr auf eine Bank setzen, weil die von Obdachlosen okupiert werden, die dort schlafen. Die Toiletten unbenutzbar, weil Drogensüchtige sich dort einen Schuss setzen. Ich will hier eigentlich nur noch weg.
Am Schäfersee kann man sich nicht mehr setzen, weil am Ufer seit Jahren gebaut wird und alles abgesperrt ist – und niemand weiß warum da gebaut wird!
Davor war es am Schäfersee kein Problem.
Dazu passt der Artikel im heutigen Tagesspiegel (10.9.)„der allerdings hinter der Bezahlschranke ist:
https://www.tagesspiegel.de/berlin/weddings-crackszene-wandert-zur-osloer-strasse-es-ist-ein-drogenumschlagplatz-vor-einem-spielgelande-fur-kinder-12331880.html
Quasi Bereinigung durch Verdrängung!