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Neues Büro- und Wohnhaus an der Lynarstraße:
Warum ein belgischer Immobilienentwickler trotz Krise Büros im Wedding baut

8. Juli 2024
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Eigent­lich herrscht Immo­bi­li­en­flau­te in Deutsch­land. Beson­ders im Bereich der Büro­im­mo­bi­li­en tut sich wenig: Nach Coro­na ist die Nach­fra­ge völ­lig zusam­men­ge­bro­chen. Bei gerin­gem Wirt­schafts­wachs­tum wer­den kaum zusätz­li­che Büro­flä­chen benö­tigt, die­ses kon­junk­tu­rel­le Auf und Ab ist aber nor­mal. Der­zeit kommt jedoch ein ande­rer Fak­tor hin­zu: Immer mehr Men­schen arbei­ten inzwi­schen im Home-Office – ent­spre­chend weni­ger Flä­chen müs­sen die Unter­neh­men anmie­ten. Die Nach­fra­ge nach Büro­flä­chen sta­gniert des­halb nicht nur, sie sinkt. Die Ver­mark­tung von neu­en Büro­im­mo­bi­li­en wird immer schwerer. 

Damals noch mit HEM-Tank­stel­le: Mül­ler-/Ly­n­ar­stra­ße. Foto: Kevin Schulzbus

Mel­dun­gen über den Bau­be­ginn von Büro­häu­sern sind des­halb der­zeit sehr rar, selbst in Ber­lin, wo die wirt­schaft­li­che Flau­te mil­der ver­läuft als im rest­li­chen Bun­des­ge­biet. Auf der Web­site „entwicklungsstadt.de“, die aus­führ­lich über aktu­el­le Bau­pro­jek­te in der Stadt infor­miert, fin­den sich jeden­falls kaum aktu­el­le Büro­haus­pro­jek­te. Und wenn doch, dann geht es wie beim Kar­stadt-Grund­stück am Leo­pold­platz meist um eher abs­trak­te Zukunfts­pla­nun­gen oder um kon­kre­te Pro­jek­te für Bun­des­be­hör­den oder Ver­bän­de. Des­halb sticht eine Nach­richt wie die vom Beginn der Bau­ar­bei­ten auf dem Eck­grund­stück Mül­ler- / Lyn­ar­stra­ße der­zeit her­aus. Dort soll ent­lang der Mül­lerstra­ße ein sechs­ge-schos­si­ges Büro­haus ent­ste­hen und an der Lyn­ar­stra­ße ein sie­ben­ge­schos­si­ges Wohn­ge­bäu­de. Die Bau­ge­neh­mi­gung ist erteilt und auch sanie­rungs­recht­lich hat der Bezirk bereits zuge­stimmt. Die Tank­stel­le der sonst vor allem im Ham­burg akti­ven Mar­ke „HEM“ wur­de ober­ir­disch schon im ver­gan­ge­nen Jahr abge­ris­sen. Mit dem kom­pli­zier­ten Rück­bau der unter­ir­di­schen Tank­an­la­gen wur­de jetzt begon­nen. Die Bau­vor­be­rei­tung läuft also auf vol­len Touren. 

Bau­herr ist die „Mül­lerstra­ße 168 GmbH“ mit Sitz in Ber­lin. Dahin­ter steht der Pro­jekt­ent­wick­ler Equi­lis, der im fran­zö­sisch­spra­chi­gen Teil Bel­gi­ens ansäs­sig ist. Im Herbst, so kün­digt er in einer Pres­se­er­klä­rung an, sol­len die genau­en Pla­nun­gen für das Pro­jekt der Öffent­lich­keit vor­ge­stellt wer­den. Dann wird auch der Bau­be­ginn und der Zeit­punkt der geplan­ten Fer­tig­stel­lung ver­kün­det. Equi­lis wur­de 2006 von Carl Mestdagh gegrün­det, der als Unter­neh­mer auch noch in der Phar­ma­zie­bran­che aktiv ist. In sei­ner Fir­ma Kito­Zy­me stellt er vega­ne Nah­rungs­er­gän­zungs­mit­tel aus Pil­zen her. Sei­ne ande­re Fir­ma Equi­lis ent­wi­ckelt und rea­li­siert Immo­bi­li­en­pro­jek­te in einem brei­ten Spek­trum: von Gewer­be- und Wohn­im­mo­bi­li­en über Büros, Senio­ren- oder Stu­den­ten­woh­nun­gen und Frei­zeit­an­la­gen bis hin zu Ent­wick­lung von kul­tu­rel­len und öffent­li­chen Räu­men. Bis heu­te hat das Unter­neh­men nach eige­nen Anga­ben mehr als 300.000 qm Flä­che und gut 1.500 Wohn­ein­hei­ten fer­tig gestellt. Ent­wi­ckelt wer­den der­zeit wei­te­re 210.000 qm und 7.700 Wohn­ein­hei­ten in ganz Euro­pa, vor allem in Bel­gi­en und in den Nie­der­lan­den, aber auch in Frank­reich, Spa­ni­en, Por­tu­gal, Polen und seit 2019 auch in Deutsch­land. In der Regel ver­äu­ßert ein Pro­jekt­ent­wick­ler sei­ne Immo- bilen nach der Fer­tig­stel­lung – und hat dabei natür­lich die Absicht, einen Gewinn zu erzielen. 

Wenn Equi­lis trotz der gegen­wär­ti­gen Markt­flau­te sei­ne Bau­vor­be­rei­tun­gen an der Ecke Lyn­ar­stra­ße nicht unter­bricht, dann scheint die Fir­ma für die Ver­mark­tung des Objekts kei­ne Pro­ble­me zu erwar­ten. Denn die Lage des Grund­stücks ist sel­ten gut: Es liegt einer­seits in der Nähe gro­ßer Leucht­tür­me im Medi­zin- und Phar­ma­zie­be­reich wie Bay­er Health­Ca­re, der Cha­ri­té und dem Robert-Koch-Insti­tut. Und mit inter­na­tio­na­len Unter­neh­men aus der Phar­ma­zie­bran­che ist der Fir­men­grün­der von Equi­lis ja gut ver­netzt. Dazu kommt die Lage unmit­tel­bar neben dem U – und S‑Bahnhof Wed­ding – also nicht nur an der U6 und am S‑Bahn-Ring, son­dern ab Ende die­ses Jah­res auch noch an der neu­en Stre­cke S21. Die ver­läuft zwar zunächst nur bis zum Haupt­bahn­hof, soll spä­ter aber als zwei­te Nord-Süd-S-Bahn wei­ter zum Pots­da­mer Platz und zum Süd­kreuz füh­ren. Eine bes­se­re Lage für Phar­ma­zie-Unter­neh­men wird es dann in Ber­lin kaum geben.

Text: Chris­tof Schaffelder

Die­ser Text erschien zuerst in der Zeit­schrift “Ecke Müllerstraße”

Anmer­kung der Redak­ti­on: Laut den Ent­wick­lern soll das Haus außer­dem eine Solar­fas­sa­de erhal­ten und teil­wei­se in Holz­baus­wei­se ent­ste­hen. Die Prei­se für Büros wer­den aktu­ell mit min­des­tens 30€/m², die Apart­ments mit 20–25€/m² anvisiert. 

Gastautor

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1 Comment

  1. Span­nend – schön zu lesen, dass dort nach der Insol­venz des vori­gen Bau­trä­gers kei­ne depri­mie­ren­de Bra­che ent­steht. Wobei, eine Piss­flä­che wäre schon schön – ggf. könn­ten sich die Obdach­lo­sen dann dazu ani­mie­ren las­sen, nicht genau dort hin­zu­pis­sen wo täg­lich tau­sen­de Men­schen in die Bahn stei­gen wollen…

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