„Made in Wedding“– Bier, Gin, Kunst, zwei Tage kalt fermentierter Pizzateig, produziert wird hier allerhand. Aber nur selten schaffen es wahre Weddinger Originale über die Grenzen Berlins oder sogar Deutschlands. Dabei gibt es einen wahren Exportschlager, der aus dem Wedding kommt und schon lange sämtliche Landesgrenzen überwunden hat. Aber kaum ein Weddinger weiß, wovon hier die Rede ist: Die TV-Produktion von Deutsche Welle.
Voltastraße, Gesundbrunnen, ein alter Industriehof. Hohe, backsteinrote Gebäude, Krananlagen und alte Gleise zeugen von der Geschichte des ehemaligen AEG-Geländes. Noch im 19. Jahrhundert waren hier der städtische Schlachthof, private Schlachthäuser und der Viehmarkt zu finden. Als die „Allgemeine Elektricitätsgesellschaft“ –AEG– das Gelände 1895 kaufte, begann auch der Bau der noch heute so markanten Fabrikbauten.
Knapp 80 Jahre war der Wedding Standort des Konzerns, der ihn dann aber notgedrungen verließ. Die freigewordenen Räumlichkeiten waren die Chance für kleine und große Unternehmen und Organisationen, sich im Wedding anzusiedeln. Und genau damit gelang dem Areal der Sprung in die Moderne. Mit dem dort nun ansässigen Fraunhofer Institut, dem Biotechnologie-Institut der Technischen Universität Berlin und den Deutsche Welle (DW) News ist zwar kein „Silicon Wedding“ entstanden, aber die industrielle Arbeitertradition ist gänzlich verschwunden.
Immer in Kontakt
Stattdessen hat DW hier ihren Produktionsstandort ausgebaut; mitten im Wedding wird produziert, geschnitten, vertont. Vier Fernsehkanäle der DW senden in vier Sprachen live aus dem Wedding, nur wenige Meter vom Humboldthain entfernt. Auf Englisch, Deutsch, Spanisch und Arabisch werden Menschen in aller Welt mit dem aktuellsten der internationalen Nachrichten versorgt – pro Woche nutzen etwa 90 Millionen Menschen den TV-Service. Vor allem die englischsprachigen DW News sind mit ihrem 24h-Sendetag eine Alternative zu den Sendern CNN und BBC. Eigene Studios in Washington, Brüssel, Moskau, Bogotá, Kiew und Istanbul sowie Korrespondenten in Lagos, Jerusalem, Bangkok und vielen anderen Städten der Welt unterstreichen den globalen Anspruch des Senders. Ebenso das TV-Studio selbst, in dem Moderatoren stehend, sitzend und laufend vor einer interaktiven Videoleinwand agieren. Nichts deutet mehr daraufhin, dass sich dieses Studio in einer alten Werkshalle befindet, in der einst Motoren und Dynamomaschinen gefertigt wurden.
Der Weddinger Industriekomplex an der Voltastraße wurde 1996 durch einen Neubau nach Plänen des Berliner Architekten Josef Paul Kleihues erweitert. Seitdem nutzt DW nicht nur weite Teile der ehemaligen Fabrikgebäude, sondern sicherte sich auch mit elf Etagen wahrscheinlich den besten Ausblick des ganzen Areals. Der Neubau beherbergt unter anderem den Haupteingang, das DW- Restaurant und die bis zu sieben Meter großen Satellitenschüsseln auf dem Dach. Gleichzeitig ist der Stahlbetonbau Verbindungsstück und schloss eine Lücke, die zwischen den alten Industriegebäuden bestand.
Arbeiten im Wedding
Etwa 1000 Menschen sind freie oder feste Mitarbeiter in Berlin. Die Kolleginnen und Kollegen sind bezüglich ihrer Herkunft so bunt und divers wie der Wedding selbst: Irland, die USA, Simbabwe, Ruanda, Ungarn, Spanien, Ägypten, Libanon, Deutschland, Großbritannien, Palästina, Jordanien, Neuseeland, Indien, Italien, Türkei, Kanada, Kroatien, Georgien und Syrien sind nur einige der knapp 60 Nationen, aus denen Mitarbeiter der DW stammen. Kein Wunder also, dass sich einige im Wedding so wohl fühlen, dass sie dort auch wohnen.
Eines der bekanntesten Gesichter der Deutschen Welle ist Jaafar Abdul Karim. Der Deutsche mit libanesischen Wurzeln moderiert für den arabischen Kanal „Shabab Talk“ und diskutiert dort gesellschaftliche Entwicklungen in der arabischen Welt. Trennung von Religion und Staat, die Rolle der Frau oder Vorurteile gegenüber Muslimen – Shabab Talk fasst auch kontroverse Themen an. Dafür ist Jaafar Abdul Karim unter jungen Arabern weltweit bekannt und beliebt.
Sogar Michel Friedman erwischt man manchmal auf dem Flur. Gleich zwei Shows moderiert der ehemalige „Vorsicht Friedman!“ Talkmaster für DW. Auf Deutsch sinniert er im philosophischen „Auf ein Wort…“ mit ausgewählten Gästen über das Böse in der Welt, über Scham oder das Glück im Leben. Im englischen Programm ist er im Wechsel mit Tim Sebastian Moderator der Conflict Zone, in dem in 30-minütigen Einzelinterviews mit nationalen und internationalen Politikgrößen provokante und kontroverse Fragen gestellt werden. Zu den Gästen der Conflict Zone gehörten jüngst Martin Schulz und Wolfgang Schäuble.
Neugierig?
In journalistischer Unabhängigkeit möchte die DW ein umfassendes Deutschlandbild in der Welt vermitteln. Dieses Ziel verfolgt die DW mit einem großen Programmangebot. Im hauseigenen DW-Sportschauprogramm werden die Bundesligaspiele am Spieltag selbst zusammengefasst, im politischen Talk Quadriga werden auf vier Sprachen aktuelle Themen diskutiert und die Kultur- und Sportredaktionen arbeiten den Tagesnachrichten zu, die dann zu jeder vollen Stunde das neuste aus der Welt berichten. Knapp 300 Millionen Haushalte weltweit können DW empfangen, via DW-App, Youtube-Livestream, DW-Homepage, Satellit oder digital. Und für die, die ganz nah ranwollen, gibt es Führungen nach Voranmeldungen, um die Geschichte des Hauses, des Senders und die verschiedenen Redaktionen kennenzulernen. DW ist „made in Wedding“ und wahrscheinlich Weddings erfolgreichster Export.
Deutsche Welle, Voltastr. 6
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Ergänzung: neben dem Institut für Biotechnologie der TU Berlin befindet sich auch das Institut für Bauingenieurwesen mit der Peter-Behrens- Versuchshalle.