Das Hertie-Kaufhaus in der Brunnenstraße war einst Publikumsmagnet für Ost und West – 2015 wurde das Gebäude abgerissen. Ein Rückblick auf seine Geschichte.
Kürzlich eröffnete die Firma Cresco Immobilien ein ebenso großes wie nobles Studentenwohnheim an der Ecke Brunnen- und Stralsunder Straße. Genau an diesem Ort befand sich bis 2015 ein Gebäude, dessen charakteristische Fassade über Jahrzehnte das Bild des Viertels prägte.
Auf Trümmern entstand ein Kaufhaus
Ab 1952 war der Bau als Kaufhaus Held nach Plänen des Architekten Hans Soll auf einem Trümmergrundstück errichtet worden. Sein Vorgängerbau stand nur etwa 500 Meter südlich davon, an der Kreuzung Invalidenstraße; das dortige Haus wurde 1944 im Zweiten Weltkrieg zerstört und nicht wieder aufgebaut. Die Teilung der Stadt ab 1948 veranlasste die Kaufhausbetreiber, ihren Standort von Ost- nach Westberlin zu verlegen – nur ein Stück die Brunnenstraße runter –, wo man vom einsetzenden Wirtschaftswunder zu profitieren hoffte.
Am 23. März 1953 wurde ein für die damalige Zeit äußerst moderner Konsumtempel eröffnet, der sich zunächst ganz auf den Verkauf von Textilien spezialisierte. Eine besondere Attraktion des Hauses war die Dachterrasse mit Restaurant, zu dem man mit einem Fahrstuhl gelangte. Schnell entwickelte sich das neue Kaufhaus zum Einkaufsmittelpunkt der geschäftigen Gegend rund um die Brunnenstraße. Nicht nur Weddinger, sondern vor allem Ostberliner und DDR-Bürger sorgten schon bald für ein florierendes Geschäft. Damit war es nach dem Mauerbau 1961 schlagartig vorbei, denn die zahlreiche Kundschaft aus dem Osten blieb nun gezwungenermaßen aus. Bereits zuvor hatte der Handelskonzern Hertie die Firma Held und damit das Kaufhaus übernommen, das aber noch längere Zeit den alten Namen beibehielt. 1963 vergrößerte Hertie die Verkaufsfläche durch einen nördlichen Anbau; jetzt wurden auch Lebensmittel und andere Waren verkauft.
Im Schatten der Mauer ungünstig gelegen
Aber diese Maßnahme konnte den Niedergang des Standortes in der Brunnenstraße nicht aufhalten. Die durch den Mauerbau bedingte Abseitslage und die in späteren Jahren erfolgte Schließung von hier ansässigen Großbetrieben wie AEG und Kühne, dazu Kahlschlagsanierung und massiver Fortzug der Bewohner brachten 1983 das endgültige Aus für das noch gar nicht so alte Warenhaus.
Schon damals erwog man den Abriss des Gebäudes, entschied sich aber nach langwierigen Diskussionen für den Erhalt. 1984 zog die Lebensmittelkette Kaiser’s in Erd- und Untergeschoss ein, während das Bezirksamt Wedding in einem anderen Gebäudeteil für 6,5 Millionen D‑Mark das Olof-Palme-Jugendzentrum errichten ließ, um – wie es hieß – „in Zukunft Raum für eine Vielzahl von innovativen Entwicklungen“ zu schaffen. Die Zukunft währte indes nicht lange, denn bereits 2002 zog das Jugendzentrum in die Demminer Straße. Fortan war Kaiser’s im Wesentlichen der einzige Mieter – bis zum bitteren Ende: Im Februar 2015 rückten die Bagger an und machten das mittlerweile ziemlich trostlos wirkende Gebäude dem Erdboden gleich.
Ein Verlust fürs Brunnenviertel
Nicht wenige Anwohner sehen im Abriss dieses bedeutsamen Baus der Nachkriegsmoderne einen weiteren Verlust für das mit architektonischen Sehenswürdigkeiten nicht gerade reich gesegnete Brunnenviertel. Manche denken in diesem Zusammenhang an das ehemalige Gymnasium an der Swinemünder Straße. Steht dieser nicht nur bauhistorisch erhaltenswerte Gebäudekomplex vor einem ähnlichen Schicksal wie das alte Kaufhaus in der Brunnenstraße?
Text: Alexander Dowe
Der Text ist zuerst erschienen im Kiezmagazin “brunnen”, Ausgabe Dezember 2018. Mehr Texte und mehr über die ehrenamtliche Bürgerredaktion, die es herausgibt, steht auf dem Redaktionsblog: www.brunnenmagazin.wordpress.com
Wirklich sehr schade, dass es immer mehr von den alten Bauten im Brunnenviertel trifft, die verschwinden müssen.