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Verliebt in ein Kimonokleid im Atelier Nuno

4. Mai 2018
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Impressionen aus dem atelier nuno (c) Foto von Susanne Haun
Das Ate­lier nuno. Foto: Susan­ne Haun

Seit einem knap­pen Jahr wird in der Utrech­ter Stra­ße 32 im ate­lier nuno krea­tiv gear­bei­tet. Die Maß­schnei­der­meis­te­rin Marie Schmun­kamp kre­iert mit Lei­den­schaft und Sorg­falt japa­nisch inspi­rier­te Mode in euro­päi­schen Grö­ßen zu erschwing­li­chen Preisen.

Ich woh­ne in der unmit­tel­ba­ren Nach­bar­schaft und habe mit gro­ßer Neu­gier und Freu­de seit der Eröff­nung durch das anspre­chend deko­rier­te Schau­fens­ter in den klei­nen Laden gespäht. Alles ist hell und freund­lich und lädt zu einem Besuch ein. Nun bin ich hin­ein gegangen.

Hilfe beim Ankleiden
Susanne Haun im Atelier nuno (c) Foto von M.Fanke
Autorin Susan­ne Haun mit einem Kimo­no­kleid im Ate­lier nuno. Foto: M. Fanke

Schon bei mei­nem ers­ten Besuch ver­lieb­te ich mich in ein Kimo­no­kleid mit sehr wei­ten Ärmeln. Es isti in die­sem Ate­lier kein Pro­blem, Klei­der anzu­pro­bie­ren, Marie half mir dabei und erklär­te auch gleich­zei­tig, wo ich wel­chen Knopf und wel­ches Band zuma­chen muss, damit ich mich spä­ter auch sel­ber anzie­hen kann. Der Gür­tel besitzt einen Reiß­ver­schluss, so dass er nur ein­mal ein­stellt wer­den muss. Ich fand es inter­es­sant zu erfah­ren, dass ein klas­si­scher Kimo­no (japa­nisch = 着物, deutsch: Anzieh­sa­chen von kiru = anzie­hen und mono = Ding) nor­ma­ler­wei­se zwölf oder mehr Ein­zel­stü­cke ent­hält und eine japa­ni­sche Frau nicht in der Lage wäre, ohne Hil­fe die­se Art Kimo­no kor­rekt anzu­zie­hen. Kei­ne Angst, in der Regel sind Maries Klei­der ohne Hil­fe ankleid­bar. Nach einem Tag Bedenk­zeit, wäh­rend­des­sen mein Kimo­no zurück­ge­hängt auf mich war­te­te, kauf­te ich ihn und ver­ab­re­de­te mit Marie einen Ter­min für ein Interview.

Die Werdegang der Maßschneiderin

Nach dem Abitur schloss Marie nach zwei Jah­ren ihre Maß­schnei­der­leh­re ab. Ihre ursprüng­li­chen Plä­ne, danach sofort Mode­de­sign zu stu­die­ren, ver­warf sie vor­erst, da sie ihre Lie­be zum Hand­werk ent­deckt hat­te und so lie­ber den Meis­ter begann. Sie schloss schon mit 21 Jah­ren als Best­meis­te­rin ab, das bedeu­tet, sie ist die bes­te in ihrem Gewerk, der Maß­schnei­de­rei, und sie ist die Bes­te von allen Gewer­ken ihres Jahr­gangs. Mit die­sen Abschlüs­sen in der Tasche stu­dier­te die Meis­te­rin Mode­de­sign, das Stu­di­um schloss sie mit dem Bache­lor of Arts ab. Auf mei­ne Fra­ge, wann ihr Herz für die Schnei­de­rei zu schla­gen begann, erzählt sie von ihrem Vater, der Flug­dra­chen näht und von den Klei­dern, die sie mit 13 Jah­ren für sich zu ent­wer­fen begann, weil sie das, was sie sich vor­stell­te nir­gend­wo kau­fen konnte.

Über die Ausbildung im Atelier
Impressionen aus dem atelier nuno (c) Foto von Susanne Haun
Maß­schnei­der­meis­te­rin Marie Schmun­kamp in ihrem Ate­lier: Foto: Susan­ne Haun

Marie bil­det aus, im Schnei­der­ge­wer­be wol­len mehr jun­ge Leu­te den Beruf ler­nen als es Aus­bil­dungs­plät­ze gibt. Zur­zeit unter­rich­tet sie eine Aus­zu­bil­den­de im zwei­ten Lehr­jahr und im August fängt noch ein Aus­zu­bil­den­der bei ihr an. Es erfor­dert viel Zeit, aus­zu­bil­den und bevor Marie einen Lehr­ver­trag abschließt, kom­men die Anwär­te­rin­nen und Anwär­ter zur Pro­be eine Woche arbei­ten. Hier schaut Marie, ob die Che­mie stimmt, denn die drei Näh­ma­schi­nen ste­hen auf engs­tem Raum im zwei­ten Geschäftsbereich.

Der eben­falls von Licht durch­flu­te­te Raum ver­mit­telt den Ein­druck einer guten Arbeits­stim­mung. Von der Hand­werks­kam­mer fest­ge­legt, erhal­ten die Aus­zu­bil­den­den im ers­ten Lehr­jahr 160 Euro, im zwei­ten Jahr 180 Euro und im drit­ten Jahr 210 Euro im Monat. Marie emp­fin­det das Lehr­geld eher als Taschen­geld und viel zu wenig, um davon auf eige­nen Füße zu ste­hen. Jedoch kön­ne sie sich nicht mehr Gehalt für ihre Azu­bis leis­ten und wün­sche sich, es wür­de eine För­de­rung von der Hand­werks­kam­mer für Meis­te­rin­nen und Meis­ter, die aus­bil­den, geben. Ich habe gelernt: Es gehört viel Lei­den­schaft und Idea­lis­mus zum Beruf, eine Mischung aus kauf­män­ni­scher und krea­ti­ver Arbeit.

Ein Blick ins Atelier nuno

Beim Betre­ten des Ladens fällt der Blick zuerst auf eine Laden­the­ke aus den 1940er Jah­ren, in der die Meis­te­rin lie­be­voll klei­ne Taschen und ande­re Acces­soires ein­sor­tiert hat. Sie sind aus japa­ni­schen Stof­fen genäht. Mir hat es beson­ders die rund gehal­te­ne Tasche für Kopf­hö­rer ange­tan, sie ist nicht nur schön, son­dern auch prak­tisch und ver­hin­dert die uns wahr­schein­lich allen bekann­ten ver­hed­der­ten Kopf­hö­rer, die man aus gro­ßen Hand­ta­sche zieht. Aus dem Stoff, aus dem mein Kimo­no genäht ist, gibt es ver­schie­den gro­ße Taschen. Neben der Laden­the­ke hat Marie auch ande­re Ein­rich­tungs­ge­gen­stän­de aus ver­gan­ge­nen Zei­ten, sie mag ihr gut zusam­men­ge­stell­tes Inte­ri­eur. Es besitzt See­le und man kann die erhal­te­nen Wert­schät­zun­gen der ver­gan­ge­nen Jah­re spüren.

Kleidung sollte zur Stimmung passen
atelier nuno (c) Foto von Marie Schmunkamp
Auch japa­ni­sche Stof­fe gibt es im Ate­lier nuno. Foto: Marie Schmunkamp

Marie wählt mor­gens ihre Klei­dung, die sie anzieht, nach ihrer jewei­li­gen Stim­mung aus und emp­fin­det es dabei als wich­tig, dass man sich in sei­ner Klei­dung wohl fühlt. Die­se Phi­lo­so­phie gibt sie an ihre Kun­den wei­ter. Soll sie eine maß­ge­schnei­der­te Arbeit fer­ti­gen, ver­steht sie es, das Kos­tüm, Kleid oder den Anzug ganz nach der Figur der Trä­ge­rin oder des Trä­gers zu schnei­dern und dabei die klei­nen Beson­der­hei­ten der Kun­den zu kaschieren.

Aus mei­ner eige­nen Erfah­rung weiß ich, dass ich ger­ne eine Preis­vor­stel­lung habe, bevor ich ein Geschäft betre­te. Klei­der, die Marie nach Kon­fek­ti­ons­grö­ßen näht, kos­ten zwi­schen 80 und 180 Euro, Röcke um die 60 Euro. Eine detail­lier­te Preis­lis­te der Ände­run­gen und Maß­an­fer­ti­gun­gen hängt trans­pa­rent hin­ter der The­ke. Japa­ni­schen Süßig­kei­ten, Post-Its und Acces­soires sind schon ab 1,50 Euro zu erwer­ben. Ich habe für 4,95 Euro eine klei­ne Schmet­ter­lings­haar­span­ge / Bro­sche für mei­ne Freun­din als Geschenk statt Blu­men gekauft. Regel­mä­ßig tref­fen Über­ra­schun­gen aus Japan ein, so dass sich Besu­che immer wie­der loh­nen. Beson­ders mag ich, dass jedes Stück im Laden von Marie ein Preis­schild trägt und somit das Fra­gen nach dem Preis entfällt.

Impressionen aus dem atelier nuno (c) Foto von Susanne Haun

Neben den Kimo­no­klei­dern gibt es von Schul­uni­for­men inspi­rier­te Klei­der mit Matro­sen­kra­gen und Schlei­fe sowie auch schul­ter­freie Loli­ta-Klei­der. Für die Dame um die 50 führt Marie Busi­ness­blu­sen und auch das klas­si­sche Etui­kleid mit Jacke fehlt nicht in ihrem Reper­toire.  Für die ambi­tio­nier­te Hob­by­schnei­de­rin bie­tet Marie japa­ni­sche Stof­fe an, der Meter um die 20 Euro.

Auf ihrer Home­page, Insta­gram und Face­book kann man sich vor­ab über ihr Ange­bot informieren.

 

ate­lier nuno, Inha­be­rin: Maß­schnei­der­meis­te­rin Marie Schmun­kamp, Utrech­terstra­ße 32, Tele­fon: (030) 55 21 50 35, E‑Mail: [email protected], Die–Do 15–18 Uhr, Fr–Sa 12–19 Uhr geöffnet

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Susanne Haun

Susanne Haun studierte Kunstgeschichte und Philosophie an der Freien Universität Berlin. Seit 2002 ist sie als Bildende Künstlerin und Autorin in Berlin aktiv.
Von 1993-2005 arbeitete sie als Systemanalytikerin und Entwicklerin für verschiedene ARD Sendeanstalten.

Als Autorin veröffentlicht sie seit März 2009 täglich Beiträge zur eigenen Kunst und Kunstgeschichte in ihrem Blog www.susannehaun.com und interagiert dort sowie auf weiteren Social Media Plattformen mit über 12.000 Follower. Zudem unterhält Susanne Haun einen Kunstsalon in ihrem Atelier. Hier werden regelmäßig aktuelle Themen zur Kunst von geladenen Gästen referiert und diskutiert.

1 Comment Leave a Reply

  1. Sehr inspi­rie­ren­de Ent­de­ckung. Ich kann mir rich­tig vor­stel­len, wie die Lehr­lin­ge unter der stren­gen Auf­sicht der Meis­te­rin das alte Hand­werk ler­nen. Wie­der und wie­der müs­sen die Sti­che geübt wer­den… Ich hab mal Kara­te gemacht, da hat man einen Ein­blick in japa­ni­sche Päd­ago­gik bekom­men. Das Kleid ist schön. Sehr ver­spielt für japa­ni­sche Verhältnisse.

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