Es ist Nachmittag, ich habe Hunger. Ich überlege mir, ob ich mir ein belegtes Brötchen in Mustafas Bäckerei kaufe. Aber nein – ich sage mir: Heute gönne ich mir mal was Besonderes. Nebenan, in der Soldiner Straße 13, weckt ein großer, weißer Kakadu im Schaufenster mein Interesse. Ich gehe hinein und denke mir: Wieder einer dieser Läden, die ich eher im Prenzlauer Berg vermuten würde. Aber ich befinde mich mitten im Soldiner Kiez.
Als ich das Kakadu an einem Sonntag betrete, ist der Laden mehr als gut gefüllt. Der lange Tisch im vorderen Bereich ist voll, sodass ich auf die gemütliche Ecke am Ende des Restaurants ausweiche. Ich entscheide mich für die Quesadilla „Korea Bonita“, eine mit Käse zubereitete mexikanische Tortilla. Die Beschreibung in der Speisekarte hält, was sie verspricht: Die Füllung besteht aus einem koreanisch gewürzten Rindfleisch, süßlich und ganz leicht scharf – sehr lecker! Sour Cream und Picco de Gallo, eine frische Würzsauce aus gehackten Tomaten, Zwiebeln und Chili-Schoten, komplettieren das Gericht. Acht Euro halte ich für den Mitteleinsatz für fair.
Interessante Eigenkreationen
Für Jessica Schmidt, oder kurz Jess, sind die mexikanischen Quesadillas eine willkommene Möglichkeit, sich kreativ auszutoben. Sie werden mit kulinarischen Ideen gefüllt, die die Kakadu-Betreiberin und Ethnologin von ihren Reisen mitbringt. Mitunter entstehen dabei Kreationen wie „Rumdatteln & Blaumachen“, eine marokkanisch-bayerische Tortilla mit hausgemachtem Dattel-Minzpesto, gebratenem Speck, grüner Paprika und Blauschimmelkäse. Dafür, dass das Landekonzept bewusst auf gelernte Köche verzichtet, wirken die Gerichte außerordentlich stimmig. „Wir mögen einfach Essen“, bringt es die ehemalige Profi-Handballspielerin auf den Punkt. Für das Tel-Aviv-Toast erhielt Jess sogar den Ritterschlag eines israelischen Touristen. Der konnte in der Eigenkreation, bestehend aus Brioche-Brot, Birnen-Zwiebel-Chutney und Sardellen ein Stück Heimat schmecken.
Trotz der weißen Kacheln, ein Erbe der einst hier ansässigen Fleischerei, wirkt das Kakadu sehr gemütlich. Die offene Küche weckt Vertrauen und viele kleine Details wie Schwarz-Weiß-Fotografien, Musikinstrumente oder der Text des indonesischen Kakadu-Liedes lassen meinen Blick aufmerksam wandern. Der in Australien beheimatete Papageienvogel wurde übrigens zum Namensgeber des Restaurants, weil er von weit her kommt, gerne Sachen erzählt und bunt ist. Alles Dinge, für die auch die Weddinger Speisewirtschaft stehen soll. Das Kakadu-Bild, das im Schaufenster hängt, hat Jess im Internet gefunden. Es löste den Arbeitstitel des Restaurants S13 (Soldiner Straße 13) ab, was sicherlich eine gute Entscheidung war.
Angetreten ist das Kakadu als Community-Kitchen, in der der Nachbarschaftsgedanke großgeschrieben wird. Und so wird auch ein kollegiales Verhältnis zu Mustafa gepflegt, der die türkische Bäckerei nebenan betreibt. Arabische Gäste fragen auch mal nach, was es mit dem israelischen Humusteller auf sich hat. Amerikanische Touristen finden ebenso den Weg in das Kakadu wie die Alteingesessenen, die die Räumlichkeiten noch aus den Zeiten kennen, als hier eine Fleischerei und anschließend ein Dönerproduktion ansässig war. Jessicas Wunsch nach einer gemischten Kultur scheint aufzugehen.
Das Frühstück lohnt sich
Besonders zu empfehlen ist das Frühstückangebot am Samstag und Sonntag, das auch für Spätaufsteher bis 15 Uhr bestellbar ist. Für den Kater am Morgen nach einer durchfeierten Nacht bietet sich das „Exit Brexit“ an. Es besteht aus gebratenen Bohnen, Spiegelei, Cheddar-Cheese-Chili-Würstchen, Orangenmarmelade und Salbeibutter-Toast. Sehr beliebt bei den Gästen ist das Frühstück „Quesadilla Margarete“. Das ist eine warme Tortilla mit Tomaten, Mozzarellakäse und Basilikum, kredenzt mit Rührei aus Bio-Eiern und Salat. Auch sehr spannend sind die interaktiven Kochshows zu einem bestimmten Thema mit Live-Musik. Für 17 Euro zaubert ein Koch-Team ein Dreigänge-Menü. Ein besonderer Gast erzählt dazu Geschichten, beispielsweise aus Goethes Faust. Zu späterer Stunde wird dann schon mal das indonesische Kakadu-Lied angestimmt.
Spricht man Jessica Schmidt auf die Entwicklung in der Soldiner Straße an, spürt man ihre soziale Ader. Sie kritisiert unangemessene Mietsteigerungen und Gentrifizierungstendenzen im Kiez. Auch wenn sie von reicheren Gästen profitieren würde, so möchte sie alle sozialen Schichten an ihrem langen, WG-typischen Tisch vereinen. Ich für meinen Teil würde mich freuen, wenn das Kakadu eine feste Institution bleibt. Zusammen mit dem Rosa Parks Café, das im ehemaligen Herr Bielig ein Zuhause gefunden hat, ist es für mich ein neuer kulinarischer Stern am Weddinger Himmel.
Soldiner Straße 13
DAUERHAFT GESCHLOSSEN
Der Beitrag ist in Zusammenarbeit mit dem Kiezmagazin Soldiner entstanden. Andreas Oertel hat den Text geschrieben und einige Fotos gemacht. Vielen Dank!
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