“In meiner Brust schlagen zwei Herzen”, bekannte Katrin Lompscher bei einem Besuch der Wiesenburg am 13. Juni. Die Senatorin sagte: “Ich bin eben auch für Wohnen zuständig.” Demnach hat sie grundsätzlich auch Symphathie für einen geschützten Kulturort. Aber Neubau ist ihr ebenfalls wichtig – und davon viel. Die Wiesenburger wollen die neuen Wohnungen zwischen Wiesenstraße und Panke nicht massiv und vor allem nicht hoch. Hinter dem Wunsch behutsamen Neubau auf dem Gelände steht: “Die Wiesenburg soll als ein besonderer Ort erhalten bleiben”, so Robert Bittner.
Robert Bittner, im Vorstand des Wiesenburg e.V., kritisiert, dass der siebengeschossige Neubau das historische Areal gewissermaßen erdrücken würde. Insbesondere will er und sein Verein, ein Zusammenschluss von Künstlern auf der Wiesenburg, einen massiven Wohnriegel verhindern. Aber auch andere Varianten des geplantne Neubaus sind ihnen zu massiv und mit sieben Stockwerken zu hoch.
Katharina Meyer, für die Linke in der BVV, kritisierte beim Rundgang am 13. Juni den Ablauf des aktuellen Werkstattverfahren. So würden unfaire Bedingungen herschen. Die Geschäftsordnung gebe den Wiesenburgern ausschließlich am Ende der Diskussionen ein Rederecht. Also dann wenn bereits alle anderen gesprochen haben. Und mit zwei Vertretern sei der Wiesenburg e.V. im Verfahren unterrepräsentiert. Die anwesende Pressesprecherin Isabella Canisius musste ihren verhinderten Chef, Vorstand Christoph Beck, vertreten. Sie spielte Unverständnis: “Die Wiesenburg ist doch vertreten”, sagte sie.
Lompscher hält sich noch bedeckt
Mit klaren Worte hielt sich Senatorin Katrin Lompscher (Die Linke) bei dem Rundgang über die Wiesenburg zurück. Robert Bittner zeigte der Senatorin Ateliers, Werkstätten, Musikstudios und die mit Mitteln der Sozialen Stadt ausgebaute Tanz- und Kulturhalle. Er hoffte bei diesem Rundgang offenbar auf eine Aussage, die Unterstützung für seine Forderungen erkennen lässt. Doch dem aktuell laufenden Werkstattverfahren will Lompscher nicht vorgreifen. “Jetzt warten wir erst einmal die Ergebnisse ab.” Das kann als klassische Redewendung gemeint sein, mit der Zeit gewonnen werden soll. Doch sie sagte auch: “Und dann bewerten wir das.” Spielt die Senatorin mit dem Gedanken, das Ergebnis des Werkstattverfahrens nachträglich zu ändern? Oder steckt hinter dem Nachsatz keine weitere Absicht? Klar ist nur, die Senatorin will sich noch nicht öffentlich festlegen, ob es noch Chancen gibt, den Umfang und Höhe des Neubaus zu verringern.
Offenbar wollte sie das Gebiet, das sie aus den Plänen kannte, sich tatsächlich einmal mit eigenen Augen ansehen. Zwar ließ sie sich geduldig von Robert Bittner durch Tonstudios, Imkergärten und Theaterstudios führen. Doch dann wollte sie es endlich wissen: “Und wo ist nun der Bereich, wo Wohnungsneubau entsehen soll?” Sie wirkte überrascht als eine unscheinbare Holztür geöffnet wurde und die Senatorin sich in einem Urwald wiederfand.
Verschwindet das ehemalige Frauenasyl?
Danach beugte sich sich noch einmal über die Pläne, die zeigen, dass einem langgestreckten Gebäude (Wohnriegel) das ehemalige Frauenasyl geopfert werden muss. Von diesem hinteren Teil der Wiesenburg, der vor rund 100 Jahren für obdachlose Frauen reserviert war, existieren heute nur noch die Außenmauern. Die Wände mit den großen Glasfenstern sind vom Spielplatz Kolberger Straße und von einer schmalen Holzbrücke über der Panke zu sehen. Zeit, um das ehemaligen Frauenasyl selbst in Augenschein zu nehmen, hatte die Senatorin nicht mehr, da die angesetzte Stunde für den Besuch bereits überzogen war.
Übrigens zeigen alle aktuell diskutierten Pläne einen öffentlichen Fußweg entlang der Panke. Die Wiesenburg wird sich demnach auf für Spaziergänger öffnen.
Das Grundstück, auf dem die Wiesenburg steht, gehört der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft Degewo. Diese wird die als Obdachenlosen-Asyl gebauten Backsteinhäuser sanieren. Teile des Geländes werden von der Degewo mit Neubau versehen. Der Wiesenburg e.V. vertritt die zahlreichen Künstler, die Mieter von Ateliers sind. Sie wünschen sich, die Wiesenburg als Ort der Kunst und der Künstler zu erhalten.
Zum Weiterlesen
- Über das Werkstattverfahren berichtet der Artikel “Wie doll wird sie umbaut?” vom 22. Mai 2017.
- Die Künstler der Wiesenburg
Text und Fotos: Andrei Schnell