Mastodon

Zwei Jahre Gnadenfrist für die Gerichtshöfe

18. November 2016
Der Eingang zu den Gerichtshöfen von der Gerichtstraße. Foto: Hensel
Der Ein­gang zu den Gerichts­hö­fen von der Gericht­stra­ße. Foto: Hensel

Die Gerichts­hö­fe wer­den saniert. Die Eigen­tü­me­rin hat den ange­kün­dig­ten Umbau­start nun aber über­ra­schend um zwei Jah­re ver­scho­ben. Die lan­des­ei­ge­ne Woh­nungs­bau­ge­sell­schaft Ges­obau will noch ein­mal mit den Mie­tern – unter die­sen vor allem mit den Künst­lern – reden. Zuvor hat­te die Ges­obau am 1. Novem­ber den Mie­tern auf einem Info-Abend ihre umfang­rei­chen Sanie­rungs- und Umbau­plä­ne vor­ge­stellt. Die Künst­ler in den Gerichts­hö­fen befürch­te­ten dar­auf­hin, ver­drängt zu wer­den. Die Ges­obau erklärt nun, auf die Ein­wän­de der Künst­ler ein­ge­hen zu wollen.

Künstler fürchten um ihre hellen Ateliers in den Gerichtshöfen

Die Gerichtshöfe im November 2016. Foto: HenselDer Auf­schrei in den sozia­len Medi­en war groß: Die 12.000 Qua­drat­me­ter Ate­lier- und Gewer­be­flä­che stün­den einem von der Ges­obau geplan­ten Umbau und Neu­bau mit Stu­den­ten­woh­nun­gen im Weg. So sieht es Künst­ler Jür­gen Rei­chert, der sein Ate­lier in den Gerichts­hö­fen hat. Er befürch­tet, dass die Gerichts­hö­fe “mit mehr als 16 Mil­lio­nen Euro kom­plett umge­krem­pelt” wer­den sol­len. Ziel sei es “die Künst­ler aus den ange­stamm­ten Ate­liers zu ver­drän­gen”. Eini­gen Mie­tern müs­se noch nicht ein­mal gekün­digt wer­den, da ihre zuletzt nur Jahr für Jahr ver­län­ger­ten Ver­trä­ge ohne­hin ausliefen.

Jür­gen Rei­chert spricht für meh­re­re Künst­ler der Gerichts­hö­fe. Er sagt, den ursprüng­li­chen Plä­nen zufol­ge sei­en den Gewer­be­mie­tern bloß klei­ne­re Ersatz­flä­chen ange­bo­ten wor­den. Die­se Flä­chen lägen den Plä­nen zufol­ge aber nicht in den licht­durch­flu­te­ten obe­ren Eta­gen, son­dern im Sou­ter­rain oder im Kel­ler. Gewer­be­mie­ter in den Höfen sind 25 Künst­ler und Künst­ler­grup­pen sowie 18 Unter­neh­men. Auch von letz­te­ren, wie die Fir­ma Berg­mann – die Werk­zeu­ge für die Auto­mo­bil­in­dus­trie her­stellt – bedeu­ten die aktu­el­len Umbau­plä­ne das Aus, sagt Jür­gen Reichert.

Zum neu­en Ver­hand­lungs­an­ge­bot der Ges­obau kann sich Jür­gen Rei­chert noch nicht äußern, er hat von der Gesprächs­be­reit­schaft bis­lang nur durch die Medi­en erfahren.

Gesobau zeigt sich gesprächsbereit

Die Gerichtshöfe im November 2016. Foto: HenselDer Pro­test der Künst­ler gegen den Umbau der Gerichts­hö­fe war groß – und hat bis­lang bewirkt, dass die Ges­obau den Bau­start nun um zwei Jah­re ver­schiebt. Am 16. Novem­ber, zwei Wochen nach der Prä­sen­ta­ti­on der Umbau­plä­ne, sagt die Ges­obau jetzt: “Der Moder­ni­sie­rungs­auf­schub der Gerichts­hö­fe resul­tiert aus zahl­rei­chen Gesprä­chen und einem engen Aus­tausch mit den Mie­tern über ihren Ate­lier- und Gewer­be­stand­ort.” Offen­bar ist das Unter­neh­men bereit, mit den Künst­lern zu ver­han­deln. Das Ange­bot zu Gesprä­chen scheint sich auf die Lage der Ate­liers nach dem Umbau zu bezie­hen. Den Gewer­be­trei­ben­den aller­dings soll nur bei der Suche nach neu­en Räu­men gehol­fen wer­den – außer­halb der Gerichtshöfe.

Der Umbau selbst ist nicht vom Tisch. Zusam­men mit der tech­nisch not­wen­di­gen Sanie­rung bleibt “die Schaf­fung von neu­em Wohn­raum unser Fokus.” Gemeint ist stu­den­ti­scher Wohn­raum. Bis­lang gibt es in den Höfen 81 Mietwohnungen.

Die Gesobau und die Künstler

Die Ges­obau hat­te den Künst­ler­ver­ein Kunst in den Gerichts­hö­fen e.V. jahr­zehn­te­lang nach dem Modell “Kunst gegen Mie­te” geför­dert. Auf Face­book merkt einer der Mie­ter dazu an: „Die Künst­ler waren hier nicht die Ent­de­cker oder Vor­rei­ter, son­dern sind damals in jah­re­lang leer­ste­hen­de Flä­chen ein­ge­zo­gen.“ 2011 ende­te jedoch die För­de­rung. Im Nach­hal­tig­keits­be­richt des Unter­neh­mens heißt es 2011: “Eine För­de­rung für die Krea­ti­ven ist kaum mehr nötig; die gespon­ser­ten Miet­ver­trä­ge lau­fen suk­zes­si­ve aus.”

Eine Moder­nie­rung der Höfe ist bereits seit lan­gem geplant. Bereits im Janu­ar 2013 erklär­te die Ges­obau, “nicht vor 2017” die not­wen­di­gen Sanie­run­gen vor­zu­neh­men. Und bereits damals hieß es, dass zum Umbau auch neu zu schaf­fen­de Woh­nun­gen gehören.

Geht es nach der poli­ti­schen Mehr­heit in der Bezirks­ver­ord­ne­ten­ver­samm­lung (BVV) dann sol­len Ges­obau und Künst­ler ein Paar blei­ben. “Gerichts­hö­fe als Gewer­be- und Künst­ler­quar­tier” erhal­ten for­dern Grü­ne und SPD, die in Mit­te ein Zähl­ge­mein­schaft bil­den. Zusätz­lich zu ähn­lich über­schrie­be­nen Anträ­gen für die ges­te­ri­ge Sit­zung (17.11.) stellt die SPD eine gro­ße Anfra­ge, um dem Anlie­gen noch mehr Gewicht zu verleihen.

Studenten wünschen sich Mischung statt Bettenburg

Als Lan­des­un­ter­neh­men soll die Ges­obau mög­lichst schnell zahl­rei­che neue Woh­nun­gen schaf­fen, aus­drück­lich auch für Stu­den­ten. Der­zeit sind es vor allem pri­va­te Inves­to­ren, die an vie­len Ecken im Wed­ding gro­ße Häu­ser mit klei­nen Appart­ments für Stu­den­ten bau­en. Die Stu­den­ten schei­nen es zu begrü­ßen, wenn auch lan­des­ei­ge­ne Woh­nungs­un­ter­neh­men an Stu­den­ten den­ken. So schreibt eine Stu­den­tin auf Face­book: „Da vie­le mei­ner Kom­mi­li­to­nen im Hos­tel schla­fen müs­sen, fin­de ich es okay, dass die Ges­obau auch was für Stu­die­ren­de macht.“ Ein stu­den­ti­sches Silo scheint ihr dabei nicht vor­zu­schwe­ben: „Wie wäre es mit einer Misch­nut­zung für Künst­ler, Betrie­be und Studierende?“

Text: Domi­ni­que Hen­sel, And­rei Schnell, Joa­chim Faust, Fotos: Domi­ni­que Hensel

Wer die Gerichts­hö­fe ken­nen­ler­nen will, hat am 6. Dezem­ber die Gele­gen­heit bei “Moder­ne Kunst zum Mit­neh­men – MoKu­zu­Mi­Mi”. In die Gerichts­hö­fe kommt der Niko­laus, 24 Künst­ler prä­sen­tie­ren Kunst im Tüten­for­mat und ver­kau­fen sie zu niko­lau­si­gen Prei­sen bis maxi­mal 100 Euro. 18 – 24 Uhr.

weddingweiserredaktion

Die ehrenamtliche Redaktion besteht aus mehreren Mitgliedern. Wir als Weddingerinnen oder Weddinger schreiben für unseren Kiez.

Schreibe einen Kommentar

Your email address will not be published.

MastodonWeddingweiser auf Mastodon
@[email protected]

Wedding, der Newsletter. 1 x pro Woche



Unterstützen

nachoben

Auch interessant?