Vier Architekturbüros hatten sich bis zum 28. April Zeit genommen, um Ideen zum Umbau der Wiesenburg zu entwickeln. Nun wurden die vier Entwürfe einer Jury präsentiert. “Es gibt keinen eindeutigen Siegerentwurf”, befand die Jury. Es darf vermutet werden, hinter den Kulissen wird weiterhin um die richtige zukünftige Bebauung des 12 500 Quadratmeter großen Geländes gerungen. Die Beteiligten wollen:
Die Eigentümerin
Das Gelände gehört der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft Degewo. Natürlich ist sie in der Jury vertreten. Offiziell sagt ein Vertreter der Degewo, der Architekt André Schuhknecht: “Wir haben ein tolles Werkstattverfahren mit Teilnehmern erlebt, die ein besonderes Gespür für den Ort gezeigt haben.” Der Satz ist auffällig allgemein gehalten. Nebulös ist auch ein anderer Satz in einer Pressemitteilung der Degewo: “Das Werkstattverfahren hat einen Konsens unter allen Beteiligten herbeigeführt, dass der geschichtsträchtige Ort mit einer Kombination aus alter Bausubstanz und Neubau weiterentwickelt werden soll.” Es hört sich so an, als ob die Jury sich uneins gewesen sein muss und nur ein Minimalkonsens herzustellen war. Und der heißt: Die Degewo wird bauen. Man weiß nicht wie, man weiß nur dass.
Die Nutzer
Die Nutzer sind die im Verein Wiesenburg zusammengeschlossenen Künstler und Bewohner. Sie wünschen sich, die Degewo würde sich auf den Neubau konzentrieren, während die Nutzer sich um die vorhandene Bausubstanz kümmern. Der Vereinsvorsitzende Robert Bittner sagt: “Wir wünschen uns mit einem Träger und anderen Partnern den Altbauteil der Wiesenburg zu übernehmen und selbst wieder in Eigenverantwortung zu gehen.” Und weiter: “Die Degewo soll sich auf geförderten Wohnungsbau im Garten konzentrieren.” Die Wiesenburger haben den Eindruck, dass sie mit ihrer Sicht nicht allein stehen: “Dafür plädieren auch die meisten beteiligten Institutionen. Die Bezirksverordnetenversammlung (BVV), das Bezirksamt, das Quartiersmanagement Pankstraße, mehrere der Architekturbüros und der Atelierbeauftragte des Senats, Florian Schmidt.”
Die Wiesenburger stören sich daran, dass die Degewo von den vier beteiligten Architekturbüros nur zwei “zuließ, welche die Wiesenburg vornehmlich aus städtebaulicher Sicht betrachten.” Favorit des Vereins ist der Entwurf des Büros Klinkenberg, der Bittner zufolge nicht “zugelassen” war. Der Entwurf von Klinkenberg sei am “behutsamsten”. Die Trennung und “Entkopplung von Altbau und Neubau” sei nur dem Entwurf Klinkenberg gelungen. Die Trennung ist für den Verein wichtig, um sich ihr Ziel offen zu halten: ” Wir wollen selber mitgestalten dürfen und einen Teil der Wiesenburg in Eigenverantwortung weiter entwickeln.”
Weitere Ziele der Wiesenburger
Dem Verein ist die stärkere Einbeziehung möglichst aller heutigen Nutzer wichtig. Die Errichtung eines Gewerbeneubaus für weitere Ateliers von Künstlern wird ebenfalls als sinnvoll erachtet. Dazu gehört auch eine Sammelhalle für gemeinsame sozio-kulturelle Aktivitäten für die ganze Nachbarschaft, wie es auch die BVV, das Bezirksamt, das Quartiersmanagement und die Senatskanzlei für kulturelle Angelegenheiten befürworten.
Dass Sanierung, Gewerbe- und Wohnneubau in verschiedenen Abschnitten erfolgen sollen, bietet aus Sicht des „Wiesenburg e.V.“ die Chance, an der Weiterentwicklung des geschichtlich bedeutenden Ortes eigenverantwortlich mitwirken zu können. Auch die Bedürfnisse des städtischen Umfeldes sollten bei der Planung berücksichtigt werden.
Die Verwaltung
In der Jury vertreten ist auch das Bezirksamt. Petra Patz-Drüke von der Sozialraumorientierten Planungskoordination verlangt, dass “die Entwicklung als soziokultureller Begegnungsort geschärft werden müsse”. Und weiter: “Wichtig sei es, dass sich die Wiesenburg nach außen öffnet und für den Stadtteil einen Ankerpunkt bildet. Attraktive Öffnungen und Wegebeziehungen sowie eine Mischung der Wohnformen sollten noch mehr Berücksichtigung finden.”
Warum überhaupt eine Jury? – Rückblick
Nach langem Rechtsstreit wurde das Gelände des ehemaligen Obdachlosenasyls „Wiesenburg“ im Jahr 2012 der Stadt Berlin zugesprochen. Diese verkaufte es an die Degewo. Seit dieser Zeit wurden große Teile der Ruine von der Degewo mit dem Hinweis auf die fehlende Verkehrssicherheit geschlossen.
Die Wiesenburger unterstützen die von der Degewo angekündigte „Weiterentwicklung des Geländes im Dialog mit den Bewohnern und Nutzern. Degewo will den historischen Ort vor dem weiteren Verfall bewahren und für nachbarschaftliche und soziale Aktivitäten im Quartier öffnen.“
Der Begriff Werkstattverfahren bezeichnet die Zusammenarbeit von Vertretern des Bezirks, Stadtplanung, Denkmalpflege, Quartiersmanagement Pankstraße und dem Verein Wiesenburg. Die Vertreter bilden im Wesentlichen auch die Jury. Das Werkstattverfahren startete im Janaur 2016. Ursprünglich waren im Januar die vier Architekturbüros ps wedding, Die Zusammenarbeiter, Die Baupiloten und Klinkenberg Architekten “beteiligt”, wie es damals von der Degewo hieß.
LINKS
Der Weddingweiser berichtete am 15. Februar über den Start des Werkstattverfahrens.
Ältere Beiträge zur Entwicklung der Wiesenburg nach Übertragung des Geländes an die Degewo und die Gründung des Vereins Wiesenburg listet das Etikett (tag) Wiesenburg.
Autor: Joachim Faust / Andrei Schnell
[…] keine Rede sein. Eher ist es der neue Eigentümer, die städtische Wohnungsbaugesellschaft Degewo, die den reizvollen Standort entwickeln möchte. Die bisherigen Bewohner und Bewahrer des Denkmals, die in einem Verein organisierten […]
Ich als Tirolerin hoffe, dass die Wiesenburg als letztes Stück des alten Berlins und als Oase der Kultur und alternativem Lebensstils, erhalten bleibt so wie sie ist. Macht sie nicht kaputt, weder mit der Planierraupe, noch mit Touristenattacktionen. Es ist der letzte Fleck dieser Art und war für mich immer eine Reise wert.