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Der letzte Sonntag in Mareks Saunahaus

1. Februar 2016
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Hier war Mareks Saunahaus. Jetzt sind die Gewerberäume zu vermieten. Foto: Dominique Hensel
Hier war Mareks Sau­na­haus. Jetzt sind die Gewer­be­räu­me zu ver­mie­ten. Foto: Domi­ni­que Hensel

Es hät­te ein Sonn­tag wie vie­le ande­re in Mareks Sau­na­haus sein kön­nen, die­ser 29. Novem­ber 2015. Der Chef begrüßt sei­ne ankom­men­den Gäs­te mit einem Hän­de­druck, die bei­den Sau­na­öfen sind auf­ge­heizt und ver­brei­ten woh­li­ge Wär­me. Wie an den meis­ten Wochen­end­ta­gen ist auch Stef­fi, Mareks Frau, mit von der Par­tie. Sie nimmt an der The­ke die Bestel­lun­gen der Gäs­te ent­ge­gen und führt im Wech­sel mit Marek zur vol­len Stun­de die hoch­ge­lob­ten Auf­güs­se durch. Es scheint, alles sei wie immer. Den­noch wis­sen etli­che der anwe­sen­den Gäs­te, dass dies der letz­te Tag des Sau­na-Idylls in der Ber­nau­er Stra­ße sein wird.

Die über­mäch­ti­ge Kon­kur­renz eines Well­ness-Tem­pels in unmit­tel­ba­rer Nähe, ein Ver­mie­ter, der wohl lie­ber kurz­fris­tig hohe, als lang­fris­tig siche­re Ein­nah­men haben will, und nicht zuletzt die Mehr­wert­steu­er­erhö­hung für Sau­na­be­trie­be haben den Betrieb der Anla­ge im ach­ten Jahr ihres Bestehens unren­ta­bel gemacht. Viel zu lan­ge hat Marek drauf­ge­legt, aber er woll­te die Flin­te nicht ins Korn werfen.

Auf­ge­ben? Marek ist kei­ner, der auf­gibt, erst recht nicht sei­ne Sau­na. Der alte Flach­bau war einst ein klei­ner Super­markt, dann ein Kiosk mit Trink­hal­le und zuletzt ein Café. Marek hat kern­sa­niert, ange­baut, umge­baut, unter­kel­lert und noch bis kurz vor der Eröff­nung im Febru­ar 2008 die letz­ten Flie­sen ange­klebt. Dann kam die­ser letz­te Tag, der Tag an dem die Geschich­te der Sau­na in der Ber­nau­er Stra­ße zu einer Erin­ne­rung wer­den sollte.

So wer­den an die­sem Tag auf Gäs­te­wunsch ganz beson­de­re Auf­güs­se zele­briert: Pat­schu­li – Hip­pies und die 68er unter den Lesern erin­nern sich bestimmt noch an den spe­zi­el­len Geruch von Räu­cher­stäb­chen und Duft­ker­zen. Der berühmt-berüch­tig­te Tür­ste­her des Berg­hain, Sven Mar­quardt, benutzt die­se Duft­no­te noch heu­te als Par­füm, wie in sei­ner Auto­bio­gra­fie zu lesen ist. Sibi­ri­sche Fich­te und Schwei­zer Kräu­ter stei­gen den Gäs­ten noch ein­mal in die Nase. Und natür­lich darf auch der Ori­gi­nal-fin­ni­sche Auf­guss mit dem rau­chi­gen Ter­va-Öl (eine Spe­zia­li­tät in Mareks Sau­na­haus) nicht feh­len. Es ist eben ein beson­de­rer Tag, denn nor­ma­ler­wei­se war der Don­ners­tag der Terva-Tag.

Der Ofen ist aus. Mareks Saunahaus musste schließen. Foto: Bastian Roet
Der Ofen ist aus. Mareks Sau­na­haus muss­te schlie­ßen. Foto: Bas­ti­an Roet

So ver­ge­hen die Stun­den. Nach und nach ver­las­sen die Gäs­te die Anla­ge. Die, die immer da waren, blie­ben noch, um die­se letz­ten Momen­te aus­zu­kos­ten. Um kurz vor Mit­ter­nacht knal­len dann doch noch ein paar Kor­ken. Bei einem Glas Sekt kom­men vie­le der schö­nen Erin­ne­run­gen und lus­ti­gen Geschich­ten hoch und mischen sich unter die auf­kom­men­de Trau­rig­keit vie­ler Gäs­te. Ein aller­letz­ter Auf­guss wird durch­ge­führt. Der Ofen zischt ein letz­tes Mal. Das letz­te Mal wedelt Marek sei­nen Gäs­ten den hei­ßen Dampf um die Nase. Sie klat­schen für den Sau­na­meis­ter – nein sie klat­schen für ihren Sau­na­meis­ter. Ein letz­tes Mal. Danach wer­den die Öfen abge­schal­tet und nun für immer kalt bleiben.

“Hier schließt kei­ne Anla­ge, es stirbt ein Stück Sau­na-Kul­tur in der Haupt­stadt.” So sagt es einer der Stamm­gäs­te, der immer in der obers­ten Rei­he geses­sen hat. Treff­li­cher kann man es nicht for­mu­lie­ren. Wie sehr Mareks Sau­na­haus fehlt, zeigt sich schon weni­ge Tage nach des­sen Schlie­ßung: Schnell haben sich etli­che der ehe­ma­li­gen Stamm­gäs­te in einer Face­book-Grup­pe zusam­men­ge­fun­den, um sich über Alter­na­ti­ven für den Sau­na­be­such aus­zu­tau­schen. Nur all­zu oft kann man Kom­men­ta­re lesen wie: “Eigent­lich ganz in Ord­nung, aber die Auf­güs­se kom­men bei Wei­tem nicht an die von Marek & Stef­fi ran. Und auch die Atmo­sphä­re fehlt irgendwie.”

Mareks Sau­na­haus ist geschlos­sen. Es ist trau­rig, aber lei­der wahr. Es ist nun käl­ter in Berlin.

Geschrie­ben haben den Text Hol­ger Stein­bach und Bas­ti­an Roet, die bis zur Schlie­ßung Stamm­gäs­te in Mareks Sau­na­haus waren.

Wei­ter­le­sen?
Wedeln für Fort­ge­schrit­te­ne in Mareks Saunahaus

Gastautor

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3 Comments Leave a Reply

    • Ich wer­de sie auf jeden Fall ver­mis­sen. Und ich ärge­re mich, dass ich sie dann doch nicht auf­ge­schrie­ben habe.

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