Wo Schienenstränge und eine Autobahn die Stadt zerschneiden und Industrie- oder Kraftwerksgebäude den freien Blick über das Gelände behindern, überragt ein rotbrauner 52 Meter hoher Turm die gewerblich geprägte Stadtlandschaft. Hier, zwischen dem Wedding und der “Insel” Moabit, krönt er das backsteinverkleidete Verwaltungsgebäude des Westhafens – ein für die Entwicklung und die Versorgung der Stadt bedeutender Warenumschlagplatz.
Eine Stadt, zwei Häfen
“Berlin wurde aus dem Kahn gebaut” – so heißt es. Zahlreiche Ziegeleien, wie die im Museumspark Mildenberg bei Zehdenick, verfügten über einen Werkshafen oder wenigstens eine Spundwand an Kanälen und Flüssen. Jahrhundertelang wurde fast die gesamte Ziegelproduktion per Schiff versandt und an vielen kleinen Umschlagplätzen (wie dem Urbanhafen oder dem Nordhafen) in Berlin entladen. 1895 schlug der Stadtbaurat James Hobrecht vor, sowohl im Osten als auch im Westen der schnell wachsenden Stadt je einen großen Hafen anzulegen. 1913 wurde als Erstes der Osthafen an der Stralauer Allee fertiggestellt (inzwischen nicht mehr als Hafen genutzt).
Nachdem die Stadt Berlin das Gelände auf dem Gebiet des Gutsbezirks Plötzensee (bis 1915 außerhalb der Stadtgrenzen) gekauft hatte, konnte 1914 mit dem Bau des Westhafens begonnen werden. Durch den Krieg dauerte es mit der Fertigstellung bis 1923. Im gleichen Jahr wurde auch die Betreibergesellschaft BEHALA gegründet, die heute vollständig im Besitz des Landes Berlin ist. Auch nach 1923 wurde der Hafen immer weiter vergrößert, so dass er mit 430 000 m² zum zeitweise zweitgrößten Binnenhafen Deutschlands avancierte. Die Anbindung an das überregionale Wasserstraßennetz ist dank des Berlin-Spandauer Schiffahrtskanals/Hohenzollernkanals (in Richtung Havel/Oder/Elbe und Oberspree) sowie des Westhafenkanals (in Richtung Unterspree) hervorragend.
Versorgung aus der Reserve
Beeindruckend sind die neben den auf Schienen befestigten Kränen auch die einheitlich mit dunklen Ziegeln gestalteten Lager- und Speichergebäude (Architekten: Richard Wolffenstein und Wilhelm Cremer). Vor allem das imposante Verwaltungsgebäude, der Zollspeicher und der Getreidespeicher, der ebenfalls einen Turm besitzt, dominieren das Umfeld der beiden Hafenbecken. In letzterem Gebäude befand sich bis zur Wiedervereinigung eine der vielen Lagerstätten für die sogenannte “Senatsreserve”. Diese gesetzlich geregelte Vorratshaltung sollte im Falle einer erneuten Berlin-Blockade die Versorgung der Zwei-Millionen-Stadt West-Berlin für ein halbes Jahr gewährleisten. Heute wird der Speicher vor allem als Zeitungsarchiv, Geheimes Staatsarchiv und als Kinder- und Jugendbuchabteilung der Staatsbibliothek genutzt.
Fords T‑Modell vom Westhafen
Kaum bekannt ist heute noch, dass der amerikanische Autopionier Ford von 1926 bis 1931 sein berühmtes T‑Modell „Tin Lizzy“ im Westhafen¹ montieren ließ. Die Teile dafür wurden eigens aus Amerika angeliefert. Übrigens ist der Westhafen von Anfang an dank der Ringbahn gut ans Eisenbahnnetz angebunden gewesen. Ab 1961 kam noch die U‑Bahn (Linie 9) hinzu, allerdings zunächst unter dem Namen Putlitzstraße. Nach dem wesentlich bedeutenderen Westhafen, zu dem ein U‑Bahn-Ausgang unmittelbar führt, wurde die Station erst 1992 benannt.
2001 wurde ein Containerterminal eröffnet, das sowohl dem Schiffs- als auch dem Bahnverkehr dient. Dadurch ist der Westhafen bezogen auf die hier miteinander vernetzten Verkehrswege Wasser, Schiene und Straße das wichtigste Logistikzentrum Berlins. Was die Weiterverteilung der im Westhafen angelieferten Waren angeht, spielt aber auch der Berliner Großmarkt in unmittelbarer Nähe an der Beusselstraße eine große Rolle. Allerdings findet an Berlins Kohlekraftwerken ein noch höherer Güterumschlag statt².
Aber: Trotz der beeindruckenden Fläche des Westhafens fällt es schwer, hier so etwas wie echte Hafenatmosphäre zu schnuppern. Denn mit dem Binnenhafen Duisburg oder einem Seehafen wie Hamburg lässt sich Berlins wichtigster Anlegeplatz für Frachtschiffe eben doch nicht vergleichen.
¹ http://www.spiegel.de/einestages/kalenderblatt‑2–10-1930-a-948102.html
² http://www.schiffshebewerkndf.de/presse/pdf/Berlin_am_Wasser.pdf
es war nicht so gut 😦 weil man ja noch viel mehr schreiben könnte über die lieferrung,lieferzeiten und von wo das meiste kommt schade eigentlich
gabriel
[…] es wieder ein „Nordufer“. Auf der anderen Kanalseite erstrecken sich Tanks und Lagerhäuser des Westhafens und deuten an, dass die Großstadt ganz nah […]