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Lies mal! Wie Schüler Bücher lieben lernen

19. Dezember 2014
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lesepaten2Es ist Diens­tag, vier­tel vor neun. Doro­thea Peichl drückt die Klin­gel am Tor. „Sekre­ta­ri­at Carl-Krä­mer-Schu­le“, schallt es aus der Gegen­sprech­an­la­ge. „Peichl, ich bin zum Vor­le­sen hier.“ Mit dem Sur­ren öff­net sie die Tür, geht über den Hof und erreicht nach ein paar Trep­pen den Klas­sen­raum. Die Früh­rent­ne­rin wird sofort von eini­gen Kin­dern umringt, mit fünf Kin­dern, aus­ge­sucht von der Klas­sen­leh­re­rin, wird sie heu­te zwei Stun­den Lesen und auch etwas Schrei­ben üben.

Doro­thea Peichl ist Lese­pa­tin, ent­sandt vom Bür­ger­netz­werk Bil­dung. Das Pro­jekt gibt es seit 2005 – ehren­amt­li­che Lese­hel­fer besu­chen Schu­len und Kitas und lesen gemein­sam mit den Kin­dern. Doro­thea Peichl kommt jeden Diens­tag für zwei Stun­den zum Vor­le­sen an die Carl-Krä­mer-Grund­schu­le im Sol­di­ner Kiez und hat bei den Schü­lern Spaß an der Bücher­welt geweckt. „Frau Peichl, ich hat­te am Sams­tag Geburts­tag“, sagt ein Mäd­chen und umarmt sie. „Weiß ich doch“, lächelt die ehe­ma­li­ge Päd­ago­gin. „Schau mal, die­ses Buch ist für Dich.“ Jedes Geburts­tags­kind bekommt ein Buch von ihr geschenkt. Manch­mal ist es das ers­te Buch in der Familie.

Zum Lesen motivieren

lesepaten1Kin­der, in deren Fami­lie wenig gele­sen wird oder deren Mut­ter­spra­che nicht Deutsch ist, sind ein Fokus des Lese­pa­ten-Pro­jekts, genau­so ist es aber gene­rell die per­sön­li­che Zuwen­dung, die ein Kind beim Lesen­üben braucht. „Die Lese­pa­ten sind dafür eine wun­der­ba­re Unter­stüt­zung“, sagt Karo­la Hagen, Pro­jekt­ko­or­di­na­to­rin des Bür­ger­netz­wer­kes Bil­dung. „Wenn jemand in die Klas­se kommt und sich als neue Bezugs­per­son Zeit für ein Schul­kind nimmt, es in Ruhe an einem schwie­ri­gen Wort üben lässt – das ist sehr för­der­lich für den Lese­er­folg“, so Hagen.

Genau das macht Doro­thea Peichl jetzt. Mit zwei neun­jäh­ri­gen Mäd­chen der Klas­se setzt sie sich in die Biblio­thek auf ein beque­mes Sofa mit bun­ten Kis­sen. Die bei­den dür­fen sich ein Buch aus­su­chen, „Pau­la sieht Gespens­ter“ soll es sein. Beim Lesen wech­seln sich die bei­den ab. Zwi­schen­durch regt die Lese­pa­tin zum Gespräch über das Buch an: „Habt ihr denn auch schon ein­mal einen Streich gespielt?“, „Kann dei­ne Oma auch gut kochen?“

Das Bür­ger­netz­werk Bil­dung ver­mit­telt Lese­pa­ten in 320 Ber­li­ner Schu­len und Kitas, davon sechs im Sol­di­ner Kiez. In allen die­sen Ein­rich­tun­gen sind zur Zeit 2046 Lese­pa­ten aktiv. Die­se haben ganz ver­schie­de­ne Beweg­grün­de für den ehren­amt­li­chen Ein­satz. Für Stu­den­ten kann es fach­lich inter­es­sant sein, Älte­re möch­ten zum Bei­spiel Ihr Wis­sen wei­ter­ge­ben. An der Carl-Krä­mer-Grund­schu­le sind es acht Ehren­amt­li­che, die wöchent­lich in die Biblio­thek kom­men und dort den Kin­dern den Spaß an Wör­tern zeigen.

Kin­der nut­zen die Lesezeit

Nach 20 Minu­ten kommt das nächs­te Kind zu Frau Peichl in die Biblio­thek, ein neun­jäh­ri­ger Jun­ge, der sich sofort „Die Olchis“ aus dem Regal greift. Das Buch, das für die ers­te und zwei­te Klas­se gedacht ist, liest er lang­sam und erar­bei­tet sich jedes Wort kon­zen­triert. Als Beloh­nung liest ihm die Lese­pa­tin danach noch eini­ge Sei­ten vor – der Schü­ler schaut sie dabei bewun­dernd an.

Zeigt sich ein Erfolg bei den Lese­kin­dern? „Die Welt ver­än­de­re ich nicht“, meint die Ehren­amt­li­che, die bereits seit fast zehn Jah­ren für Kin­der vor­liest. „Aber mit der Zeit – die Lese­pa­ten gibt es ja nun seit 2005 – ist der Besuch des jewei­li­gen Lese­pa­ten wie eine Insti­tu­ti­on gewor­den. Die Kin­der freu­en sich jede Woche und nut­zen die Zeit richtig.“

Nun kommt ein Acht­jäh­ri­ger in die Biblio­thek, bei­de set­zen sich an den Tisch in der Biblio­thek. Bevor hier das Vor­le­sen begin­nen kann, müs­sen noch inten­siv Buch­sta­ben geübt wer­den. Eine Geschich­te macht dann am meis­ten Spaß, wenn man „d“ und „b“ aus­ein­an­der­hal­ten kann und „eu“ und „au“ rich­tig liest. Dar­an wer­den die bei­den in den kom­men­den 20 Minu­ten arbei­ten. Mit der indi­vi­du­el­len Zuwen­dung ist das Lesen der ers­ten Geschich­te nicht mehr weit.

Mit­ma­chen!
Möch­ten Sie Lese­pa­te wer­den? Dann mel­den Sie sich bei Frau Hagen unter: (030) 72 61 08 56 oder schrei­ben Sie eine E‑Mail: [email protected]. Wis­sens­wer­tes fin­det sich auf der Web­site. Inter­es­sen­ten für die Carl-Krae­mer-Schu­le mel­den sich bit­te bei Herrn Mor­gen­roth.

 

 Text: Simo­ne Lin­dow, Fotos: Ben­ja­min Renter

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