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In einem leeren Warenhaus:
Zwischen Staub und Stille: Karstadt träumt

Es ist still geworden in den oberen Etagen. Still wie in einer verlassenen Theaterkulisse, in der das letzte Stück gespielt, das Licht gelöscht und der Vorhang gefallen ist. Nur dass hier keine Requisiten übrig geblieben sind – sondern ein ganzes Kaufhaus. Unser Fotobeitrag unternimmt mit euch eine exklusive Führung durch leere Etagen.

Karstadt. Ein Name wie aus einer anderen Zeit. Wer heute durch die schmutzigen Scheiben ins Innere späht, sieht keine Kund:innen mehr, keine bunten Aktionsflächen, keine Wühltische. Stattdessen: Leere Regale, vergessene Schaufensterpuppen und ein Restaurant, das wirkt, als hätte jemand einfach mitten im Satz aufgehört zu essen und sei nie zurückgekehrt. Die Rolltreppen stehen still, eingefroren in einer Bewegung, die niemand mehr beginnt.

Aber vielleicht träumt dieses Gebäude noch.

Träumt davon, wieder voller Stimmen zu sein. Vom Kaffeekränzchen in der Haushaltsabteilung, von Kindern, die zwischen den Kleiderständern Verstecken spielen. Vielleicht stellt es sich vor, ein Ort zu sein, an dem Zukunft passiert – mit Ateliers statt Aktionsflächen, mit Nachbarschaftsräumen statt Parfümerie, mit Stadtgarten auf dem Dach statt Weihnachtsdeko im Hochsommer.

Vielleicht, ganz vielleicht, ist das hier gerade nur ein langer Atemzug vor etwas Neuem.

Denn so ein riesiger Leerraum mitten in der Innenstadt färbt auf alles drumherum ab. Die Müllerstraße war mal lebendiger. Und könnte es wieder sein – wenn jemand diesen leeren Koloss weckt. Oder ihm zuhört. Oder sich traut, anders zu denken.

Bis dahin bleibt Karstadt ein Schlafender Riese. Ein Ort voller Geschichten, die schon passiert sind – und vielleicht ein paar, die noch kommen könnten.

Die Fotos sind im April 2024 entstanden.

Fotograf: KabFotos030

Nur auf der Straßenecke ist wieder was los: Denn inzwischen ist in einem Teil des Erdgeschosses eine Lidl-Filiale entstanden.

7 Comments Schreibe einen Kommentar

  1. Ich finde es eine riesen sauerrei das das Karstadt in görlitz seit über 10 Jahren leer ist kann sich dss stadt görlitz leisten ?

  2. ich habe als Abteilungsleiter der Herrenartikel Abteilung das Haus 1978 mit eröffnet. Zwei Tage nach der Öffnung , hatte ich leere Regale. ich konnte garnicht so schnell Ware nach kaufen. unvergessen diese Zeit. Das dieses Haus schließen müsste , ist eine Schande. Ein Opfer unfähiger und gieriger Manager.

    • Es ist eine riesige Schweinere, dass den kleinen Leuten alles genommen wird, was einen lieb und teuer ist. Ich war 13 Jahre alt, als das stolze Karstadt eröffnet wurde.
      Man hat wirklich alles bekommen was man brauchte.
      Ich vermisse es sehr.

  3. Schade! Eine Etage mit Feinschmeckerlebensmitteln aus Berlin, eine andere mit non-Food Produkten von Berliner Produzenten zum Entdecken und eine Etage für den Tierbedarf wie bei Petco in NYC und das Kaufhaus wäre wieder voller Leben…

  4. Ja, zudem von mir Komplimente! Überrascht auch ich!
    Poesie für lost places!
    Der Dichter schweigt, wenn er redet, er redet, wenn er schweigt.
    Der Fotograf führt uns durch Hallen angefüllt mit warmen Licht
    hinter verschlossenen Jalousien -
    er führt uns zwischen Stille und Staub.

  5. Was für ein poetischer Text. Ganz ungewöhnlich für den Weddingweiser. Leider nennt ihr nur den Fotografen. Wer hat denn hier gedichtet?

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