Selbst wenn ihr nicht aus Berlin stammt, solltet ihr das Wort schon mal aufgeschnappt haben. Denn ein typisch Berliner Ausdruck für ein niedriges Wirtschaftsgebäude im Hinterhof ist der aus dem Französischen stammende Begriff “Remise”. In anderen deutschsprachigen Gebieten wird das Wort eher für Straßenbahndepots verwendet. In Berlin hingegen waren Remisen früher auf fast jedem größeren Hinterhof von Wohngebäuden zu finden. Wir zeigen euch ein paar besonders schöne Beispiele.
Remisen sind oft einfach nur Schuppen, Garagen und Werkstätten. Hier wurden häufig Kutschen und andere Wirtschaftsfahrzeuge untergestellt. Von den Blicken der Passanten auf der Straße abgeschirmt mussten die Remisen nicht besonders repräsentativ sein und wurden daher meist eher zweckmäßig errichtet. .
Vor allem in den in der Kaiserzeit entstandenen Wohnvierteln im Wedding gibt es sie. Manchmal sind es einfache unverputzte Ziegelbauten, manchmal sieht man auch noch Eisenfachwerk. Die niedrigen Gebäude wurden manchmal an riesige Brandwände angebaut. Besonders hübsche Exemplare sind später in schicke Wohnungen umgebaut worden – Wohnen im ruhigen Hinterhof kann sehr attraktiv sein und gilt heute als romantisch. Ein witziger Kontrast – hinter den bis zu sechs Stockwerken hohen Vorderhäusern (oft mit verputzter Stuckfassade und Balkonen) liegen die niedrigen, schlichten Remisen im Hinterhof. Auch im Wedding sind diese unscheinbaren Zweckbauten oft vom Abriss bedroht – wie das Beispiel der Koloniestraße 10 zeigt, wo ein Gewerbehof voller Ateliers Investorenarchitektur weichen soll.
Eine Sonderform sind die Garagenhöfe, die meistens aus der Zwischenkriegszeit stammen. Oft sind sie mit hölzernen Garagentoren, manchmal sogar mit einer Zapfsäule oder anderen Dingen ausgestattet, die der fachkundige Autofahrer brauchen könnte.
Neben den Remisen, die sich auf einzelnen Hinterhöfen befinden, gibt es im Wedding auch ganze Gassen aus solchen niedrigen Zweckbauten. Besonders ausgeprägt ist dies am Gesundbrunnen.
Ein besonders schöner Gewerbehof befindet sich hinter dem “Rotes Schloss” genannten Haus an der Prinzenallee 83 und drumherum. Das mit rotbraunen Klinkern und Terrakotten verzierte Vorderhaus von 1888–90 allein ist schon beeindruckend. Lang ziehen sich der straßenartige Höfe mit Remisen und Flachbauten bis zur Travemünder Straße an der Panke. Der Grund dafür sind die schmalen Parzellen zwischen Prinzenallee und der Panke, wo keine Mietshäuser errichtet werden konnten. Auch an der Rückseite, entlang der Travemünder Straße, ergeben Remisen ein pittoreskes, vorstädtisches Bild. Die vielleicht schönste beherbergt die Kellerbar “Wilma”.
Viele Wirtschaftshöfe, Remisen, Hinterhoffabriken und andere Gewerbebauten befinden sich im Straßenblock Badstraße/Bastianstraße/Böttgerstraße/Hochstraße. Dafür fehlen in diesem Block fast vollständig die ansonsten für den Altbau so typischen Hinterhöfe.
Natürlich braucht man auch eine Portion Glück, um auf die Hinterhöfe mit Remisen zu kommen. Nicht selten gibt es keinen offenen Durchgang auf die Privatgrundstücke. Ihr müsst dann hoffen, dass euch jemand hereinlässt. Bei der Entdeckung der Weddinger Hinterhöfe wünschen wir euch viel Erfolg!
Fotos (soweit nicht anders angegeben): Samuel Orsenne
Vor 60 Jahren hatte ich einen fast-Verlobten, er hatte eine kl Wohnung in der Soldiner Str. Da sollte ich hinziehen? Niemals. Damals erkannte man die Schönheiten im Wedding noch nicht. Schade.
Ein schönes Objekt ist der Hof Müllerstr.135
Wieder ein sehr schöner Beitrag
Grüße von einem ex weddinger