Heute steht nur noch ein kleiner Teil der Fabrikhallen der Tresorfabrik an der Panke, doch allein in den letzten 40 Jahren hat dieser Standort einiges erlebt. Wir nehmen euch mit zurück in die jüngere Geschichte, aber auch in die Gegenwart.
Wer an der Panke entlangwandert, hat sie sicher schon einmal gesehen, die langgezogene Backsteinhalle mit den sägezahnartigen Dächern. 1897/98 ist die 180 Meter lange Halle als Teil der Arnheimschen Tresorfabrik entstanden. Das Unternehmen der jüdischen Familie Arnheim konnte sich im Kaiserreich rasant entwickeln und erlangte einen ausgezeichneten Ruf, denn die vielen Privatbanken und expandierende Warenhausketten hatten einen großen Bedarf an Geldschränken. Am Ende des 19. Jahrhunderts verließ die Firma die Innenstadt und errichtete ab 1890 im Wedding zwischen Osloer Straße und Badstraße eine große Produktionsanlage samt Wohnhaus für Angestellte an der Badstraße 40/41.
Fotos: Joachim Faust
Bis zum Ersten Weltkrieg konnte das Unternehmen expandieren. In den 1920er Jahren wurde der Konkurrenzdruck immer größer, es gab Streiks, Massenentlassungen, Rechtsstreitigkeiten und schließlich die Enteignung der jüdischen Familie. Das Fabrikgrundstück wurde auf Betreiben der Deutschen Bank zwangsversteigert. Eine Kabelfabrik erwarb das Gelände, wo noch einige Jahre bis 1956 trotz leichter Kriegsschäden produziert wurde. 1966/67 wurde das Gelände zum kleinteiligen Gewerbehof. Doch immer wieder drohte der Abriss, was dazu führte, dass der Gewerbehof ab 1980 leerstand.
Intermezzo als "Pankehallen"
1982 vergab der Bezirk das Nutzungsrecht für die Fabrikgebäude an die Kulturinitiative Pankehallen e.V. Bereits im Juni 1982 fanden die Weddinger Kulturwochen statt, es gab ein kommunales Kino namens Lichtblick, die Geschichtswerkstatt, ein Café, verschiedene Initiativen fanden ein Zuhause. Sogar das Internationale Forum des Jungen Films der Berlinale war im Februar 1984 zu Gast. Aus der Geschichtswerkstatt ging später übrigens StattReisen hervor. Die Plattenaufnahmen der Hamburger Punkband Slime für das Album Live in den Pankehallen am 21.1.84 gelten als legendär, ebenso wie das Atonal-Festival im Dezember 1983 und viele Ausstellungen verschiedener Künstler:innen.
Foto: StattReisen
Doch das Areal mitsamt der Subkultur war einigen Politikern ein Dorn im Auge. Den immer drängender werdenden Abrissplänen des Senats stellte sich unter anderem die Weddinger Bezirksbürgermeisterin Erika Heß entgegen. Sie machte sich für eine vom Senat geförderte kulturelle Nutzung stark. Der Abriss konnte aber nur teilweise verhindert werden. Am Ende blieb nur noch das Berufswerk der Bildenden Künstler in Berlin (bbk) als Nutzer der Halle übrig. Dieses Gebäude mit seinen sägezahnartigen Sheddächern war 1983 unter Denkmalschutz gestellt worden. Ein Großteil der architektonisch bedeutsamen Hallen, u.a. die Maschinenhalle, wurde 1984 für ein Rückhaltebecken der Panke abgerissen. Das Becken, die Uferwege und die grüne Fußgängerbrücke an der Pankemühle wurden 1986 dann auch angelegt.
Optimale Arbeitsbedingungen für Bildhauer
Seit 1984 hat die Bildhauerwerkstatt des bbk dauerhaft ihren Sitz in der Fabrikhalle. Die Grundfläche der Hallen beträgt 3600 Quadratmeter, bei bis zu 12 Metern Raumhöhe. Es handelt sich um ein besonderes historisches Industriedenkmal, das optimale Arbeitsbedingungen durch Licht von oben bietet. In der Halle befanden sich Produktionsstraßen, die eine große Breite erfordern, daher gibt es nur wenige Stützen. 160 Meter lange Galerien bieten einen Überblick über die vielen Skulpturen und Kunstwerke, die in den verschiedenen Werkstätten entstehen. So gibt es eine Metallwerkstatt, eine Steinwerkstatt, eine Holzwerkstatt, eine Gips- und Formwerkstatt, eine Keramikwerkstatt und eine Kunststoffwerkstatt. Im Laufe eines Jahres arbeiten dort circa 300 Künstler*innen. Als Berlin 1987 seine 750-Jahrfeier hatte, gab es ein Bildhauersymposium in der Werkstatt.
Fotos (wenn nicht anders angegeben): Andaras Hahn
Das Beispiel der Bildhauerwerkstatt zeigt, dass auch in der vermeintlichen Kulturwüste Wedding in einem Zeugnis der Industriegeschichte des Stadtteils ein Ort der Berliner Kunstszene entstehen konnte, der heute nicht mehr wegzudenken ist.
Bildhauerwerkstatt, Osloer Str. 102 (für Fußgänger auch über die Travemünder Str. erreichbar)
Eine Gelegenheit zur Besichtigung bietet sich am Mittwoch, den 27. September bei einem Kiezspaziergang mit den Stadträten Ephraim Gothe und Dr. Almut Neumann. Treffpunkt ist um 14.30 Uhr vor der Fabrik Osloer Str., Osloer Straße 12. Es geht dann auch in die Bildhauerwerkstatt.