Kommt nach der Sanierung der Alten Nazarethkirche ein wenig mehr Glamour an den Leopoldplatz? Dafür könnte der Berliner Altmeister der Berliner Baukunst sorgen: Denn erst nach der Sanierung wird Karl Friedrich Schinkels Kirchenbau barrierefrei zugänglich und von einer breiteren Öffentlichkeit erlebbar sein.
Dass Schinkel “zieht”, weiß man von anderen seiner Vorstadtkirchen. Die wurden im Jahr 1835 gleich im Viererpack eingeweiht: neben der Nazarethkirche auch noch die Johanniskirche in Moabit, die Paulskirche an der Badstraße und die Elisabethkirche an der Invalidenstraße in Mitte. Letztere wurde im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigt, zu DDR-Zeiten dem langsamen Verfall überlassen und erst in den 1990er Jahren saniert. Genutzt wird sie seit 2001 als kultureller Veranstaltungsort – auch von allerhöchsten politischen Ebenen. So hielt dort 2009 Bundespräsident Horst Köhler seine “Berliner Rede”. Auch Künstler schätzen die Qualität und den Reiz des nur in seiner Rohform wiederhergestellten Kirchengebäudes: Schinkel war ein Meister der Proportionen und diese wirkten in dem unverputzten sakralen Raum geradezu mit magischen Kräften. In der Alten Nazarethkirche wird man künftig die ursprünglichen Schinkelschen Raummaße von einer Stelle aus immerhin erahnen können: Von der Apsis, also von dort, wo anfangs der Altar der Vorstadtkirche stand. Die Apsis wird in der ursprünglichen Höhe wiederhergestellt, die Zwischendecke, die den Baukörper sonst in zwei Stockwerke teilt, ist hier entfernt. Das Gemeindebüro unten ist durch eine Glaswand abgetrennt, der Gemeindesaal oben durch eine gläserne Brüstung.
Am 14. Mai, dem Tag der Städtebauförderung, führte die Innenarchitektin Charlotte Wiessner über die Baustelle: “Wir hatten anfangs angeregt, den ursprünglichen Raum wiederherzustellen. Das wäre aber wirtschaftlich für die Gemeinde nicht machbar gewesen”, erklärte sie. Das war schon im Jahr 1909 der Grund dafür, die Zwischendecke einzubauen. Damals wurden die Gottesdienste der Gemeinde in der 1893 eingeweihten, wesentlich größeren Neue Nazarethkirche abgehalten, der alte Schinkelbau wurde für die Gemeindearbeit genutzt. Denn bei der Einweihung der Alten Nazarethkirche im Jahr 1835 hatte Berlin gerade einmal 265.000 Einwohner. Der Wedding gehörte noch zu Berlin, damals gab es nur einige Hütten im Umfeld des heutigen Leo. Im Jahr 1909 dagegen zählte Berlin, jetzt einschließlich der heutigen Ortsteile Wedding, Gesundbrunnen und Moabit schon mehr als 2 Millionen Einwohner – mehr als doppelt so viele, wie heute auf diesem Gebiet wohnen. Die Kirchengemeinden platzten aus allen Nähten.
Heute wäre der alte Kirchenraum einschließlich seiner Empore zu groß für die Gemeinde. Und man braucht den Platz im unteren Geschoss für das Pfarrbüro, das seine Räume an der Nazarethkirchstraße mit der Kita tauschte, die 1974 in den unteren Teil des Schinkelbaus eingezogen war. Jetzt wünscht sich die Pastorin der Nazareth-Kirchgemeinde Judith Brock, dass der Versammlungsraum künftig vielfältig kulturell genutzt werden wird. “Hier fanden ja schon vor der Sanierung Konzerte statt. Das hat die Gemeinde immer nach Kräften unterstützt. Wenn jetzt der Aufzug eingebaut ist, könnte sich der Kreis der Nutzerinnen und Nutzer erweitern.” Ohne Aufzug konnten hier zum Beispiel keine Wahlen zur Stadtteilvertretung stattfinden. Aber auch für festliche Aktivitäten von Dritten war der Raum nicht nutzbar: der Hochschule für Technik etwa, der Charité oder von Bayer Healthcare. Der zentrale Platz des Ortsteils blieb unter seinen Möglichkeiten.
Wobei es, um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen, nicht das Ziel ist, den Wedding mit Glamour und Schick aufzuwerten. Andersherum wird ein Schuh draus: Die Eliten unserer Gesellschaft sollten vor sozialen Brennpunkten wie dem Leopoldplatz nicht verschont bleiben und sich ab und an hierher bemühen. Ob das Label “Schinkel” schon reicht, um das zu bewerkstelligen? Schinkel ist in Berlin-Mitte schließlich an vielen Orten präsent. Es sind, so verrät die Architektin, noch andere Attraktionen in Vorbereitung. So entwickeln zwei international bekannte Künstler aus Großbritannien gerade ein Lichtkonzept für den Innenraum und die Apsis: Claudia Moseley und Edward Shuster. Am Tag der Städtebauförderung 2023 wird man mehr darüber erfahren. Einige Monate später soll die Kirche, wenn alles glatt läuft, dann wieder geöffnet werden.
Text: Christof Schaffelder, Fotos: Andaras Hahn
Dieser Text erschien zuerst in der Sanierungszeitschrift Ecke Müllerstraße.
Hier haben wir schon einmal über die Sanierung berichtet.
Schinkel hat auch das Kirche in Gnesen (Gniezno) in Polen (Polska) mit wunderbar Eingang
BItte gewöhnt Euch doch an, “Zweiter Weltkrieg” groß zu schreiben, wie es, nicht ohne Grund, gute Sitte ist.
Dieser Text stammt nicht von uns. Er ist (wie ganz unten vermerkt) eine Übernahme aus der “Ecke Müller”. Offenbar stand das in der Zeitung falsch und uns ist der Schreibfehler bei der Übernahme durchgerutscht. Ich habe das jetzt korrigiert.
so lange der leopoldplatz vor der kirche jeden tag vermüllt und hinter der kirche wild gepinkelt und in der eco toilette nur drogen konsumiert wird sehe ich keinen glamour.