Am Runden Tisch Leopoldplatz herrschte fast schon Euphorie. Stefanie Remlinger, die Bezirksbürgermeisterin von Mitte, ist zwar auch sonst eine eher energische Frau. Doch am 4. Dezember zeigte sie sich am Runden Tisch Leopoldplatz regelrecht euphorisch. Der hatte eine halbe Stunde später als sonst üblich erst um 18.30 Uhr begonnen. Zuvor war Frau Remlinger offenbar noch über den Leo gelaufen. Und der erstrahlt in diesem Dezember in voller vorweihnachtlicher Pracht. Von der Maxstraße hinten bis vorne zur Müllerstraße sind die meisten Bäume bis hoch in die Spitzen mit unzähligen LED-Lampen behangen oder die Stämme mit Lichtbändern umwickelt. Ein starker Zauber geht von diesem Lichtermeer aus, der offenbar auch die Bezirksbürgermeisterin erreichte. Und nicht nur sie: Auch viele Anwohnerinnen und Anwohner waren voller Lob für diese von vielen nicht erwartete Pracht.
Ein Jahr zuvor war die Stimmung am Runden Tisch noch eine ganz andere. Zwar konnte die Bürgermeisterin damals positive Ergebnisse vom Sicherheitsgipfel verkünden, der trotz aller Haushaltsnöte Maßnahmepakete auf allen möglichen Ebenen beschlossen hatte. Aber vor Ort war davon noch nichts angekommen. Hier trieb die Winterkälte die obdachlosen Suchtkranken vom Leo zunehmend in die Hauseingänge und Treppenhäuser der umliegenden Wohnhäuser. Die Leute waren extrem verunsichert und zum Teil auch wütend. "Mein E-Mail-Account war damals voller Schimpfmails wegen des Leo. Letztens hat sich dagegen sogar jemand bedankt und uns ausdrücklich gelobt. Das zeigt mir: Es ist nicht alles gut geworden am Leopoldplatz, aber vieles besser", so erzählte die Bezirksbürgermeisterin.
Am Runden Tisch applaudierten die Anwohnerinnen und Anwohner der Wirtschaftsförderung des Bezirks, die die weihnachtliche Beleuchtung des Leopoldplatzes aus Mitteln des Sicherheitsgipfels organisiert hatte. In diesem Jahr entfiel übrigens die Weihnachtsbeleuchtung Unter den Linden, weil nicht genug Spenden zusammenkamen. Die Lichter am Leo symbolisieren für viele eine Wende, die Hoffnung macht und Mut dafür, dass es auch langfristig wieder bergauf geht. Tatsächlich ist die Anzahl der Suchtkranken, die sich tagtäglich auf dem Leo aufhalten, in diesem Sommer um fast zwei Drittel im Vergleich zum Sommer 2023 gesunken. So wurden damals vom Platzdienst bis zu 120 Suchtkranke am Tag gezählt, im Sommer 2024 dagegen nur noch 45, wie uns die Pressestelle des Bezirkes auf Anfrage mitteilte.
Das ist nicht zuletzt das Verdienst der Polizei, die nach dem Sicherheitsgipfel endlich die Ressourcen erhielt, die sie braucht, um auf dem Leopoldplatz mehr Präsenz zu zeigen. Und die sich inzwischen auch organisatorisch entsprechend aufgestellt hat: Im Abschnitt 17 gibt es jetzt eine dreiköpfige Steuerungsgruppe, die nur für den Leo zuständig ist und bei der alle Informationen zusammenlaufen. Das ermöglicht es den Ordnungshütern, auch kurzfristig auf die sich ständig verändernden Lagebilder zu reagieren. Denn die Crack-Dealer vom Leo tauchen jetzt kurzfristig an anderen Orten auf – etwa am Schäfersee in Reinickendorf – und die Suchtkranken folgen ihnen dabei. Aber auch dort treffen sie auf die Polizeikräfte der Direktion 1, die nicht nur für Wedding und Gesundbrunnen, sondern auch für Reinickendorf und Pankow zuständig ist. So einfach wie 2023 wird es ihnen hoffentlich nie wieder gemacht, einen offenen Straßenhandel mit Crack im nördlichen Berlin zu etablieren.
Ob die Wende aber tatsächlich gelingt, wird sich im kommenden Jahr zeigen. Dann werden nämlich die Maßnahmen des Sicherheitsgipfels auf vielen Ebenen zusammenlaufen, von der Image-Kampagne "We are Leo" über mannigfaltige kulturelle Aktivitäten bis hin zur Teilnahme am großen "Festival of Lights" im Herbst, die der Bezirk in Aussicht stellt. Die Finanzierung dieser Maßnahmen ist zwar gesichert, allerdings nur bis Ende 2025 und nur, falls das Land Berlin in der Zwischenzeit keine allgemeine Haushaltssperre verhängt. Wie es dann weitergeht, ist derzeit noch völlig offen.
Kulturelle Zwischennutzung des Karstadt verzögert sich
Die geplante kulturelle Zwischennutzung von Teilen des ehemaligen Karstadt-Warenhauses am Leopoldplatz verzögert sich. Das berichtete die Bezirksbürgermeisterin Stefanie Remlinger dem Runden Tisch am 4. Dezember. Selbst in seinen optimistischsten Planungen geht der Bezirk inzwischen davon aus, dass frühestens im Mai nächsten Jahres mit einer kulturellen Zwischennutzung begonnen werden könne.
Verantwortlich seien der ungünstige bauliche Zustand des Gebäudes und die komplizierten baurechtlichen Rahmenbedingungen. Der Bezirk sucht jetzt in einer Ausschreibung Fachplaner, die die geforderten Sicherheitskonzepte wie die Fluchtwegeplanung oder das Brandschutzkonzept entwickeln können, sodass ein entsprechender Bauantrag gestellt werden kann. Man stehe kontinuierlich im Kontakt mit dem Eigentümer des Gebäudes, der Versicherungskammer Bayern, sei aber noch recht weit von einem konkreten Vertragsabschluss entfernt.
Auch die im vorderen Teil der Erdgeschosszone angedachte Nutzung durch einen großen Lidl-Markt könnte sich aus diesen und ähnlichen Gründen verzögern. Jedenfalls ging die Bezirksbürgermeisterin nicht davon aus, dass eine solche Nutzung in Kürze beginnen könne: Die baulichen Voraussetzungen im Gebäude seien viel schlechter, als im Vorfeld vermutet wurde. So könne man zum Beispiel die völlig veraltete Heizungsanlage nur im Ganzen und nicht im Einzelnen regulieren.
Zwei Infopoints für den Leopoldplatz – Anlaufstelle nicht nur für die Anwohnenden
Gleich zwei "Infopoints" sind jetzt auf dem Leopoldplatz in Betrieb. Ein Bauwagen steht vorn neben dem Café Leo, ein weiterer hinten auf dem neu gestalteten Maxplatz. Ein Team aus fünf männlichen Mitarbeitern der Wendepunkt gGmbH betreut sie, darunter ist auch der Sprecher der Bürgerinitiative WirAmLeo, Sven Dittrich. Die fünf sollen in erster Linie Ansprechpartner für die Menschen sein, die den Leopoldplatz tagtäglich nutzen. Vorn am Café Leo geben sie darüber hinaus den Schlüssel für die City-Toilette aus und stellen damit sicher, dass diese wieder für die Allgemeinheit nutzbar ist. In der Vergangenheit war sie meist permanent gesperrt, weil sie von der Drogenszene als Konsumraum missbraucht und wohl auch zur ungestörten Herstellung der Droge Crack aus Natron und Kokain genutzt worden war. Dabei wurde sie meist völlig verdreckt und für ein breites Publikum nicht mehr benutzbar zurückgelassen. Auf dem Maxplatz erhält man über den Infopoint auch den Zugang zu Gärtnerutensilien für den hier befindlichen Gemeinschaftsgarten.
Zwei der Mitarbeiter sind darüber hinaus mit einem Lastenfahrrad im Platzbereich unterwegs und sollen kleinere Reparaturen ausführen und für Sauberkeit sorgen. Auch sie sind aber vor allem Ansprechpartner für die Bevölkerung. Sie stehen auch in regelmäßigem Kontakt mit der Polizei und den wichtigsten Ansprechpartnern in der Bezirksverwaltung. Wer also Beobachtungen macht oder Anregungen hat, kann sie am Infopoint mitteilen.
Im Winter sind die zwei Infopoints montags bis freitags von 8 bis 16.30 Uhr geöffnet. Sonntags hält nur der auf dem Maxplatz seine Türen von 10 bis 16.30 Uhr offen, während des Weddingmarktes auch der andere. Im Sommer sind längere Öffnungszeiten geplant.
Autor: Christof Schaffelder
Dieser Artikel erschien zuerst in der Sanierungszeitschrift "Ecke Müllerstraße"