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Kreative Begrüßungsgeld-Auszahlung:
Eine Million in der Plastiktüte

Beim nächsten Mauerfall machen wir es besser - gelobte das Bezirksamt Wedding

Dass der Mauerfall an der Bösebrücke - und damit direkt an der Grenze zum Wedding - seinen Ausgang nahm, ist allgemein bekannt. Doch was passierte am nächsten Tag? Aus Anlass des 35-jährigen Mauerfalljubiläums lassen wir Bernd Schimmler als Zeitzeugen berichten. Den Text haben wir aus seinem Buch entnommen.

Die Entwicklung in der DDR wurde sehr aufmerksam beobachtet, insbesondere die mächtigen Demonstrationen in Leipzig oder am Alexanderplatz. Dass es dann so schnell mit der DDR zu Ende ging, war trotzdem überraschend. Der Autor dieser Zeilen fragte seine Frau, als er die Pressekonferenz von Günter Schabowski sah: „Weiß der, was er da gesagt hat?“ Bald darauf klingelten die Telefone und am nächsten Morgen traf sich das Weddinger Bezirksamt zu einer Sondersitzung und die Ausgabe des sog. Begrüßungsgeldes wurde organisiert. Es gab keine Probleme, Mitarbeiter auch für das Wochenende zu finden, die das Begrüßungsgeld im BVV-Saal auszahlten, während sich auf dem Rathausvorplatz lange Schlangen bildeten. Kurz nach Mitternacht meinte das Bezirksamt den Mitarbeitern eine Pause gewähren zu müssen. Zwar bot der Personalratsvorsitzende an, dass die Kollegen und Kolleginnen durchmachen würden, bis die Schlange abgearbeitet sei. Doch Bürgermeister Hans Nisblé und weitere Stadträte gingen zur Schlange der Wartenden, erklärten den Abbruch der Auszahlung und alle gingen friedlich auseinander, um am nächsten Morgen wieder da zu sein. Da wurden dann zahlreiche Busse eingesetzt, auch durch die französische Schutzmacht, um die DDR-Bürger von den wenigen offenen Grenzübergängen zu den Zahlstellen zu bringen.

Blick auf ein Verwaltungsgebäude

Am nächsten Tag ging uns dann das Geld aus der Bezirkskasse aus, obwohl der Kassenleiter am Vortag gut vorgesorgt hatte. Ein Telefonat mit der gegenüberliegenden Berliner Bank half. Der Kassenleiter, Finanzstadtrat Horst-Dieter Havlicek und Begleitung gingen zur Bank und kamen unbemerkt mit Einkaufstüten und einer Million D-Mark in Fünfziger- und Hunderter-Scheinen zurück. Das Begrüßungsgeld konnte an den Ausgabestellen weiter ausgestellt werden.

Alle waren froh, diese Herausforderung gemeistert zu haben, der Andrang ließ in der Folge nach. Aber dann: Nach etwa vier Jahren lag auf dem Tisch der Bezirksamtsmitglieder ein Bericht des Rechnungshofs. Kühl und sachlich wurde festgestellt, dass das Bezirksamt beim Abholen des Geldes und bei der Auszahlung im BVV-Saal gegen sämtliche Kassensicherungsvorschriften verstoßen hatte. Was sollte da Bezirksamt antworten? Der Rechnungshof hatte recht! Dem Finanzstadtrat Havlicek fiel dann eine treffende Formulierung ein – das Bezirksamt antwortete: „Ja, der Rechnungshof hat recht. Das Bezirksamt wird sich bei der nächsten Wiedervereinigung an die Kassenregelungen halten.“ Das Bezirksamt hat vom Rechnungshof in dieser Sache nichts mehr gehört!

Die nächsten Wochen und Monate wurden dann genutzt, die Straßenverbindungen wiederherzustellen. Dazu mussten die Verwaltungen insbesondere der Polizei in beiden Teilen der Stadt verstärkt zusammenarbeiten. Das war nicht immer einfach, so wurde die Brunnenstraße erst am 9. März 1990 für den Autoverkehr geöffnet.

Begrüßungsgeld: Nach den Ostverträgen von Anfang der 1970er Jahre mit ihren Reiseerleichterungen auch für DDR-Bürger (zumeist im Rentenalter) führte die Bundesregierung ein Begrüßungsgeld in Höhe von zunächst 30 DM ein, da die DDR-Behörden nur eine Ausfuhr in den Westen in Höhe von 70 Mark der DDR erlaubten. Die Mark der DDR hatte in der Bundesrepublik und in West-Berlin erheblich weniger Wert. 1987 wurde das Begrüßungsgeld dann auf 100 DM erhöht, nachdem die DDR den zur Ausfuhr erlaubten Betrag auf 15 Mark der DDR reduziert hatte. Das Westgeld wurde gegen Vorlage der DDR-Ausweispapiere ausgezahlt und dort auch vermerkt.

Autor: Bernd Schimmler, Fotos: Ulrich Wicke

Auszug mit freundlicher Genehmigung des Autors aus dem Buch "Der Wedding - Vergangenheit und Veränderung" ISBN 978-3-946327-35-6

Gastautor

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