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Demokratie-Kolumne: Symbolwahl zum EU-Wahl:
Hier lebe ich. Hier wähle ich

12. Mai 2024

Am 9. Juni finden die Wahlen zum Europäischen Parlament statt. In Mitte finden vom 21. bis 27. Mai zusätzlich die Symbolwahlen für Menschen ohne Wahlrecht statt. In der Fabrik Osloer Straße e.V. öffnet das Wahlbüro zur zum EU-Parlaments-Symbolwahl am 24. Mai während des Festes der Nachbarschaft.

Die Unionsbürger:innen wählen die Mitglieder des Europäischen Parlaments für die nächste fünfjährige Legislaturperiode. Die gewählten Abgeordneten des Europäischen Parlaments werden sich dann einer der sieben Fraktionen anschließen, neue Gesetzte gestalten und beschließen, und dabei die Unionsbürger:innen vertreten. Wie die zahlreichen Wahlplakate auf den Straßen uns zeigen, geht es um vieles: Sozialschutz, Klima und Umwelt, Lebensmittel und Landwirtschaft.

Die Entscheidungen, die im Europäischen Parlament getroffen werden, beeinflussen unser Leben in Europa, in Deutschland und im Wedding. Apropos „unser Leben“. Wahlberechtigt sind nur EU-Staatsangehörige, unsere Gesellschaft umfasst aber viel mehr Menschen, die ihren Lebensmittelpunkt in Berlin beziehungsweise in Europa haben. Laut dem Amt für Statistik Berlin Brandenburg liegt der Anteil der Einwohner:innen ohne deutsche Staatsangehörigkeit in Berlin bei 24,4 Prozent (Stand 31.12.2023). Davon haben 60,7 Prozent eine europäische Staatsangehörigkeit; der Rest (39,3 Prozent) sind Menschen aus den sogenannten Drittstaaten und Menschen, die staatenlos sind.

Im Mitte sind es zirka 93.000 Menschen, die am 9. Juni nicht wählen dürfen. Das ist knapp ein Drittel der Einwohner:innen unseres Bezirks. Für Betroffene bedeutet die Verweigerung dieses Grundrechtes ein Weniger an Mitbestimmung und Teilhabe in der deutschen Gesellschaft. Jene Gesellschaft, die häufig Zuwanderer:innen Integrationsverweigerung vorwirft. Wie sieht es aber mit der Teilhabebereitschaft einer Gesellschaft aus, in der das aktive und passive Wahlrecht nicht an der Wahl des Wohnortes, sondern der Staatsbürgerschaft geknüpft ist? Auf diesen Ausschluss wollen wir aufmerksam machen, die Betroffenen unterstützen und über das Thema ins Gespräch kommen.

Zwei Wahlen. Wer darf wählen?

Seit 2017 organisiert "Demokratie in der Mitte" zusammen mit dem Bezirksamt Mitte Symbolwahlen. Auch dieses Jahr können Menschen, die kein Wahlrecht besitzen, ihre Stimme in einem der 20 Wahllokale bezirksweit abgeben - vom 21. bis 27. Mai. In der Fabrik Osloer Straße in der Osloer Straße 12 öffnet das Wahlbüro am 24. Mai während des Festes der Nachbarschaft und dann nochmals am Sonntag, den 26. Mai, im Büro von Demokratie in der Mitte (ebenfalls in der Fabrik Osloer Straße. Mehr Wahlbüros im Bezirk mit Öffnungszeiten sind online zu finden: www.symbolwahl-berlin-mitte.de/wahllokale/

Die Wahlen finden frei und geheim statt, die Stimmen werden gesammelt und ausgezählt und das Ergebnis in einer Pressekonferenz am 29. Mai durch Bezirksbürgermeisterin Stefanie Remlinger (Grüne) bekannt gegeben.

Wem gehört das Wahlrecht?

Das Recht zu wählen und damit mitzubestimmen, welche Parteien Regierungsverantwortung erhalten, ist ein hart erkämpftes Grundrecht in einer demokratischen Gesellschaft. In Deutschland bestimmen die Artikel 20 und 28 des deutschen Grundgesetzes das Wahlrecht, wonach die politische Macht vom Staatsvolk ausgeht. Wer aber zählt alles zum Volk? Und was bedeutet die Kopplung der Wahlberechtigung an die deutsche Staatsbürgerschaft und nicht an den Wohnort?

Symbolwahl: Ein Wahllokal in der Fabrik Osloer Straße bei einer früheren Symbolwahl. Foto: Fabrik Osloer Straße
Symbolwahl: Ein Wahllokal in der Fabrik Osloer Straße bei einer früheren Symbolwahl. Foto: FOS e.V.

Der Erhalt der deutschen Staatsangehörigkeit war und bleibt mit hohen Hürden verbunden, auch nach der Reform des Staatsangehörigkeitsrechts. Eine Einbürgerung kann erst nach acht Jahren Aufenthalt beantragt werden, zudem ist ihr Erhalt mit Kosten, Zeit- sowie Kraftaufwand verbunden und für Mi­gran­t:in­nen und ihre Kinder an Bedingungen geknüpft, die für Deutsche nicht gelten. Mit dem Maastricht Vertrag wurde 1992 das Wahlrecht auf kommunaler Ebene für EU-Staatsangehörige eingeführt und dann 1994 in der EG-Richtlinie 94/80 festgelegt. Warum wird dieser Gleichbehandlungsgrundsatz nicht auf Drittstaatenangehörige ausgeweitet?

Weltweit gibt es vier Länder, die Menschen ohne Staatsangehörigkeit die Wahl auf nationaler Ebene ermöglichen. Seit 1975 schon dürfen in Neuseeland alle Einwohner:innen, die eine dauerhafte Aufenthaltsbewilligung haben, wählen. Ebenso ist es Ausländer:innen in Chile, Uruguay und Malawi gestattet, auf nationaler Ebene zu wählen. In einigen Ländern ist Ausländer:innen die Wahl auf kommunaler Ebene gestattet. Wie würde sich die Ausweitung des Wahlrechts auf alle Einwohner:innen Europas auf die Akzeptanz europäischer Politik auswirken?

Wohin mit allen diesen Fragen?

Zum Beispiel zu der Informations- und Austauschveranstaltung zur Europawahl 2024, zur Symbolwahl 2024 und zum Wahlrecht am 17. Mai von 16 bis 18 Uhr in die Fabrik Osloer Straße, Osloer Straße 12. Eingeladen sind alle, die über die Europäische Union, über die Europawahl und das Wahlrecht ins Gespräch kommen möchten. Die Veranstaltung findet statt im Geburtstagsraum im ersten Hof (Erdgeschoss) der Fabrik Osloer Straße statt.

demokratieindermitte

Demokratie in der Mitte eine Fachstelle für Demokratie-Entwicklung und diskriminierungskritischer Arbeit, angesiedelt in der Fabrik Osloer Straße e.V. Mehr zum Projekt und den Angeboten steht auf www.demokratie-in-der-mitte.de.

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