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Das Loch vom Wedding

Der Neujahrsspaziergang führte zahllose Weddinger an ein abgesperrtes Loch an der Seestraße, wo mit einem Bagger Erdreich ausgebaggert wurde. Was war der Grund? Manche Berliner hatten es ganz nebenbei beim Raclette nur übers Handy mitbekommen: Es gibt kein Trinkwasser an Silvester! Die stadtweite Störung hatte ihre Ursache bei uns im Wedding.

Diese Silvesternacht war in diesem Jahr alles andere als gewöhnlich: Die üblichen Böller und die Knallerei wurden diesmal von einem spektakulären Großereignis überschattet. Ein Wasserrohrbruch sorgte dafür, dass Hunderttausende Berlinerinnen und Berliner am Silvesterabend ab 20 Uhr ohne Trinkwasser dastanden – ein Albtraum, der ausgerechnet am letzten Abend des Jahres Realität wurde. Die fast 100 Jahre alte, 76 cm Durchmesser zählende Frischwasserleitung aus Grauguss, die direkt ans Wasserwerk Tegel angebunden ist, sorgte in wenigen Minuten für einen veritablen See auf der Kreuzung Seestraße/Guineastraße. Die Seestraße machte, wie viele Kommentare auf sozialen Netzwerken anmerkten, ihrem Namen alle Ehre. Am Eckhaus zur Guineastraße wurde der Gehweg unterspült, die Keller überschwemmt - noch bis spät in den Neujahrsmorgen hinein musste das mit Erdreich vermischte Wasser abgepumpt werden. "Der See an der Seestraße erinnerte durch den vielen Sand ans Wattenmeer", schreibt uns Anwohner Nico Lenz. Er berichtet auch, dass Anwohner:innen mit einem Gummiboot auf dem See fuhren und Papierboote ins Wasser gesetzt haben.

Foto Nico Lenz

Nachdem die Berliner Wasserbetriebe in Rekordzeit - trotz Silvester! - die Versorgung wiederherstellten, und als das Wasser abgepumpt war, hinterließ der Vorfall an der Seestraße ein beeindruckendes 20-Quadratmeter-Loch mitten auf dem begrünten Mittelstreifen - keine Fahrbahn ist betroffen. Am Neujahrstag prägten Bagger und neugierige Spaziergänger*innen das Straßenbild – ein Anblick, der fast so spektakulär wirkte wie das Silvesterfeuerwerk selbst. Zu sehen ist deutlich, dass die Straßenbahnschienen unmittelbar am "Weddinger Loch" verlaufen und so schnell keine Straßenbahnen mehr sehen werden. Die drei Bahnen an der Wendeschleife wurden per Unimog abgeschleppt - die Seestraße ist nun vom Straßenbahnnetz abgeklemmt.

Für die Weddinger:innen bleibt die Baustelle ein Zeichen dafür, dass 2025 mit großen Herausforderungen startet. Das alte Rohr soll nun zwischen Müller- und Guineastraße ausgetauscht werden. Die Straßenbahnlinien M13 und 50 müssen auf unbestimmte Zeit pausieren, und Ersatzbusse bringen die Fahrgäste nun, deutlich langsamer und - garantiert im Stau - an ihr Ziel. Besonders ärgerlich ist, dass die Tram gerade erst über zwei Monate lang nicht gefahren ist.

Doch eines ist sicher: Im Wedding meistert man solche "Katastrophen" mit Humor und einem Schulterzucken. Schließlich liefert jetzt der Stadtteil bereits ab Tag 1 des neuen Jahres Gesprächsstoff für viele Wochen.

Foto: Katrin Kleemann

Joachim Faust

hat 2011 den Blog gegründet. Heute leitet er das Projekt Weddingweiser. Mag die Ortsteile Wedding und Gesundbrunnen gleichermaßen.

8 Comments Leave a Reply

  1. Obwohl nicht so recht zum Thema passend. Straßenbahnlinie 3 seinerzeit auch ein Transportmittel für hoch Schwangere. Januar 1954, meine Mutter merkte, bald ist es soweit. Vater als Polizist hatte Nachtdienst, Telefon im Haus hatte niemand. Mutter lief mit gepacktem Köfferchen zur Endhaltestelle der Linie 3, Grüntaler Str., nächtens allein, bei klirrender Kälte. Bat den Fahrer außerplanmäßig gleich mal loszufahren, was der auch tat. Bis Luise-Schröder-Platz, dann noch 300 - 400 Meter zu Fuß zum Kinderkrankenhaus Wedding. Gerade noch geschafft. Kreissaal nicht geheizt. Mutter und ich haben keinen Schaden genommen. Ich meine, die Damen waren früher um einiges härter als heutzutage.

  2. Entsinne mich noch gut an die vormalige Straßenbahnlinie 3 in West-Berlin. Enthalt Grüntaler Str., fuhr etwa bis Fehrbelliner Platz. Radwege Osloer- und Seestr. beidseitig auf dem Grünstreifen der Trasse gelegen. Nach Mauerbau kaum noch Nachfrage, so etwa 1964 Aufgabe der Strecke, Ersatz durch Buslinie 89. Nach Mauerfall Reaktivierung der Straßenbahn ab Bösebrücke dann nur noch bis Plötzensee. Fahre selten die Strecke, Reminiszenzen an Kindheitstage.

  3. Es kann immer mal eine Dürre kommen, stand schon in der Bibel: Eine große Dürre wird kommen (jetzt bin ich verheiratet). Für Getränkemangel gibts ’nen Trick: Wässerchen in 0,7 Liter-Flasche als Reserve, verwendbar auch als Desinfektionsmittel, als Problemlöser und zum Stressabbau, manchmal wissen die Russen doch, was gut ist. Damit will ich natürlich nicht meine politische Meinung hier wiedergeben.

  4. Ich wundere mich auch jedes Mal wie wenig Liebe und Aufmerksamkeit diese Tramstrecke erfährt. Jedes Jahr werden monatelange Sperrungen kommentarlos hingenommen und jetzt ist sie wieder höchstens eine Randbemerkung in den Berliner Medien. Wenn man es wirklich ernst meint, mit der Verringerung des PKW-Verkehrs, muss sich das ändern.

  5. Also so richtig viel Humor hab ich nicht mehr übrig, wenn ich daran zurück denke wie oft und für wie lange die Tramgleise in den letzten Jahren saniert und repariert wurden – lange Zeiträume, in denen es sich angeboten hätte, ein 100 Jahre altes, parallel zu den Schienen verlaufendes, Wasserrohr mit auszutauschen.

  6. Bei uns in der Antwerpener war das Wasser auch ausgefallen, etwa von 20 bis 20:40, ebenso bei meiner Bekannten zwei Straßen weiter. Die Ansage bei den Wasserbetrieben, der BWB, hätte etwas informativer sein können, als nur die Überlastung der Leitung dem Auflegen vorhergehen zu lassen. Nur gut, dass im Späti noch Selters zu haben war!

  7. Hallo und schönes neues Jahr!!!!
    icke hatte Wasser….!!! war nur een bischen schwach uff de Brust der Strahl, da icke aba mit die Böllerei nüscht am Hut habe , bin icke schon im Bette jewesen und hab noch een bischen wat jelesen und dann die Funzel ausjemacht
    Keen Strom wäe schlimmer jewesen
    in diesem Sinne
    PS: bis nach Wilmersdorf, Charlottenburg , Pberg und X-Berg gab es kein Wasser

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