"Supergirl!!!", ruft ein Mädchen links in der ersten Reihe, Suli Puschban schlägt die Saiten ihrer Gitarre an, das zirka einjährige Baby auf der anderen Seite der Reihe wippt (quasi) im Takt, die Eltern klopfen ihn auf den Oberschenkeln mit und alle Kinder springen von den bunten Sitzblöcken, reißen die Arme in die Luft und singen zusammen den Refrain „Ah, ah, ah Supergirl“ des 2019 auf dem Album „Rette mich“ erschienenen Songs über eine Superheldin im blauen Cape.
Es ist Mittwoch (21.2.) und es ist die dritte Veranstaltung der neuen, kostenlosen Konzertreihe Musik-Salon Luise in der Bibliothek am Luisenbad. Das erste Familienkonzert dieser Reihe ist gut besucht: Die zirka 80 Sitzplätze sind mit Eltern und Spontanbesucher:innen besetzt, als das Konzert beginnt. In den beiden ersten Reihen auf den bunten Sitzquadern tummeln sich etwa 25 Grundschulkinder in Strümpfen, die hüpfen, mitsingen, tanzen und manchmal artig sitzen und zuhören. Aber immer nur, um kurz auszuruhen, denn bei der Kreuzberger Kinderliedermacherin Suli Puschban geht es nicht um Stillsitzen und Zuhören. Darauf bereitet sie ihr Publikum gleich vor dem ersten Song des Abends „Der Wurm“ vor, indem sie die Kinder nach ihren Vornamen fragt und diese in den Text des Liedes einbaut oder spontan neue Zeilen damit dichtet.
Während des einstündigen Konzerts im Puttensaal der Bibliothek bezieht die deutsch-österreichische Liedermacherin ihr Publikum immer in ihr Konzert mit ein, etwa um den Refrain mitzusingen oder mit Gebärden für einzelne Textzeilen, wie in dem Song „Groß und Klein“, bei dem sie den Kindern in einem Schnellkurs die Gebärden für „Schere“, „Papier“ oder „Freundin“ beibringt. Dabei achtet die „einzige Frontfrau einer Rockband in der deutschsprachigen Kinderliederlandschaft“ und studierte Pädagogin darauf, dass Musikhören und Mitmachen sich immer wieder abwechseln, sodass die Kleinen bei der Stange bleiben. Denn sowohl Kinder als auch Eltern haben bei Konzertbeginn um 18 Uhr schon einen Schul- und Arbeitstag hinter sich und wenn eine:r mal schwächelt, bringt Suli Puschban mit ein paar Worten im Wiener Dialekt, den sie ab und zu anklingen lässt, alle wieder zum Mitwippen und -singen.
„Die Texte sind super und ich mag ihre ernsthaft-liebevolle Mischung aus Berliner Schnauze und Wiener Schmäh“, sagt der junge Vater Simon, der mit seinem siebenjährigen Sohn und dessen Freund gekommen ist. „Wir kannten die Sängerin nicht, aber wir sind oft in der Bibliothek und haben den Aushang fürs Konzert gesehen“, sagt er und dass er es schätze, solche Angebote gleich in der Nachbarschaft zu haben.
Auch den anderen Eltern und Kindern merkt man die gute Stimmung an, die Suli Puschbans Lieder verbreiten, die allesamt Werte wie Offenheit, Feminismus, gesellschaftliche Teilhabe oder kritisches Denken in kindgerechter Form mit eingehenden Rhythmen verbinden. Zum Beispiel in ihrem 2023 erschienenem Song „Eine gute Frage“, der auch der Titel des Konzertabends ist. In diesem Lied, das in Zusammenarbeit mit der Liedermacherin Dota Kehr entstanden ist, werden scheinbar leichte Kinderfragen wie „Ist es mutig, wenn man sich was Blödes traut“ oder „Warum ist Waffenbau nicht etwas, was man einfach verbieten kann?“ gestellt, die gar nicht so leicht zu beantworten sind. Oder in dem Song „Wir stehen auf“, in dem Puschban mit der Zeile „Menschen ohne Rückgrat ham wir schon zu viel“ die Liedermacherin Bettina Wegner mit einer ihrer bekanntesten Balladen „Kinder (Sind so kleine Hände)“ zitiert.
Nach einer Stunde Musik mit ausgiebigem Mithopsen und -singen mit zwei Zugaben ist das Kinderkonzert im Puttensaal vorbei, am Merchstand können noch CDs und T-Shirts der Sängerin erstanden werden – wie bei den Großen. Für die gibt es demnächst auch wieder kostenlose Konzertangebote des Musik-Salon Luise in der Bibliothek am Luisenbad, zum Beispiel am 13. März um 18 Uhr mit dem Klavierabend „Love Letters“ mit Giedre Lutz und am 24. April ebenfalls um 18 Uhr mit einem Konzert des Neuen Jazzchor Berlin.