Nicht nur am Weltblutspendetag (14. Juni) gibt es im Wedding die Möglichkeit, Blut zu spenden. Was aber erwartet euch, wenn ihr euch dazu entschieden habt, im Virchow-Klinikum 500 ml Blut zu spenden? Wir haben es für euch ausprobiert. Übrigens: Nachahmung dringend empfohlen.
Für eine Vollblutspende kann man während der Öffnungszeiten ohne Termin im Virchow-Klinikum vorbeikommen. Zuerst füllt man einen zweiseitigen Fragebogen aus, anhand dessen geklärt wird, ob man als Spender in Frage kommt. Dies schützt den Empfänger, aber auch den Spender. Das Spenderblut muss frei sein von gefährlichen Viren, durch die der Empfänger sich mit einer eventuell unheilbaren Krankheit infizieren könnte. Neben der Abfrage von persönlichem Risikoverhalten wie Drogenkonsum oder bestimmten Reisezielen gibt es auch einen generellen Ausschluss von Risikogruppen wie Prostituierten oder homosexuellen Männern. Andere Fragen dienen dem Schutz des Spenders, denn die Einnahme von manchen Medikamenten setzt die Fähigkeit des Körpers zur Blutplättchenbildung oder zur Blutgerinnung herunter.
Ich gebe den ausgefüllten Bogen ab und setzte mich in den Warteraum. Den ganzen Vormittag habe ich schon besonders viel getrunken. An zwei Getränkeautomaten kann man vor der Spende noch ausreichend Flüssigkeit zu sich nehmen. Die Ärztin ruft mich recht schnell in ein Behandlungszimmer, wo meine Temperatur, mein Blutdruck und mein Hämoglobinwert gemessen werden. Außerdem geht sie mit mir gemeinsam meinen Fragebogen durch. Hinter ganz einfachen Fragen wie der nach kürzlichen Reisen ins Ausland steht das ganze Wissen der Ärztin über Verbreitungsgebiete von gefährlichen Krankheiten wie Malaria, Hepatitis, oder dem Zika-Virus. So kann sie gezielt nachfragen, um ein mögliches Risiko auszuschließen. Wir werden unterbrochen: Die Ärztin muss rasch zu einem Patienten kommen, der umgekippt ist. Auch ich werde informiert: Es kann zu Nebenwirkungen kommen.
Bei mir stimmen alle Werte. Weil ich schon häufiger bei der Blutspende war, muss mir die Ärztin nicht mehr viel erklären. Wer sich noch nicht auskennt, bekommt eine ausführliche Anleitung. Erstspender sollten großzügig Zeit einplanen. Noch kurz muss ich in den Warteraum, ich trinke noch einen Becher Wasser, dann werde ich schon in das Spendezimmer gerufen. Auf einer Liege mache ich es mir mit hochgelagerten Füßen bequem. Eine Krankenschwester prüft meine Armbeugen und findet eine passende Vene. Das Gefühl der Nadel in meinem Arm mochte ich noch nie. Augen zu und durch! Schon sehe ich die dunkelrote Flüssigkeit im transparenten Plastikschlauch. Zuerst werden Proben für das Labor abgezweigt, dann füllt sich der große Beutel. Ich knete einen kleinen Ball in meiner Hand, was den Blutfluss anregt. Eine Display zeigt an, wie viel Blut bereits im Beutel ist. Wenn das Ziel von einem halben Liter nicht innerhalb von 12 Minuten erreicht ist, wird die Spende abgebrochen. Düdeldüdüüd – die Waage gibt Geräusche von sich wie beim Erreichen des nächsten Spiellevels. Ich liege gut in der Zeit und der Beutel ist voll mit meinem Blut. Die Schwester verschließt den Beutel, entfernt die Nadel und legt mir einen kleinen Verband an. Kurz soll ich mich noch ausruhen, es gibt Wasser und Traubenzucker, dann stehe ich langsam unter ihren fürsorglichen Augen auf. Sie bedankt sich bei mir für die Spende – vielleicht bis zum nächsten Mal – und überreicht mir die Aufwandsentschädigung von 20 €. Den Rest des Tages soll ich mich schonen und viel trinken. Für mich als Frau ist es frühestens in 12 Wochen wieder so weit. Männer dürfen alle 8 Wochen Vollblut spenden.
Im Wartebereich sitzen zwei Männer. Einer kommt zur Plasmaspende, der andere spendet Thrombozyten. Während mir Vollblut abgenommen wurde, kann man auch nur einzelne Blutbestandteile spenden. Das Blut wird dann entnommen, gefiltert und der nicht benötigte Teil wird wieder in den Blutkreislauf zurückgeführt. Der junge Mann kommt wöchentlich mit Termin zur Thrombospende. Jedes Mal gibt es 50 €.
Ein bisschen stolz trage ich meinen Verband durch die Straße. Ich gehe schon seit meinem 18. Geburtstag zur Blutspende. Meine Blutgruppe und Rhesusfaktor sind selten. Etwa 70 % der Menschen sind im Laufe ihres Lebens auf eine Blutspende angewiesen. Vielleicht komme ich selbst einmal in die Situation, Spenderblut zu benötigen. Am nächsten Tag wird nicht mehr als ein kleiner Punkt in meiner Armbeuge zu sehen sein. Aber für irgendeinen Patienten kann ein halber Liter Blut eine ganze Menge bedeuten.
Wenn ich zur Blutspende gehe, halte ich mich an idealistischen Grundsätzen fest. Leben retten, Gutes tun. Gleichzeitig sehe ich einige Aspekte der Blutspende kritisch.
Die Öffnungszeiten der Klinik sind nur unter der Woche vormittags. Wer einen Vollzeit-Job hat, bekommt so kaum die Gelegenheit, selbst Blut zu spenden. Angesprochen werden eher Menschen, für die der finanzielle Anreiz im Vordergrund steht. Sollte Blut zur Handelsware werden? Es ist auch intransparent, wie viel das Institut an dem Blut verdient. Meine Spende wird zu einem wirtschaftlichen Gut mit Gewinnspanne.
Der Fragebogen diskriminiert homosexuelle Männer: Statt tatsächliches sexuelles Verhalten abzufragen, gilt diese Gruppe per se als Hochrisikogruppe und eine Spende wird generell abgelehnt.
Auch wenn vieles nicht optimal läuft – ich werde wieder zur Blutspende gehen.