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„Das Wichtigste im Leben ist der Humor“

20. März 2015
(C) Prime Time Theater
© Prime Time Theater

Ein ein­fühl­sa­mes Por­trät über Oli­ver Tau­to­rat, den Grün­der und Lei­ter des ein­zig­ar­ti­gen Prime­Time-Thea­ters im Wedding. 

Alles schwatzt vor­freu­dig mit­ein­an­der. Maß­an­zü­ge quet­schen sich neben Bag­gy-Pants; Jute-Beu­tel neben Guc­ci-Taschen. Ein gro­ßer kräf­ti­ger Mann mit fal­schem Schnurr­bart und Vokuh­i­la-Perü­cke zwängt sich durch die war­ten­den Gäs­te im Foy­er des Ber­li­ner Prime Time Thea­ters. Vor der Bar ange­kom­men, ver­schafft er sich in derbs­tem Ber­li­ne­risch laut­stark Gehör. Die Gäs­te auf der War­te­lis­te kämen auch noch in die Vor­stel­lung, ver­kün­det er mit geschwol­le­ner Brust. Vor der Ein­gangs­tür wird ver­ein­zelt geju­belt. Der Mann schaut sich mit erns­ter Mie­ne um und for­dert die Anwe­sen­den in prol­li­gem Ton auf, sich doch bit­te­schön mit­zu­freu­en. Tosen­der Bei­fall erschallt. Ein Vor­ge­schmack auf das, was noch kom­men wird. Das ist Oli­ver Tau­to­rat. In sei­ner Büh­nen­rol­le des lis­peln­den Post­bo­ten „Kal­le“ ver­steht er es, sich schon vor einer Vor­stel­lung auf sein Publi­kum ein­zu­stim­men. Als Lei­ter des Thea­ters steht er im gel­ben T‑Shirt mit der Auf­schrift „Prost“ an der Abend­kas­se und begrüßt jeden sei­ner Gäs­te selbst. Eine Ange­wohn­heit, die noch aus der Zeit stammt, als es per­so­nell gar kei­ne ande­re Mög­lich­keit für ihn gab als die Kas­se selbst zu beset­zen. Für ihn ist es wich­tig, dass sein Thea­ter kein blo­ßer Kul­tur­be­trieb ist. Das Publi­kum soll sich bei ihm wie zu Hau­se fühlen.

Der Vor­füh­rungs­raum erin­nert an einen Kino­saal. Beque­me rote Stoff­sit­ze, blau gestri­che­ne Wän­de und eine Kino­lein­wand, auf die spä­ter die Büh­nen­bil­der pro­ji­ziert wer­den. Kurz vor der Show sucht der 41-jäh­ri­ge Tau­to­rat wie­der die Nähe zum Publi­kum. Er fragt, wie es den Leu­ten geht, woher sie kom­men und heizt ihnen mit Sprü­chen ein. Dabei wir­belt er mit den Armen, als wenn er jeden im Saal umar­men woll­te. „Alles hier ist wie im Swin­ger­club, jeder kann mit jedem – lachen“, sagt er. „Alles kann …“, und wie auf einem Rock­kon­zert stimmt das Publi­kum mit ein, „nichts muss.“

Wenig spä­ter erlischt das Licht. Wie in einer Fern­seh­se­rie wer­den die Cha­rak­te­re zunächst in einem kur­zen Film vor­ge­stellt. Ein wei­te­res Video fasst die Hand­lung des vor­an­ge­gan­gen Stü­ckes zusam­men. Dann geht das Büh­nen­licht an. Als „Tina Ton­ne“ hat Tau­to­rat sei­nen fal­schen Bart gegen fal­sche Brüs­te ein­ge­tauscht. Spä­tes­tens als er mit sei­ner Kol­le­gin Cyn­thia Buch­heim Dehn­übun­gen macht und dabei von Sah­ne­tor­ten schwärmt, gibt es für das Publi­kum kein Hal­ten mehr.

Ein Volkstheater wie kein anderes

(C) Martin Chmilecki
© Mar­tin Chmilecki

Was hier in der Burg­s­dorf­stra­ße im Wed­ding statt­fin­det, ist weit ent­fernt vom Betrof­fen­heits­thea­ter einer intel­lek­tu­el­len Eli­te. Das spie­gelt sich auch im Ver­zicht auf eine Kon­tin­gen­tie­rung ermä­ßig­ter Kar­ten und Vor­ver­kaufs­ge­büh­ren wie­der. So möch­te man es auch weni­ger gut situ­ier­ten Men­schen ermög­li­chen, ein Thea­ter zu besuchen.

Die Spiel­stät­te in den ehe­ma­li­gen Ver­samm­lungs­räu­men des SPD-Lan­des­ver­ban­des, die lan­ge leer stan­den, ver­steht sich selbst als Volks­thea­ter. „Mich macht es glück­lich, Men­schen, die sonst nichts mit­ein­an­der zu tun haben, an den Aben­den unse­rer Vor­stel­lun­gen zusam­men zu brin­gen und mit­ein­an­der lachen zu las­sen“, sagt Tau­to­rat. Zu die­sem Zweck ersann er zusam­men mit Con­stan­ze Beh­rends, die auch heu­te noch die Stü­cke schreibt, eine neue Thea­ter­form: Die Thea­ter­sit­com GUTES WEDDING SCHLECHTES WEDDING.

Das Thea­ter, wel­ches in einem klei­nen ange­mie­te­ten Raum in der Frei­en­wal­der Stra­ße als Pro­jekt von fünf Freun­den anfing, steht im Grun­de außer Kon­kur­renz. Weder klas­si­sche Bou­le­vard­thea­ter wie die „Komö­die am Kudamm“ oder das „Renais­sance Thea­ter“, noch die „Bar jeder Ver­nunft“ oder der „Hei­mat­ha­fen Neu­kölln“ schla­gen the­ma­tisch in die glei­che Ker­be. Den­noch ist das Haus bis heu­te auf aus­ge­buch­te Vor­stel­lun­gen ange­wie­sen, um sich zu rechnen.

Oli­ver Tau­to­rats Büro an der Mül­lerstra­ße ist ganz in war­men Oran­ge­tö­nen gehal­ten. An der Wand neben sei­nem Arbeits­platz hängt ein Pos­ter mit dem Kon­ter­fei von Homer Simpson. Gleich dane­ben ein Bild sei­ner klei­nen Toch­ter, sei­nem Lebens­mit­tel­punkt. Auf sei­nem Schreib­tisch eine Ber­li­ner Zei­tung und ein Maga­zin über Hun­de­er­zie­hung. Auf dem Com­pu­ter­bild­schirm das Logo des Blogs der Huf­fing­ton Post. Neben dem Moni­tor ein Schild mit der Auf­schrift „Cap­tain“. „Es kam immer wie­der in mei­nem Leben vor, dass ich mich als der Kapi­tän eines Schif­fes gefühlt habe“, sagt er. Wenn er über das Mit­tel­meer spricht, gerät er ins Schwär­men. Es bedeu­tet Ruhe für ihn, aber auch Kraft, Sehn­sucht und ein Gefühl von Unend­lich­keit. Auf der ande­ren Sei­te des Büros steht sei­ne Samm­lung von Modell­schif­fen. Immer wenn sei­ne Rei­sen ihn ans Meer füh­ren, bringt er ein neu­es mit.

Der Arbeits­all­tag des Thea­ter­di­rek­tors und künst­le­ri­schen Lei­ters des Hau­ses ist zwei­ge­teilt. Von mor­gens um acht bis in den Mit­tag hin­ein führt er Tele­fo­na­te, bespricht sich mit sei­nen knapp 20 Mit­ar­bei­tern, macht die Finanz­kon­trol­le und trifft sich mit Steu­er­be­ra­tern und Rechts­an­wäl­ten. Nach einer Pau­se fin­det er sich am frü­hen Abend wie­der im Thea­ter ein, macht die Kas­se und steht zur Prime Time, der angeb­lich bes­ten Sen­de­zeit um 20:15 Uhr, auf der Büh­ne. Nach der Vor­stel­lung tritt er gegen halb elf den Heim­weg an. Als einer der letz­ten geht der Kapi­tän von Bord.

Der Kapitän von seiner privaten Seite

Tau­to­rat ist dabei nicht nur Geschäfts­füh­rer und Gesell­schaf­ter des Thea­ters, son­dern auch Inha­ber des gas­tro­no­mi­schen Betriebs an der Thea­ter­bar. „Die wirt­schaft­li­che Ver­ant­wor­tung, die ich für die­sen gro­ßen Betrieb tra­ge, ist enorm. Ich habe Ent­schei­dun­gen zu tref­fen, die wirk­li­che Kon­se­quen­zen nach sich zie­hen. Nicht nur für mich allein. In Zukunft wür­de ich mich in die­ser Hin­sicht ger­ne etwas ent­las­ten wol­len“, räumt er ein und zün­det sich eine Marl­bo­ro an. „Ich habe die meis­te Zeit mei­nes Lebens pau­sen­los gear­bei­tet. In den letz­ten zwei Jah­ren habe ich ange­fan­gen, das etwas her­un­ter zu fah­ren, damit ich auch ein­mal Zeit für mich habe. Das ler­ne ich jetzt erst schätzen.“

Sein Traum ist es, irgend­wann nur noch halb­jäh­rig zu spie­len und dann ein hal­bes Jahr frei zu haben. Aber das lässt sich momen­tan nicht finan­zie­ren. Auch könn­te er dann sei­ne Mit­ar­bei­ter nur noch sai­so­nal ein­stel­len und das bringt er nicht übers Herz. „Mein sozia­les Ver­ant­wor­tungs­ge­fühl ist extrem hoch“, sagt er über sich. Das geht so weit, dass er in besu­cher­schwa­chen Mona­ten sogar auf eige­ne Gehäl­ter ver­zich­tet und sie sofort in den Betrieb reinves­tiert. Auch durch eine schlech­te kör­per­li­che Ver­fas­sung lässt er sich nicht von der Büh­ne fern­hal­ten. In den letz­ten elf Jah­ren konn­te er nur ein­mal nicht spie­len – wegen einer Hirn­haut­ent­zün­dung. Nach drei Tagen stand er wie­der auf der Büh­ne. Die­ser Arbeits­ei­fer steckt an. „Bei 220 Vor­stel­lun­gen im Jahr haben wir im Schnitt gera­de ein­mal zwei Aus­fäl­le. Alle, die bei uns auf der Büh­ne ste­hen, sind taf­fe Arbei­ter“, so Tau­to­rat, der mit sei­nem Thea­ter 2011 die Bezirks­ver­dienst­me­dail­le von Ber­lin-Mit­te und 2012 den B.Z.-Kulturpreis gewann.

Kein Rasten, kein Rosten

Tau­to­rat, der sei­nen fran­zö­si­schen Namen aus der Zeit der Huge­not­ten­krie­ge deutsch aus­spricht, wird in Würz­burg als das jün­ge­re von zwei Kin­dern gebo­ren. Die älte­re Schwes­ter ist heu­te Fremd­spra­chen­leh­re­rin. Sei­ne Mut­ter, eine grie­chi­sche Kran­ken­pfle­ge­rin und sein Vater, ein deut­scher Che­mi­ker, zie­hen in den ers­ten zwan­zig Jah­ren sei­nes Lebens aus beruf­li­chen Grün­den fast jedes Jahr in eine ande­re Stadt. Sei­ne Kind­heit ver­bringt der Deutsch-Grie­che dar­um in ganz Deutsch­land. Zusätz­lich geht es in den Som­mer­fe­ri­en meist nach Kava­la, in die Hei­mat­stadt der Mut­ter im Nor­den Grie­chen­lands. Die­se Unste­tig­keit emp­fin­det Tau­to­rat jedoch nie als stö­rend. Sie macht aus ihm viel­mehr einen empa­thi­schen Men­schen, dem es schon früh leicht fällt, offen und vor­ur­teils­frei auf Men­schen ein­zu­ge­hen. Der selbst­be­wuss­te Teen­ager ent­deckt schnell, dass sei­ne extro­ver­tier­te Art eine Gabe ist und lernt sie zu nut­zen. Er wird Klas­sen­spre­cher, Schü­ler­spre­cher und hört nicht mehr auf zu reden, egal ob er von etwas genü­gend Ahnung hat oder nicht. „Ich habe damals eine Men­ge Leu­te sehr genervt und muss­te mich im Nach­hin­ein bei vie­len ent­schul­di­gen“, erin­nert sich Tautorat.

1992 erlangt er in Würz­burg das Abitur im zwei­ten Anlauf. Hier absol­viert er auch sei­nen Zivil­dienst in der Schwerst­be­hin­der­ten­pfle­ge. Die danach ange­fan­ge­ne Buch­händ­ler­leh­re bricht er ein hal­bes Jahr spä­ter ab. Von da an schlägt er sich so durch. Ein Jahr lang zieht er für ein Tour­nee­bü­ro durch ganz Deutsch­land und pla­ka­tiert Strom­mas­ten und Lit­faß­säu­len mit Pos­tern des UFO-Gurus Erich von Däni­ken. Dabei arbei­tet er mit einem Ber­li­ner aus der Tech­no­sze­ne zusam­men, der ihm ein ers­tes Gefühl für die Haupt­stadt vermittelt.

Spä­ter, wäh­rend eines Aus­hilfs­jobs im Würz­bur­ger Thea­ter Ensem­ble, ent­deckt er sei­ne Lust an der Schau­spie­le­rei. Drei Jah­re Schau­spiel­aus­bil­dung in Mün­chen fol­gen. Die­se finan­ziert er sich kom­plett selbst und macht dabei Kar­rie­re in einem Call-Cen­ter, wo er es bis zum Kom­mu­ni­ka­ti­ons­trai­ner bringt. Aber er fühlt sich und sein Talent mit Men­schen kom­mu­ni­zie­ren zu kön­nen dort deplat­ziert. Er zieht nach Ber­lin-Wed­ding, in die Nähe von Kai Bag­s­ik, einem Sze­nen­bil­der, den er aus sei­ner Zeit in Mün­chen kennt. Hier lernt er kurz dar­auf Con­stan­ze Beh­rends ken­nen. Gemein­sam grün­den sie 2003 im Sol­di­ner Kiez das Prime Time Thea­ter, wel­ches 2004 zum ers­ten Mal sei­ne Pfor­ten öffnet.

Friede den Hütten – Krieg den Palästen

Die Stra­ßen sind vom Schau­er der letz­ten Nacht noch ganz nass. Die Geschäf­te und Knei­pen, an denen Tau­to­rat vor­bei­kommt, spie­geln sich in den Pfüt­zen, zusam­men mit den Refle­xio­nen der Son­ne. Er läuft nicht schnell, aber zügig. Es scheint, als käme er nie zur Ruhe. Taron, den Rho­de­si­an Rid­ge­back-Rüden an sei­ner Sei­te, führt er für eine gute Freun­din spa­zie­ren, wann immer es die Zeit erlaubt. Der Thea­ter­lei­ter, der sich manch­mal scherz­haft selbst mit einem Zir­kus­di­rek­tor ver­gleicht, trägt eine blaue Jeans und einen grau­en Kapu­zen­pul­li. Es macht ihn stolz, wenn Pas­san­ten ihn auf der Stra­ße wie­der­erken­nen. „Ich freue mich, wenn ich mer­ke, dass sich die Men­schen mit einem Lächeln im Her­zen an mich erin­nern“, sagt Tau­to­rat. Sich selbst berühmt zu nen­nen, lehnt er jedoch ab. Statt­des­sen spricht er von sich mit einem Augen­zwin­kern als einen „Local Cele­bri­ty“, einer Lokalgröße.

Auf Fra­gen den Wed­ding betref­fend, ant­wor­tet Tau­to­rat zwie­ge­spal­ten. Zum einen gebe es hier so etwas wie eine Gen­tri­fi­zie­rung. Die Mie­ten wür­den stei­gen und das sei schlimm. Zum ande­ren wüch­se das meis­te, was im Wed­ding kul­tu­rell ent­steht, aus eige­nen Struk­tu­ren. „Wenn neue Knei­pen auf­ma­chen, dann machen das meist Leu­te, die von hier sind und das fin­de ich gut“, meint der Wahl­ber­li­ner. Der Wed­ding ist für ihn wei­ter­hin ein Bezirk mit einem eige­nen Gesicht. Rau, direkt, und oft unter­schätzt – der per­fek­te Nähr­bo­den für Komödien.

Auf Fra­gen die Stadt Ber­lin betref­fend, ant­wor­tet Tau­to­rat hin­ge­gen radi­kal. Auf­ge­regt zieht er an sei­ner Ziga­ret­te. „Wenn mich einer fragt, ob ich dafür sei, eine Oper auf­zu­lö­sen, bin ich dafür – damit die freie Sze­ne mehr Geld erhält“, sagt er. In der Poli­tik hie­ße es immer, man wis­se nicht woher das Geld für die freie Thea­ter­sze­ne kom­men sol­le, gleich­zei­tig wür­den die gro­ßen Häu­ser aber auch stark über­fi­nan­ziert, so die­ser wei­ter. Der Kul­tur­se­nat Ber­lin weist sol­che Vor­wür­fe von sich. Dort heißt es, dass der­ar­ti­ge Spar­maß­nah­men weder geplant sei­en noch ein wirk­sa­mes Mit­tel wären. „Wir sind bestrebt, die Koope­ra­ti­ons­vor­ha­ben der gro­ßen Büh­nen mit der frei­en Sze­ne zu unter­stüt­zen, und wol­len gemein­sa­me künst­le­ri­sche Pro­jek­te zukünf­tig ver­stärkt för­dern“, so Died­rich Wul­fert, Spre­cher des Kultursenates.

Doch Tau­to­rat hält an sei­ner Mei­nung fest. Kul­tur­gut müs­se wach­sen kön­nen und dür­fe nicht nur sta­tisch in Form gro­ßer Büh­nen wie des „Ber­li­ner Ensem­ble“ oder des „Deut­schen Thea­ters“ vor­han­den sein. Selbst muss­te er sich die insti­tu­tio­nel­le För­de­rung der Stadt lan­ge erkämp­fen. Mitt­ler­wei­le ist sein Thea­ter im Haus­halts­plan des Senats ein­ge­bun­den. Doch die För­de­rung hält sich in Gren­zen und so ist er wei­ter­hin größ­ten­teils auf die Ein­nah­men durch Ein­tritts­gel­der angewiesen.

Die ganze private Welt ist Bühne

(C) Martin Chmilecki
© Mar­tin Chmilecki

Es ist gemüt­lich in Tau­to­rats Woh­nung. Die hohen Wän­de des Alt­baus sind in war­men Far­ben gehal­ten. Die ein­zel­nen Zim­mer sind hell und gehen vom Flur ab, wie die Äste eines Bau­mes. Der Geruch von frisch gebra­te­nem Fleisch liegt in der Luft. Die geräu­mi­ge Küche ist gefüllt mit aller­lei Koch­uten­si­li­en und zwei Kühl­schrän­ken. Einer für das Essen und einer für die Geträn­ke. Wäre er nicht Schau­spie­ler gewor­den, hät­te der lei­den­schaft­li­che Koch wohl sein Hob­by zum Beruf gemacht. „Mein gro­ßer Traum ist es immer noch, irgend­wann ein­mal eine Koch­leh­re zu machen und ein eige­nes Restau­rant zu haben“, sagt er. Die­ser Wunsch erfüllt sich 2011 für eine kur­ze Zeit bei­na­he vor­zei­tig. Doch die „Prime Time Kan­ti­ne“, wirft trotz der guten Lage direkt neben sei­nem Thea­ter kaum Gewin­ne ab. Da zu die­ser Zeit schon vie­le ande­re Risi­ken auf sei­nen Schul­tern las­ten, ent­schei­det er sich dazu, zumin­dest eines zu minimieren.

Wenn Tau­to­rat Zeit für sich hat, lau­fen auf dem gro­ßen Flach­bild­schirm neben roman­ti­schen Komö­di­en, Tier- und Wis­sens­sen­dun­gen vor allem TV-Seri­en. Er ist Mit­te zwan­zig, als ihn die­se Begeis­te­rung packt und bis heu­te nicht wie­der los­lässt. Der schnel­le ehr­li­che Humor Will Fer­rells wird eines sei­ner Vor­bil­der. Heu­te beein­dru­cken ihn Come­di­ans wie Kate McK­in­non oder Caro­lin Kebe­kus. Wenn er es ein­mal schafft, selbst ins Thea­ter zu gehen, dann fällt die Wahl meist auf Komödientheater.

Beruf­lich bemerkt Tau­to­rat noch kei­ne Ver­schleiß­erschei­nun­gen an sich. Dafür ist das Büh­nen­pro­gramm zu abwechs­lungs­reich, was ihn immer wie­der aufs Neue moti­viert und for­dert. Frü­her haben ihn die Rol­len von der Arbeit nach Hau­se beglei­tet. Mitt­ler­wei­le trennt er aber Berufs- und Pri­vat­le­ben strikt von­ein­an­der. „Sobald ich pri­va­te Klei­dung tra­ge, bin ich nicht mehr im Thea­ter und abso­lut authen­tisch“, sagt er und zer­drückt dabei eine Kip­pe im Aschen­be­cher. Er ist froh über die­se Ent­wick­lung. „Damals habe ich mei­nen Beruf schon sehr stark in mein Pri­vat­le­ben ein­grei­fen las­sen, so dass ich nie abschal­ten und ich selbst sein konn­te. Heu­te bereue ich das manch­mal“, sagt der Mann, der in elf Jah­ren auf der Büh­ne schon in fast 2000 Vor­stel­lun­gen mitwirkte.

In den letz­ten Jah­ren nimmt Tau­to­rat sich dar­um immer öfter Aus­zei­ten. Wenn er dann abends aus­geht, dre­hen sich die Fragen1 schnell um die Schau­spie­le­rei. Doch er möch­te sich pri­vat nicht in den Vor­der­grund spie­len. Schließ­lich ist das an fünf Tagen in der Woche sein Beruf. „Im Grun­de bin ich ein ruhi­ger, auf­merk­sa­mer Mensch“, sagt er. Die­ser Auf­merk­sam­keit ist es auch zu ver­dan­ken, dass er nie mit den Schau­spie­lern sei­nes Ensem­bles anein­an­der gerät. Wenn die Beset­zung wech­selt, stellt er sich pro­blem­los auf jeden ein.

Das ein­zi­ge, was ihn in Rage bringt, ist, wenn man ihn bestiehlt. Als sein Thea­ter noch in den Kin­der­schu­hen steckt, steh­len Jugend­li­che kurz vor der Vor­stel­lung einen DVD-Play­er. Tau­to­rat, der an die­sem Abend die Rol­le eines She­riffs spielt, rennt ihnen noch eine Wei­le in Cow­boy­stie­feln hin­ter­her. „Das war schon irgend­wie ulkig, aber ich habe mich in dem Moment wirk­lich als She­riff gefühlt“, sagt er und schmunzelt.

Auch auf der Büh­ne klin­gen von Zeit zu Zeit erns­te­re Töne an. Als Pas­tor, den alle nur „Vati“ nen­nen, pre­digt Tau­to­rat dem Publi­kum mit empor­ge­streck­ten Armen Sät­ze wie: „Das Wich­tigs­te im Leben, neben der Lie­be, ist der Humor.“ Sol­che Aus­sa­gen sind für ihn mehr als blo­ße Flos­keln. „Ich bin total ger­ne Komö­di­ant“, sagt er. „Mit Humor möch­te ich die Men­schen von ihrem All­tag ablen­ken und ihre Köp­fe öffnen.“

Autor: Mar­cel Nakoinz

Mehr Bei­trä­ge von Mar­cel auf sei­nem Blog schmalspurgefluester.wordpress.com

Das Pro­gramm des Prime Time Thea­ters fin­det ihr hier.

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