Manchmal reichen nur wenige Meter, um einen vermeintlich gewohnten Anblick ganz anders wahrzunehmen. Der Weg am Westhafenkanal führt eine Strecke entlang, die die meisten Weddinger von der Autobahn A100 aus kennen: Vom Autobahndreieck am Jakob-Kaiser-Platz bis zur Anschlussstelle Beusselstraße und dann bis zum Autobahnende, wo die Schnellstraße nahtlos in die Seestraße übergeht. Doch kennt ihr den Weg direkt am Westhafenkanal? Dort erlebt fast die gleiche Szenerie vollkommen anders.
Wir beginnen unseren Spaziergang am Eckernförder Platz. Dort, an der Seestraßenbrücke, sieht man die Öltanks und den Ladekran des Westhafens. Der Hafen wurde 1923 fertiggestellt. Vor der Brücke verzweigt sich der alte Berlin-Spandauer Schifffahrtskanal (fertiggestellt 1859), der unter der Seestraße Richtung Nordwesten verläuft. Dieser Abzweig ist der Charlottenburger Verbindungskanal, der zunächst Richtung Westen verläuft. Er wurde bis 1875 angelegt, um auch einen Anschluss zwischen der unteren Spree und dem Schifffahrtskanal herzustellen. Genau an dieser Verzweigung bot es sich an, den größten Hafen Berlins anzulegen, damals noch vor den Toren der Stadt.
Folgt man nun dem Fußweg neben der Autobahn Richtung Beusselstraße, geht es über die - mit 19 Metern - sehr breite nördliche Seestraßenbrücke von 1949/50. Doch es kommt noch besser: Nur wenige hundert Meter weiter überqueren gleich drei Brücken den kurzen Westhafen-Verbindungskanal. Dieser verbindet ebenfalls den Schifffahrtskanal und den Charlottenburger Verbindungskanal und ist nur 250 Meter lang. Der Weg für Fußgänger und Radfahrer verläuft direkt mit Blick auf den Westhafen und ist mitten im Grünen – trotz der Autobahn.
Bleibt man nun auf dem Sandweg direkt am Wasser, geht es zwischen Bretterverschlägen und dem Wasser weiter. Hinter den Brettern verbirgt sich der Club „Heideglühen“ in einer ehemaligen Tankstelle. Gegenüber kann man die imposanten Lagergebäude des Westhafens und die langgezogenen Hafenbecken erkennen. Die Anlage wurde von Friedrich Krause geplant; die Gebäude entwarf der Architekt Richard Wolffenstein.
Bald wird die Beusselstraße erreicht, die wir an der Ampel überqueren. Sie bindet Moabit an den Norden Berlins an und ist eine wichtige Autobahnausfahrt, vor allem für die Lastwagen, die den Berliner Großmarkt ansteuern. Dieser erstreckt sich direkt auf der anderen Uferseite des Kanals. Wir nehmen den kleinen Sandweg an einem Tor im Zaun, das man an der Schranke erkennt. Nahezu idyllisch, trotz der unmittelbaren Nähe von Hafen, Großmarkt und Autobahn, fällt der Weg zwischen Bäumen ab auf Wasserhöhe. Dort liegen zahlreiche Lastkähne vor Anker. Eingeklemmt zwischen Kanal und Autobahn kann man hier den Ausflugsdampfern und dem (allerdings nicht sehr dichten) Schiffsverkehr zuschauen.
Nach einigen hundert Metern zweigt erneut ein Kanal ab. Hier knickte früher der Charlottenburger Verbindungskanal ab. Erst ab 1938 wurde der heutige Westhafenkanal weitergebaut, und sogar erst 1956 fertiggestellt. Er trifft nach 3 Kilometern auf den natürlichen Lauf der Spree.
An der „Schneckenbrücke“ des Goerdelerstegs von 1975 könnt ihr den Uferweg verlassen – hält man sich auf dem Steg links, kommt man zum Bahnhof Jungfernheide; hält man sich rechts, geht es in Richtung Charlottenburg-Nord. Wir bleiben aber am Ufer und folgen dem Sandweg immer weiter, unter der Mörschbrücke hindurch. Dort gelangen wir zur Schleuse Charlottenburg, die 1885 angelegt wurde. 2003 wurde sie neu gebaut, die alte Schleuse ist nicht mehr in Betrieb. Zwischen alter und neuer Schleuse ist eine kleine Insel entstanden, die über eine Hochbrücke erreicht wird. Unser Weg endet am Nonnendamm und damit erreichen wir Siemensstadt. Hier gibt es nicht nur die beeindruckenden Fabrikgebäude des Wernerwerks zu entdecken, sondern auch das UNESCO-Weltkulturerbe Ringsiedlung.
Ich will nicht meckern, aber der beschriebene Weg hat doch wenig mit dem Wedding zu tun. Der hört spätestens dort auf, wo die Autobahn beginnt.
In den 60ger Jahren habe ich in den Ferien im Westhafen gearbeitet. Meistens wurden Schiffe ausgeladen, damals noch viel beladen mit sogenannten Senatsreserven, wer kennt diesen Begriff noch. Später war es ein gutes Angelrevier. Gute Erinnerungen.